Es kam viel zu oft vor, dass ich durch einen Albtraum aus dem Schlaf gerissen wurde. Genauso wie heute. Mein Herz raste, und meine Haut war kalt und klamm vom Schweiß.
Dieses Mal brauchte ich ein paar Sekunden, um mich zu orientieren. Ich blinzelte in die Dunkelheit und versuchte zu begreifen, wo ich war.
Schließlich lag ich mit einem Rehfell auf dem Boden, das als provisorische Matratze diente. Das weiche Fell hatte den harten Boden zumindest ein bisschen angenehmer gemacht, sodass ich dieses Mal nicht ganz so verspannt war wie den Morgen zuvor. Als ich aus meinem Fenster sah, stellte ich fest, dass es draußen noch dunkel war.
Mein Blick wanderte zu dem Werwolf, welcher auf mein Bett lag. Von dem ich jetzt wusste, dass er Cain hieß. Seine Augen waren geschlossen und er gab ein leises Schnarchen von sich. Sein Körper war zu mir gedreht und schwachen Licht, welches von draußen kam, wirkte er erstaunlich friedlich. Wäre ich ihm so im Wald begegnet, dann hätte ich nicht gedacht, dass es sich um ein Monster handelte. Er wirkte fast schon menschlich.
Ich stand auf und suchte meine Jagtausrüstung zusammen und alles was ich für meine Morgenroutine brauchte. Trotz der Dunkelheit und der Tatsache, dass es wahrscheinlich noch eine Stunde dauern würde, bis es hell wird, entschied ich mich dafür, meinen Tag früh zu beginnen. Am Morgen waren die meisten Tiere unterwegs und ich wollte endlich wieder meinen Magen richtig füllen.
Gerade als ich meine Haustür aufmachte, hörte ich ein „Wo gehst du hin?" von meinem Gefangen. Es war nur ein verschlafendes Flüstern, aber ich konnte es trotzdem hören. Ich hielt kurz inne und überlegte einfach meine Hütte zu verlassen. Schließlich ging es ihn nichts an, wo ich hinging.
„Jagen", antwortete ich knapp. „Schlaf weiter."
Ich ging schnell aus dem Haus. Bevor ich mit dem Jagen anfing, machte ich mich auf den Weg zu meinem Fluss. Das Wasser war klar und kühl, schnell wusch ich den Schmutz des letzten Tages von mir. Der Weg dorthin war mir nach all den Jahren vertraut. Jede Wurzel, jeder Stein, und jeder Ast im Dunkeln konnte mich nicht mehr überraschen.
Das Wasser fühlte sich erfrischend auf meiner Haut an. Es war ein Moment der Ruhe, eine kurze Pause von der ständigen Wachsamkeit. Nur ich und die Natur. Bevor ich mich auf die Jagt machte, besuchte ich noch das Grab meines Bruders. Als ich mit all dem fertig war, begann der Himmel zwischen den Bäumen zu dämmern. Die beste Zeit, zu jagen.
Ich bewegte mich lautlos durch den Wald, meine Schritte waren leicht und vorsichtig. Jeder Ast, jedes Blatt, das unter meinen Füßen knackte, konnte die Beute warnen. Während ich umherstrich, überprüfte ich auch die Fallen, die ich aufgestellt hatte. Gerade als es fast vollständig hell war, entdeckte ich eine frische Spur im feuchten Boden. Die Abdrücke waren deutlich, und mein Herz schlug schneller vor Aufregung. Es war eine Rehspur.
Ich konnte das Adrenalin in meinen Adern spüren, als ich mich so leise wie möglich in die Richtung bewegte, in die das Tier gegangen war. Meine Augen scannten den Wald nach jeder Bewegung, meine Ohren lauschten auf jedes Geräusch.
Hinter einem dichten Busch blieb ich stehen und spähte durch die Blätter. Da war es – ein junges Reh, vermutlich aus dem letzten Frühling. Seine hellbraune Fellfarbe und die zarten Bewegungen verrieten das es noch Jung war. Es fraß in Ruhe Gras und wusste noch nichts von seinem Schicksal.
Ich überprüfte den Wind. Er war auf meiner Seite, wehte von mir weg und trug meinen Geruch in die entgegengesetzte Richtung. Perfekt. Leise und konzentriert nahm ich einen Pfeil und legte ihn auf die Sehne meines Bogens.
Langsam spannte ich den Bogen, spürte die wachsende Spannung zwischen Sehne und Pfeil. Mein Atem ging ruhig, während ich den Pfeil auf den Brustkorb des Rehs richtete. Nur noch ein Moment der Konzentration, und ich würde loslassen. Das Fleisch des Tieres würde mir für Wochen Nahrung verschaffen und ich würde lange keine Sorgen mehr haben.
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Herzen in Fesseln: Mein Gefangener, mein Mate
WerewolfIch habe einen Werwolf entführt und gefangen. Wie es dazu gekommen ist? Das ist eine lange Geschichte. In kurz: Ich wurde in einer Welt geboren, die nichts von der Existenz übernatürlicher Wesen wusste. Doch das änderte sich, als sie uns den Krieg...