Ich wollte nicht als Erstes angreifen und wartete darauf, dass dieses übergroße schwarze Monster aufstand und mich attackierte. Doch das passierte nicht. Stattdessen blieb der riesige Wolf regungslos liegen und starrte mich einfach nur an. Verwirrt starrte ich zurück, doch ich konnte seinem intensiven und gefährlichen Blick nicht lange standhalten.
Schließlich wandte ich den Blick ab, hielt das Monster jedoch immer noch im Augenwinkel. Mein Herz raste. Die Anwesenheit des übergroßen Wolfs und sein durchdringender Blick ließen mir das Blut in den Adern gefrieren.
War das irgendeine Taktik? Und wenn ja, dann verstand ich nicht, was der Wolf vorhatte. Doch als ich das schwarze Wesen genauer betrachtete, fiel mir auf, warum es auf dem Boden lag und sich nicht bewegte. Eine meiner Fallen war an seinem Fuß befestigt und es sah so aus, als hätte die Falle seine Pfote schwer verletzt.
Aber nicht nur dort war er verletzt, auch an seinem Oberkörper blutete er und dass nicht gerade wenig. Sein Fell war an der Stelle schon komplett durchnässt, auch wenn man es durch das schwarze Fell kaum sehen konnte. Das sonst so schöne Grün des Grases unter ihm war von einer großen, roten Blutlache getränkt. Was war mit ihm passiert?
Das war meine Chance, das Monster zu töten und das ohne einen Kampf. Konnte man Werwölfe essen? Doch der Gedanke widerte mich an. Ich wurde aus meinen Mordgedanken gerissen, als ich wieder ein Wimmern hörte. Es klang fast wie das Geräusch, das unser alter Hund Milo von sich gegeben hatte, wenn man ihn schimpfte. Doch dieses klang verletzt und hilflos.
Versuchte der Wolf mich zu verarschen? Warum sollte ich Mitleid mit ihm haben? Werwölfe waren Killer! Als ich ihm wieder in die Augen sah, erkannte ich etwas, das wie ein Flehen wirkte, aber auch wie ... Sehnsucht? Unsicher, was das bedeutete, spürte ich, wie mein Herz schneller schlug. Doch ich war nicht gut darin, die Gefühle von Menschen oder Kreaturen zu lesen. Schließlich war ich seit Jahren allein und hatte nie die Gelegenheit, so etwas zu üben.
Vorsichtig näherte ich mich dem Monster, welches jeden Schritt von mir beobachtete. Den Bogen hatte ich weggesteckt und stattdessen mein langes Messer herausgezogen. Was tat ich hier eigentlich? Ich müsste dem Monster nur einen Pfeil zwischen die Augen schießen und dann war es vorbei. Aber vielleicht waren seine Artgenossen dann wütend auf mich. Waren noch mehr hier draußen? Suchten sie ihn?
Als ich nur noch einen Meter von dem Monster entfernt war, betrachtete ich es misstrauisch. Warum knurrte es nicht? Jeder andere Werwolf hatte mich bisher immer wütend angeknurrt und mir die Zähne gezeigt, doch dieser hier schien anders zu sein. Vielleicht, nur vielleicht, hoffte es darauf, dass ich ihm half. Schließlich waren seine Wunden sehr tief und er konnte nicht einmal aus eigener Kraft aufstehen.
Wenn es jetzt nur eine Bewegung machen würde, hätte der Wolf ein Messer im Kopf. Ich war darauf gefasst, einen Kampf zu führen. Doch es schien, als würde er verstehen, dass er sich nicht rühren durfte. Als ich noch ein paar Zentimeter näher kam, konnte ich etwas Merkwürdiges in seinen Augen erkennen. War es Freude? Hoffnung? Aber worauf hoffte er? Darauf, dass er mich gleich essen konnte?
Ich verschwendete keine weiteren Gedanken, schließlich hatte ich schon viel zu lange gewartet. Schnell griff ich nach einem Stein vom Boden und nutzte die Tatsache aus, dass der Wolf mich mit diesen seltsamen Gefühlen in seinen Augen anstarrte. Mit einem schnellen, kräftigen Schlag traf ich ihn hart am Kopf. Sofort sprang ich zurück, bereit, mich gegen einen möglichen Angriff zu verteidigen.
Aber kurz vor das schwarze Wesen ohnmächtig wurde, konnte ich noch eine Mischung aus Knurren und Wimmern von ihm hören. Bevor sein großer Kopf auf das Gras fiel, konnte man in seinen gruseligen Augen einen Schmerz erkennen.
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Herzen in Fesseln: Mein Gefangener, mein Mate
Hombres LoboIch habe einen Werwolf entführt und gefangen. Wie es dazu gekommen ist? Das ist eine lange Geschichte. In kurz: Ich wurde in einer Welt geboren, die nichts von der Existenz übernatürlicher Wesen wusste. Doch das änderte sich, als sie uns den Krieg...