Schatten der Vergangenheit II

8 3 0
                                    

In Schweiß gebadet schrecke ich aus dem Schlaf und reiße die Augen auf. Sofort presse ich mir die Hand auf die unangenehm pochende Schläfe, auf der ein feuchtes Tuch liegt, und stöhne auf. Schwindel ergreift mich und ich kneife kurz die Lider zusammen, um wieder die Kontrolle über mein Gemüt zu erlangen.

Dann wandert mein Blick über die karge Decke, bis zum runden, von Zeitungen überladenen Tisch vor der Küchenzeile, an der jemand mit dem Rücken zu mir steht. Geschirr klirrt, während dieser etwas zubereitet. Erstes Tageslicht dringt durch die kleinen Fenster hinter mir.

Erleichtert atme ich durch. Ich bin Zuhause, in Sicherheit. Es ist nur ein Traum gewesen.

Mit einer Tasse in der Hand, aus der Dampf aufsteigt, dreht der Fae sich herum. Im nächsten Moment steht er auch schon neben mir und hält sie mir entgegen, sodass der Duft nach Minze und Zitrone in meine Nase steigt. Seine violettgrünen Augen blitzen auf, wie in meinem Traum.

„Trinkt", sagt er leise. „Sodass Ihr wieder zu Kräften kommt."

Mit einem zaghaften Lächeln, das ein schmerzhaftes Ziehen in meinem Kopf zur Folge hat, hieve ich mich in eine aufrechte Position und lasse meinen Nacken in die Armlehne sinken, während ich das feuchte Tuch von meiner Stirn nehme.

Eine Decke rutscht von meinen Schultern auf meine Brust, die von einem schweißnassen Hemd bedeckt ist. Mantel und Hut von mir hängen an meiner Garderobe.

„Waren Sie das?", frage ich, gebe dem Fae das feuchte Tuch und nehme stattdessen die Tasse an. „Danke." Mein Gegenüber zuckt bloß ausdruckslos mit den Schultern. „Warum tun Sie das alles für mich?"

Er dreht sich um und kehrt zur Spüle zurück, hängt das Tuch zum Trocknen an eine Stange, bevor er sich einen Stuhl ans Sofa heranzieht, um sich darauf niederzulassen. „Ihr seid meine einzige Hoffnung hier heraus zu gelangen. Das ist alles!"

Ich räuspere mich. „Nun, ich schätze, das ist durchaus berechtigt." Gedankenverloren puste ich, nehme einen ersten Schluck vom Tee, den der Fae mir zubereitet hat, und runzele Sekunden später die Stirn. „Was genau ist eigentlich geschehen?"

„Ihr wurdet angegriffen", erklärt der Fae. „Von einem Mann, der eine Augenklappe trug."

Wolfram!, schießt es mir durch den Kopf und die Erinnerungen kehren Stück für Stück in Fetzen zurück.

Meine Flucht vor ihm durch die Gasse, der stechende Schmerz im Oberschenkel, die Klinge an meiner Kehle. Das Grinsen mit den beiden Goldzähnen und die schnarrende Stimme, die mit unverhohlen gehässigem Tonfall zu mir gesprochen hat. Unversehens beschleunigt sich mein Puls und ich fasse mir nach Luft schnappend an die Brust.

„Was ist mit ihm?"

„Ich musste ihn töten", erwidert der Fae ernst und ich meine einen Hauch von Bedauern in seiner Stimme zu erkennen, der bei seinen nächsten Worten jedoch schwindet. „Sonst wärt Ihr jetzt tot!"

Fassungslos starre ich ihn an, lasse den Arm sinken und nehme einen weiteren Schluck, im Versuch die Neuigkeit durch eine Tätigkeit besser zu verarbeiten. Doch das will nicht so recht funktionieren.

Ich sehe Wolfram vor mir, mit durchgeschnittener Kehle im strömenden Regen auf der Straße liegend, und erschaudere. Kälte erfasst meine Glieder. Diesen Mann habe ich noch nie leiden können und er mich ebenso wenig, dennoch, ein solches Ende wünsche ich nicht einmal meinem engsten Feind.

Mühevoll verdränge ich den Anflug eines schlechten Gewissens und richte meine Aufmerksamkeit auf den Fae. Vielleicht kann ich mich ein bisschen ablenken?

„Jetzt, wo Sie mir das Leben gerettet haben, sollten wir einander vorstellen, finden Sie nicht auch?" Seine Miene bleibt unverändert, aber das hält mich nicht davon ab, leicht zu schmunzeln und fortzufahren: „Ich bin Marlon. Wie heißen Sie?"

Eine Weile herrscht Schweigen und ich glaube schon, dass der Fae nichts weiter dazu sagen wird, als er endlich murmelt: „Hier nennt jeder mich Spitzohr."

Unwillkürlich seufze ich schwer auf. „Ich möchte nicht wissen, wie Sie hier genannt wurden, sondern wie Ihr wahrer Name ist."

Wie erstarrt sitzt er neben mir auf seinem Stuhl und schaut mich einfach nur an. „Nun denn", meint er schließlich und das Lächeln kehrt noch breiter auf meine Lippen zurück. „Mein Name ist Sillír."

„Sillír", wiederhole ich. „Ein schöner Name. Es freut mich deine Bekanntschaft zu machen, Sillír."

Detektiv Schwarzherz und der Fall des Königs - überarbeitete VersionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt