Was geschah ...

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Der ältere Mann zerrte den Pelzkragen seines schwarzen Mantel zurecht und betrat den gemütlich wirkenden Laden. Bereits durch die Glasscheiben der breiten Fensterfront waren all die Blumen in unterschiedlichen Formen, Farben und Größen zu sehen gewesen.

Noch immer fragte er sich, wie es möglich war, diese mitten in den Monden des fallenden Blattes zu verkaufen, wo die meisten von ihnen doch eher dann in voller Blüte standen, wenn die Tage warm waren und die Sonne schien.

Nun schlug ihm jedenfalls der fast schon überladene süße Duft entgegen, während ein Glöckchen bimmelte, angeschlagen von der oberen Ladenkante. Zwei Öllampen verströmten zusätzliches Licht.
  
Naserümpfend nahm der Mann seinen Hut ab und wartete auf die Ladenbesitzerin. Eine junge Frau, etwas untersetzt und mit Sommersprossen im Gesicht, die kurz darauf durch eine türlose Öffnung hinter dem Tresen gerauscht kam.

Geschäftig wischte sie sich die dreckverschmierten Hände an einer Schürze ab, die sie über einem dunkelbraunen Rock trug. Es schien, als hätte sie bis eben noch in der Erde gewühlt.
  
„Was kann ich n für Sie tun?“, fragte die Verkäuferin und grüßte ihn mit einer Hand auf der Brust, bevor sie sich einzelne hellblonde Strähnen aus der Stirn strich, die sich aus ihrem wirren Zopf gelöst haben mussten.
  
Etwas missmutig über ihren schmutzigen Auftritt kniff der Ältere die Augen zusammen, erwiderte jedoch höflich den Gruß. Weshalb genau hatte er ausgerechnet hierher kommen sollen? In ein Viertel, in dem die Leute rumliefen wie trampelnde Bauern auf dem Viehmarkt, und auch so aussahen? Wieso konnte er das gewünschte Kraut nicht aus einem der vornehmeren Läden Westhavens holen?
  
Natürlich, niemand durfte hiervon erfahren. Zumindest keiner der gut betuchten Menschen, die dem König gefährlich werden konnten, sollte herauskommen, dass dieser seit einiger Zeit unter zunehmenden Schmerzen und Schlaflosigkeit litt.
  
Der Mann seufzte leise und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Ein paar Sekunden noch musste er sich gedulden, dann könnte er von diesem unangenehmen Ort verschwinden.
  
„Befindet sich Blauwurz in Ihren Vorräten?“
  
Nachdenklich legte die junge Frau den Kopf schief und kratzte sich an der Schläfe, eine Hand in die füllige Hüfte gestemmt.
  
„Blauwurz, Blauwurz“, murmelte sie vor sich hin, ehe sich ihr Gesicht aufhellte und sie mit funkelnden Augen die Finger schnippte. „Ach, genau, dieses Kraut aus m Abendland, hab ich recht?“
  
Bestätigend nickte er. Die einfachen Bürger waren also doch nicht alle auf den Kopf gefallen, auch wenn sie manchmal so wirkten.
  
„Davon hab ich tatsächlich was da, gerad erst geliefert“, meinte die Verkäuferin strahlend. „Wird immer beliebter bei uns, dieses Blauwurz, sag ich Ihnen.“ Sie drehte sich zu einem Regal in ihrem Rücken, das gefüllt war mit Phiolen und kleinen Holzkästchen, allesamt sorgfältig beschriftet. „Woll’n Sie s lieber in ursprünglicher Form oder als Pulver?“
  
„Pulver, wenn ich bitten darf“, wies der Ältere sie an.
  
„Pulver soll’s also sein“, trällerte sie gut gelaunt.
  
Die junge Frau ließ ihren Blick über die geschwungenen Beschriftungen gleiten, die er aufgrund der Entfernung kaum entziffern konnte. Schließlich nahm sie eine Phiole aus dem Regal – sie war gerade einmal so groß wie ihr Daumen – und reichte sie ihm.
  
„Das macht dann nen Goldtaler“, forderte die Verkäuferin und streckte die Hand aus.
  
Leise seufzend steckte der Mann die mit blau schillerndem Inhalt gefüllte Phiole in eine seiner Manteltaschen und zog stattdessen einen Geldbeutel hervor. Nachdem er ihr den gewünschten Preis gereicht hatte, zwinkerte sie ihm nochmal zu.
  
„War angenehm mit Ihnen Geschäfte zu machen. Aber passen Sie damit auf, ja? Ich denk, ich muss Ihnen nich erklären, wozu dieses Kraut fähig is, nich wahr?“
  
Er nickte nur, fragte sich gleichzeitig jedoch, was sie damit meinte, während er seinen Hut wieder aufsetzte und den Laden verließ.

Detektiv Schwarzherz und der Fall des Königs - überarbeitete VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt