Kapitel 12

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Leicht gesättigt vom Fisch saßen wir vor dem wärmenden Feuer und genossen die Stille, während die Flammen in tanzenden Mustern vor uns flackerten. Mein Blick war in die Flammen vertieft, doch ich konnte nicht sagen, ob er ebenfalls in das Feuer starrte oder ob sein Blick auf mir lag. Er saß, wie immer, gefesselt an einem Stuhl.

„Sollen wir vielleicht da weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben? Mit den Fragen?" fragte ich neugierig und brach die Stille. Obwohl unser Gespräch am Vortag nicht gerade gut verlaufen war, brannte in mir das Bedürfnis, mehr zu erfahren. Nicht nur über die Welt, die sich da draußen verändert hatte, sondern auch über ihn, meinen Gefangenen. Schließlich war er nun schon seit drei Abenden bei mir und es war an der Zeit, dass ich mehr über ihn erfuhr.

„Klar, Prinzessin. Fang du an," forderte er mich auf und drehte sich leicht noch mehr in meiner Richtung, seine Augen funkelten im Feuerschein. Ich setzte mich aufrecht hin, drehte mich ebenfalls zu ihm, sodass ich ihm direkt in die Augen sehen konnte, während ich meine Fragen stellte.

„Was gibt es alles für Wesen und Kreaturen da draußen?" fragte ich mit gespannter Neugierde. Diese Frage brannte mir schon seit langer Zeit auf der Seele, seitdem ich das erste Mal von der Existenz übernatürlicher Wesen gehört hatte. Ich wusste von Werwölfen und Vampiren, aber was war da draußen noch vorborgen?

Er nickte langsam, ein leichtes Schmunzeln spielte um seine Lippen, als ob er meine Neugierde nachvollziehen konnte. „Also, am allermeisten gibt es Werwölfe, wie mich. Dann gibt es auch Vampire, obwohl die lieber unter sich bleiben. Ein paar Hexen, die ihre Magie meist im Verborgenen wirken, Feen, Mischwesen..."

Er zählte eine Weile weiter auf und ich hing an seinen Lippen, saugte jede Information gierig auf. Mit jeder neuen Kreatur, die er beschrieb, wurde mein Bild von der Welt da draußen umfassender, faszinierender und grusliger. Er erzählte, dass es aber von vielen Wesen, auch nur ein paar einzelne gab.

Es war fast überwältigend, zu erfahren, dass diese Wesen wirklich existierten. Mein Kopf begann zu schmerzen von den vielen neuen Informationen. Die Vorstellung, dass es da draußen so viele verschiedene und geheimnisvolle Wesen gab, von denen ich kaum etwas wusste, war gleichzeitig beängstigend und aufregend.

„Warum hast du mich nicht getötet, als du mich gefunden hast?", fragte er mich plötzlich. „Ich konnte in deinen Augen erkennen, dass du mich umbringen wolltest, aber du hast es nicht getan. Warum?"

Ich musste kurz über seine Frage nachdenken. Mir war es selber damals noch nicht ganz klar gewesen, warum ich ihn nicht einfach an Ort und Stelle umgebracht hatte. Schließlich war ich kurz davor gewesen.

„Ich wollte Informationen über die Welt da draußen erfahren", antwortete ich ihm, war mir aber selbst nicht sicher, ob das die komplette Wahrheit war. „Außerdem hatte ich so ein komisches Gefühl im Bauch, dass ich dich nicht umbringen sollte. Etwas in mir hat mich davon abgehalten," flüsterte ich mehr zu mir selbst.

Ein Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit und sein Gesichtsausdruck wurde noch weicher, aber ich wusste nicht warum. Was ging in seinem Kopf vor? Aber ich war jetzt mit Fragen dran und wollte mich nicht weiter mit seinem seltsamen Verhalten auseinandersetzten.

„Wer hatte dich so verletzt und im Wald zurückgelassen?" Schließlich konnte ich mir schlecht vorstellen, dass jemand einen so großen und muskulären Werwolf verletzten konnte. Ich hatte noch nicht viele Werwölfe gesehen, aber er war der größte und muskulöse von denen, die ich gesehen hatte und ich hatte das Gefühl, dass er Macht hatte. Er war sehr furchteinflößend.

Er hielt inne und seine Gesichtszüge verhärteten sich. „Das ist eine lange Geschichte," begann er schließlich, seine Stimme voller Bitterkeit und unterdrückter Wut. „Mein Bruder hat mich verletzt. Er versuchte, mich umzubringen. Ich bin weit weggerannt und bin hier bei dir geladen." Seine Worte waren von einem solchen Hass erfüllt, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken lief. Ich konnte nicht begreifen, wie jemand seinem eigenen Bruder solch ein Leid zufügen konnte.

Herzen in Fesseln: Mein Gefangener, mein MateWo Geschichten leben. Entdecke jetzt