Zwei Tage waren vergangen. Jetzt standen wir in der Hütte, bereit zur Abreise. Es fiel mir schwer, mich von der Hütte zu trennen, auch wenn es vielleicht kein Abschied für immer war. Diese Hütte war mit so vielen Erinnerungen verbunden. Ich dachte daran, wie mein Bruder und ich sie gemeinsam aufgebaut hatten, wie wir in kalten Winternächten zusammen saßen und Geschichten erzählten.
Doch am schwersten fiel mir der Gedanke, meinen Bruder nicht mehr in der Nähe zu haben. Ich könnte ihn nicht mehr an seinem Grab besuchen und ihm alles von meinem Leben erzählen. Gestern hatte ich mehrere Stunden bei ihm am Grab verbracht, ihm von unseren Plänen erzählt und mich verabschiedet. Es fühlte sich an, als würde ich ein Stück von mir selbst zurücklassen.
In den letzten Tagen hatten wir viel geredet. Er wollte sich hundertprozentig sicher sein, dass ich wirklich damit einverstanden war, für sein Volk zu kämpfen. Wir hatten alles besprochen, auch die Konsequenzen, die damit einhergingen. Wenn wir kämpften und gewannen, würde er wieder König werden. Das bedeutete für mich, dass ich Königin sein müsste, weil wir Mates waren. Der Gedanke daran bereitete mir Kopfschmerzen und ich wollte mich erst damit beschäftigen, wenn es tatsächlich so weit war.
Außerdem erzählte Cain viel von seiner Kindheit und Jugend im Schloss und wie es war, Prinz und später König zu sein. Tatsächlich klang das Ganze gar nicht mal so glanzhaft, sondern eher wie ein sehr einsames und trauriges Leben.
„Bist du bereit, Prinzessin?" fragte er mich und nahm meine Hand in seine. Der Spitzname, den er mir gab, bekam nun eine ganz neue Bedeutung. Ursprünglich hatte er mir erklärt das er mich so nannte, weil er mich für immer wie eine Prinzessin behandeln und für mich sorgen wollte. Jetzt war es auch ein Hinweis auf meine zukünftige Rolle an seiner Seite.
Wir hatten nur das wichtigste Zeug eingepackt. Den Rest mussten wir dalassen, was in meinem Herzen sehr weh tat. Mein Teddy, welchen ich von damals noch hatte, war natürlich auch mit ihm Gepäck. Sonst noch ein bisschen Essen und Trinken und ein paar Sachen die nützlich sein konnten oder ich mich nicht trennen konnte.
„Wenn das alles vorbei ist, dann holen wir den Rest, das verspreche ich dir." Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Er konnte fühlen und mir ansehen, wie schwierig das Ganze für mich war. Doch ich war bereit für die große, für mich neue, Welt. Ich hatte mich viel zu lange versteckt.
Ich ging das letzte Mal durch die Hüttentür und schloss sie hinter uns. Mit einem letzten, wehmütigen Blick auf das vertraute Holz, das so viele Erinnerungen birgt, atmete ich tief durch und setzte einen Fuß vor den anderen. Tapfer machte ich die Schritte in die Richtung, in die wir gehen mussten. Cain folgte dicht hinter mir, sein Blick wachsam und schützend.
Der Wald um uns herum war still, nur das Rascheln der Blätter im Wind und das gelegentliche Zwitschern der Vögel durchbrachen die Stille. Die Vertrautheit meiner Umgebung verschwand nach und nach, je weiter wir uns von der Hütte entfernten. Die Bäume, die Büsche, die Wege – alles wurde fremd und ungewohnt. Ein leichter Anflug von Panik stieg in mir auf, als mir bewusst wurde, wie weit wir uns schon entfernt hatten.
Aber Cain drückte meine Hand. Das Reicht mir um mich zu Beruhigen. Ich erinnerte mich wieder daran, dass er ein Werwolf war und uns fast niemand etwas tun konnte.
Nach mehreren Stunden Wandern waren wir immer noch im dichten Wald, und ich wunderte mich wirklich, wie groß dieses Waldgebiet war. Meine Orientierung hatte ich längst verloren, aber Cain schien genau zu wissen, wohin wir gehen mussten. Wahrscheinlich war es wieder eine seiner Wolffähigkeiten, dass er immer wusste, in welche Richtung wir gehen müssen.
Mir war bewusst, dass wir etwa zwei bis drei Tage laufen mussten, um dort anzukommen, wo der Wolf meinte das wir hin müssen. Schließlich hatte Cain das so geschätzt. Er meinte aber auch, dass er als Wolf deutlich schneller wäre, aber dass das egal war.
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Herzen in Fesseln: Mein Gefangener, mein Mate
Manusia SerigalaIch habe einen Werwolf entführt und gefangen. Wie es dazu gekommen ist? Das ist eine lange Geschichte. In kurz: Ich wurde in einer Welt geboren, die nichts von der Existenz übernatürlicher Wesen wusste. Doch das änderte sich, als sie uns den Krieg...