Schatten der Vergangenheit I

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Fassungslos starre ich den Fae an, wie er hinter mir steht und mit kaltem Blick auf Wolfram hinabsieht. Bis eben hat dieser das Messer noch an meine Kehle gehalten, jetzt ist die Klinge von seinem eigenen Blut besudelt.

Noch bevor ich richtig begreife, was wirklich geschehen ist, richtet der Fae seine Aufmerksamkeit auf mich. Unwillkürlich durchfährt mich ein neuerliches Schaudern.

„Seid Ihr wohlauf?", fragt er mit unbeweglicher Miene.

„Hm?", mache ich, blinzele den unablässigen Regen aus meinen Augen und nicke. „Oh ... ja ... mehr oder weniger. Da ist nur ..."

Ich verstumme und betrachte mein linkes Bein, in dessen Oberschenkel noch immer ein kleines Wurfmesser steckt. Mit einem Mal überkommt mich eine Schmerzwelle nach der anderen und ich keuche schockiert auf. Bemüht nicht mit dem Rücken dagegen zu sinken, stütze ich mich mit einer Hand an der Hauswand neben mir ab. Blut tropft auf den kühlen Stein des Pflasters und malt dort Muster ins Wasser.

„Ihr seid verletzt", stellt der Fae nüchtern fest.

Ich stoße einen freudlosen Laut aus, dass mein Haar und meine Hose mittlerweile durchweicht sind, ignoriere ich.

„Treffend bemerkt, Sie Genie!"

Unbekümmert von meinen harschen Worten lässt der Fae sich auf die Knie sinken und ich zische, als er vorsichtig über den zerfetzten Stoff um meine Beine streicht, die Wunde und deren Ursache begutachtet.

„Das wird heilen", murmelt er schließlich und packt den Griff des Wurfmessers. „Ich ziehe es nun heraus."

Er hockt schräg hinter mir und sieht mich durch den Regenschleier hindurch an. Sein Blick liegt fest auf meinem über die Schulter gerichteten und der Widerspruch, den ich soeben noch habe erheben wollen, schwindet aus meinen Gedanken.

Ich weiß, dass es schwerwiegende Folgen mit sich bringen kann, das Messer ohne irgendwelche Vorkehrungen herauszuziehen, doch irgendetwas ist da, was mir Sicherheit gibt, mir zuflüstert, dass ich ihm vertrauen kann. Also beiße ich die Zähne zusammen und bereite mich innerlich auf die nächste Schmerzwelle vor, als diese schon über mich hereinbricht.

Gerade noch so kann ich einen lauten Schrei unterdrücken, der mit Sicherheit jeden Bewohner Westhavens geweckt und alle Aufmerksamkeit auf uns gezogen hätte. Wahrscheinlich können wir schon froh sein, dass mein vorheriger Ausbruch ebendas nicht schon bewirkt hat. Zum Ausgleich knurre ich, ehe ein gequälter Ton meinen Lippen entweicht.

Ein unerträgliches Brennen folgt, als der Fae seine Hand mitten auf die offene Wunde drückt. Dumpf dringen Worte an meine Ohren, die ich nicht verstehe.

„Was tun ... Sie da?", frage ich abgehackt und lasse den Kopf seitlich gegen die Hauswand sinken.

Unerträglich prasselt der Regen an mein Trommelfell, tropft von meiner Hutkrempe. Tränen und Schweiß vermischen sich mit Blut und Wasser. Mir wird heiß und kalt zugleich, während sich alles in meinem Inneren dreht und dann zusammenkrampft. Endlich lässt der Schmerz nach und ich seufze erleichtert auf, ein wohliges Kribbeln breitet sich in meinem Bein aus.

Tief atme ich durch und senke den Blick, muss blinzeln, um ein klares Sichtfeld zu erlangen. Der Fae hat von mir abgelassen und steht auf, um sich dem Toten zu widmen.

Indes er diesen an beiden Armen zerrend durch Pfützen und Rinnsale in eine naheliegende Nische schleppt, starre ich ungläubig auf meinen Oberschenkel, soweit es mir mein nach hinten geneigter Oberkörper erlaubt.

Ohne dass ich es bemerkt habe, hat der Fae das Loch in der Hose, wo das Wurfmesser sie durchbohrt hat, erweitert, um besser an die Wunde zu gelangen. Doch ... da ist nichts mehr. Kein Blut oder offene Haut. Kein freigelegtes Fleisch oder hervorblitzende Knochen. Nichts.

Violettes und grünes Pulver benetzen die Stelle, an der bis eben noch ein Wurfmesser in meinem Bein gesteckt hat.

„Wie ist das möglich?", flüstere ich, nachdem der Fae zu mir zurückgekehrt ist.

„Heilzauber."

„Natürlich." Mit großen Augen schaue ich zu ihm auf. Ich kenne diese Zauber, einmal habe ich einen solchen bereits am eigenen Leib erfahren. Damals im großen Fae-Krieg. „Fae-Staub."

Er nickt und streckt mir eine Hand entgegen. „Ist es Euch möglich aufzustehen? Ihr solltet Rückzug im Trockenen finden."

Zögerlich greife ich nach seiner Hand und lasse mich von ihm auf die Füße ziehen. Nicht, ohne mich dabei weiterhin an der Wand abzustützen. Dank Fillé überrascht es mich nicht, dass der Fae trotz seines zierlichen Körperbaus erstaunlich stark ist. Kraft hat er allemal.

Kurz wird mir schwindelig und ich kneife die Augen zu, atme ein weiteres Mal tief durch, um mich zu sammeln. Als ich die Lider öffne, kommt der Fae mir unweigerlich näher und legt sich einen meiner Arme um seine Schultern.

„D-das geht schon", wehre ich stotternd ab und versuche ihn mit der anderen Hand von mir zu schieben. „I-ich brauch nur einen Moment."

„Ich habe nicht vor, die ganze Nacht im Regen auszuharren!", erwidert der Fae mit scharfem Nachdruck und schlingt seinen eigenen Arm um meine Taille, um mich fester an sich zu ziehen. Mein Herz setzt einen Schlag aus.

Frustriert gebe ich nach. Was bleibt mir auch anderes übrig? Selbst wenn die Schmerzen verschwunden sind, so zittert mein Körper vor Schock und Nässe, weshalb es wahrscheinlich wirklich besser ist, mich an jemandem festhalten zu können. Wasser spritzt, während wir Pfütze um Pfütze durchqueren.

Als wir an jener Nische vorbeikommen, zu der mein Retter den Toten geschleppt hat, versuche ich etwas in der dort vorherrschenden Schwärze zu erkennen. Ohne Erfolg.

„Was ist mit ...?"

„Sorgt Euch nicht. Darum habe ich mich gekümmert", sagt der Fae. „Ich habe einen Verhüllungszauber gewirkt, der über den nächsten Tag und die folgende Nacht hinweg erhalten bleiben wird. Wir haben genug Zeit, die Leiche zu entsorgen."

Verstehend nicke ich knapp. „Danke."

Blitze zucken über den sturmgepeitschten Nachthimmel, Donner grollt, die hochliegenden Baumkronen biegen sich unter kräftigen Böen

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Blitze zucken über den sturmgepeitschten Nachthimmel, Donner grollt, die hochliegenden Baumkronen biegen sich unter kräftigen Böen.

Ich sehe mich Wolfram gegenüber, der sein Gewehr auf mich gerichtet hat. Er brüllt mir etwas zu, das wettergegerbte Gesicht zu einer boshaften Grimasse verzogen, doch die Worte dringen nur verwaschen an meine Ohren.

Im nächsten Moment löst sich ein Schuss aus dem Lauf des Gewehrs, der Knall jedoch wird von einem lauten Donnergrollen übertönt. Ein Schmerz, wie ich ihn noch nie erlebt habe, zerreißt meinen Unterleib. Ich schnappe nach Luft und sinke auf die Knie. Meine eigene Waffe rutscht klappernd zu Boden.

Mit beiden Händen fasse ich an meinen Bauch und richte den Blick, der bereits von Schweiß und Tränen verschwommen ist, nach unten. Blut quillt zwischen meinen Fingern hervor, tränkt meine olivgrüne Soldatenuniform.

Kalte Lähmung breitet sich in meinen Gliedern aus, röchelnd sacke ich weiter zu Boden, wo mein Körper reglos liegen bleibt. Jeglicher Schmerz weicht Gefühllosigkeit, der Geschmack nach Eisen breitet sich in meinem Mund aus.

Mit einem letzten Blick zurück zu mir, verschwindet Wolfram raschelnd zwischen großen Blättern.

Immer mehr flacht mein Atem ab, meine Augenlider flattern, während ich hinauf in das von Blitzen erhellte Firmament schaue. Schwärze breitet sich am Rand meines Sichtfelds aus, doch bevor ich gänzlich ins dunkle Nichts abdrifte, erscheinen zwei violettgrüne Punkte über mir.

Detektiv Schwarzherz und der Fall des Königs - überarbeitete VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt