Eine heiße Spur? I

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Gemeinsam suchen Zabel und ich zunächst wie besprochen das königliche Arbeitszimmer auf, sobald wir Hohenhain am nächsten Morgen erreichen. Vornübergebeugt sitzt der Kronprinz an seinem Schreibtisch, der direkt vor einer Fensterfront steht.

Die rosig-goldenen Strahlen der aufgehenden Sonne, die zwischen den Regenwolken hervorschaut, fallen ihm in den Rücken und blenden uns, sodass sein Gesicht im Schatten bleibt.

Selbst als er den Kopf aufrichtet - den Blick hatte er bis zu unserem Eintritt noch auf einen Stapel Papiere vor sich gerichtet -, um uns in Empfang zu nehmen, ist nicht viel von ihm zu erkennen, außer das Funkeln seiner grauen Augen.

Erst da er uns, nach einer knappen Verbeugung unsereins, bittet, ihm gegenüber auf zwei smaragdgrün gepolsterten Stühlen Platz zu nehmen und die Sonne durch unsere neue Position von seinem Körper verdeckt wird, gewöhnen sich meine Augen an das gleißende Licht und es wird mehr von ihm sichtbar.

Die Falten um seine Augen, Mund und Nase etwa, die tiefer wirken, als sie für seine Mitte dreißig sein sollten. Die Rüschen seines gebügelten Hemdes und den vornehmen Traueranzug mit Knöpfen und Manschetten aus reinem Gold. Die violettgrün glitzernden Rückstände von Fae-Staub an seinen Händen.

Karl von Hohenhain sieht uns direkt an, den Rücken gerade durchgestreckt, um Haltung zu bewahren. Tiefe, graue Ringe unter seinen Augen zeugen davon, wie ermattet er sein muss, auch wenn er krampfhaft bemüht scheint, das zu verbergen. Die Strapazen der letzten Tage, der Tod und die Beerdigung seines Vaters sowie die Übernahme der ersten Aufgaben als zukünftiger König hinterlassen bereits ihre ersten Spuren an ihm.

„Nun", sagt er, beugt sich vor und legt das Kinn auf seine gefalteten Hände, die Ellenbogen auf der Tischplatte abgestützt. „Ich liege richtig in der Annahme, dass Sie die Freilassung des Fae wünschen?"

„Ganz recht", beantworte ich die Frage mit fester Stimme.

„Hm." Der Kronprinz kneift die Augenlider zusammen. „Wer versichert mir, dass keine Gefahr von ihm ausgeht, sobald er auf freiem Fuße ist?"

„Ich bürge für ihn, wenn es sein muss!", erwidere ich, den Kopf erhoben.

Auf keinen Fall werde ich zulassen, dass der Fae auch nur eine weitere unnötige Sekunde länger im Kerker verbringen muss, und wenn ich mich gefährde selbst festgenommen zu werden und in einer Zelle zu landen. So könnte ich ihm wenigstens Gesellschaft leisten.

„Nun denn", murmelt Seine Hoheit schließlich nachgiebig und seine Schultern sacken etwas ein. „Ich bin gewillt, Ihrem Ersuchen nachzukommen, Herr ..." „... Schwarzherz." „... Herr Schwarzherz. Jedoch unter der Bedingung, dass Sie in den nächsten Tagen all Ihre Aufmerksamkeit diesem Fall zuwenden. Und nur diesem Fall!"

Respektvoll neige ich den Kopf, die Hand auf meine Brust gedrückt. „Ihr habt mein Wort, Eure Hoheit."

Karl von Hohenhain nickt. „Wenn dem so ist, dann soll Herr Falkenauge sogleich veranlassen, dass der Fae zu Ihnen gebracht wird."

„Habt Dank."

„Ich verlange dennoch, dass seine Flügel gebunden bleiben, und", ein Hauch von Strenge legt sich über seine Züge, „sollten Sie in Ihrer Vermutung, dass keine Gefahr von diesem Fae ausgeht, einem Irrtum unterliegen, so übernehmen Sie die volle Verantwortung!"

„Natürlich, Eure Hoheit." Wie zur Versicherung meiner Worte tippe ich mir mit der Rechten gegen die Krempe meines Huts. „Aber ich irre mich nicht. Der Fae hat nichts mit dem Mord an Eurem Vater zu tun."

Zabel und ich stehen auf, verneigen uns nochmal, so wie es sich gehört, und wollen gerade zur Tür hinausgehen, da hält uns der Kronprinz ein letztes Mal auf. „Eine Sache noch, ehe Sie diesen Raum verlassen. Ich verlange über jeden Schritt, jede Erkenntnis Ihrer Ermittlungen in Kenntnis gesetzt zu werden. Zu jeder Zeit!"

Noch bevor Zabel nur mit der Wimper zucken kann, habe ich mich schon zu Seiner Hoheit herumgedreht, ein gezwungen höfliches Lächeln auf den Lippen. Er selbst hat die Augenbrauen zusammengezogen, den Kiefer angespannt.

„Das werden wir, soweit uns das möglich ist", versichere ich, neige den Kopf zur endgültigen Verabschiedung und packe Zabel am Arm, um ihn aus dem königlichen Arbeitszimmer zu ziehen, bevor er oder Karl von Hohenhain Einspruch erheben können.

„Ich habe ne Liste zusammengestellt, wer alles am Abend vor Auffinden des toten Königs Dienst hatte", sagt Zabel auf unserem Weg zur Küche und hält ein gefaltetes Blatt Papier hoch

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„Ich habe ne Liste zusammengestellt, wer alles am Abend vor Auffinden des toten Königs Dienst hatte", sagt Zabel auf unserem Weg zur Küche und hält ein gefaltetes Blatt Papier hoch. „Das erspart uns die Arbeit jeden einzelnen zu verhören."

Er lässt die Hand sinken und verzieht mürrisch wie immer den Mund. „Du hättest Seiner Hoheit sagen sollen, dass wir ihm jederzeit Bericht erstatten, wenn er es wünscht. Immerhin ist er der zukünftige König."

Vehement schüttele ich den Kopf. „Keine gute Idee. Zukünftiger König hin oder her, wenn er etwas zu hören bekommt, was ihm nicht passt, ob er nun der Täter ist oder jemanden beschützen wollen würde, könnte er uns bei den Ermittlungen in die Quere kommen. Das werde ich nicht zulassen. Erst recht nicht bei dem, was auf dem Spiel steht!"

„Aber den Hauptverdächtigen mit einbeziehen wollen", murrt Zabel. Noch bevor ich, wie bereits so oft, klarstellen kann, dass ich gute Gründe dafür habe, fragt er: „Also sagen wir Seiner Hoheit nicht einmal, welche Vermutung wir über das Tatmotiv haben?" Laute Stimmen erfüllen die kühle Luft, als wir die Dienstbotengänge erreichen, in denen mehr los ist als in den oberen Fluren. Ich halte mich dicht neben Zabel, um ihn zu verstehen. „Darüber, dass jemand einen neuen Krieg möchte?"

Wieder schüttele ich den Kopf. „Sollte er selbst mit der Tat zu tun haben, wüsste er dann, dass wir ihm auf der Spur sind. Genauso, sollte er den Täter decken wollen."

„Ich muss gestehen, dass ich soweit noch gar nicht gedacht habe", meint Zabel und zwirbelt seinen Schnauzbart.

Das liegt wahrscheinlich daran, dass der Kronprinz eine Autoritätsperson für jeden in Yumanda ist und keiner so schnell wagen würde, ihm zu misstrauen. Dennoch grinse ich ihn an, als wir uns an einem jungen Mann vorbeischlängeln, der eine Platte mit Obst trägt, und am Eingang zur Küche stehen bleiben. Die folgende Stichelei kann ich mir nicht verkneifen: „Dafür hast du ja jetzt mich."

Ich achte nicht weiter auf seine missmutig geschürzten Lippen und öffne die schwere Holztür, damit wir eintreten können. Das geschäftige Treiben dahinter hält inne.

Es wird mucksmäuschenstill, jedes Gespräch sowie das Klappern von Töpfen und Geschirr verstummen, derweil sich uns dreckverkrustete und schweißverklebte Gesichter zuwenden.

Röcke, Schürzen und Hosen sind in gutem Zustand, weisen aber deutliche Spuren von harter, körperlicher Arbeit auf, ganz anders als die Kleidung der hohen Damen und Herren Hohenhains. Auch ein paar olivgrüne Uniformen sind in der Menge zu erspähen.

Fahles Tageslicht, das durch viele kleine Fenster und eine geöffnete Tür hereindringt, sowie der Schein von flackernden Flammen erhellt den weitläufigen Raum. Zu unserer Rechten befinden sich eine große Feuerstelle und ein Ofen, kleinere Kochplatten stehen in der Mitte. Ringsum hängen Küchengeräte an Messinghaken neben Hängeschränken und über Kommoden.

Laibe von Brot, Käse und Fleisch werden auf zerkratzten Brettern geschnitten und Eier in kleinen Behältern gekocht. Zwar habe ich gut gefrühstückt, dennoch läuft mir beim Geruch von frisch gebackenem Kuchen das Wasser im Mund zusammen.

„Guten Morgen", sagt Zabel in die gut besuchte Küche hinein und wendet sich einer hochgewachsenen, alten Frau zu, die ihr grauweißes Haar zu einem Knoten an den Hinterkopf gebunden trägt. Erneut hält er den zusammengefalteten Zettel in die Höhe: „Sind alle versammelt?"

„Alle, die Sie zu sprechen verlangt haben, müssten hier sein", bestätigt die Angesprochene. Dem Schlüsselbund an ihrer Hüfte nach zu urteilen die Hausdame.

Zabel nickt ihr zu. „Wie letztes Mal?"

„Ich bitte darum. Wir haben alles in die Küche gebracht, was für den Tag benötigt wird." Mit einem Nicken deutet sie auf Körbe voller Obst und Gemüse sowie Behälter, deren Aufschriften verraten, dass sie Zucker, Salz und Mehl beinhalten. „Sie können sich die Zeit nehmen, die Sie brauchen."

Detektiv Schwarzherz und der Fall des Königs - überarbeitete VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt