Kapitel 20 - Steinschlag

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„Strand ... böhe", wieherte Flimmermähne zögerlich den Namen der Stute. Alarmiert riss sie den Kopf hoch und stellte sich schützend vor Morgenhuf, die sich mit unterwürfig kauendem Maul hinter dem Felsen verbarg.

Doch wieder Erwarten kam der Hengst mit mehr Neugier als Wut auf die beiden zu. Etwa eine Pferdelänge vor Strandböhe machte er Halt und neigte grüßend den Kopf. „Ich hätte nicht geglaubt, dich so bald schon wieder zu sehen." Beinahe belustigt peitschte er mit dem zweifarbigen Schweif.

„Ich ... auch nicht." Unwillkürlich spürte die cremefarbene Stute, wie brennende Hitze ihr Fell überströmte. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich in Anwesenheit des imposanten Schecken unsicher wie ein Fohlen auf seiner ersten Patrouille.

„Ich bin Morgenhuf!", stellte sich ihre Angehende mit aufrecht geschwellter Brust vor. „Und Strandböhe ist meine Mentorin."

„Glückwunsch", prustete der Hengst trocken. Nachdenklich huschen seine bläulich schimmernden Augen zwischen den Felsbrocken auf und ab. „Was macht ihr hier in fremdem Gebiet?"

Ein mulmiges Gefühl schnürte Strandböhe die Kehle zu, sodass Morgenhuf etwas zu vorlaut antwortete. „Wir sind unterwegs, um unserer Herde eine Nachricht zu überbringen!", verkündete sie mit aufgestelltem Schweif.

„Der ... Salzherde." Als hätte man einen Schalter umgelegt, schnellten Flimmermähnes Ohren nach hinten. Mit drohend gewölbtem Hals fixierte er Strandböhe. „Ihr habt unser Lager eingenommen und meine Herde aus ihrer Heimat vertrieben", schnaubte er in hartem Tonfall.

„Ich ..." Strandböhe wusste keine Erklärung für das Verhalten ihrer Herde. Weder sie noch Flimmermähne selbst waren bei dem Vorfall dabei gewesen und in ihr wütete nichts als Furcht und Verwirrung.

Plötzlich ertönte ein ohrenbetäubendes Grollen, das sich wie Donnerschlag durch ihren Körper zog. Flimmermähne fuhr herum und starrte wie versteinert einen riesigen Felsbrocken an, der in atemberaubendem Tempo unmittelbar auf ihn zu raste.

„Flimmermähne!" Mit einem gellenden Schrei stürzte sich Strandböhe in seine Richtung. Sie hatte nichtmal mehr Zeit, ihre Gedanken zu sortieren, da hatte der Instinkt bereits gehandelt. Im allerletzten Herzschlag stieß sie den Hengst zur Seite. Einige Pferdelängen rollten sie ineinander verschlungen über den steinigen Boden und blieben schließlich reglos im Staub liegen. Keuchend rappelte sich Strandböhe wieder auf. Einige blutige Schrammen zierten ihre hellen Vorderläufe, doch sie hatte nur eines im Sinn. Wo war Morgenhuf?

Hellwach und tänzelnd blickte sie um sich. Ihre Augen flogen im Zickzack zwischen dem Geröll umher, das sich von dem Felshang über ihnen gelöst haben musste. Erleichtert entdeckte sie eine rot schimmernde Gestalt, die zwischen den Brocken zu ihr und Flimmermähne getrabt kam. Sie war unversehrt. Erst jetzt wagte Strandböhe einen Blick auf den Schecken, der noch immer ächzend zu ihren Hufen lag.

Vorsichtig stupste sie ihn mit den Nüstern an. Es war, als würde ein brennendes Kribbeln ihren Körper erfüllen, als sie seinen vor Muskeln straffen Hals berührte.

„Alles okay?", wieherte sie fragend und ihre Blicke trafen sich.

Ungelenk streckte Flimmermähne die Vorderhufe aus und hievte sich in die Höhe. Kurz schwankte er und stützte sich an Strandböhes Schulter ab, dann schüttelte er sich den Staub aus dem Fell und bließ der Stute seine warme Atemluft entgegen. „Du hast mir das Leben gerettet." Mit dunklem Unterton fiel sein Blick auf den Felsbrocken, der ihn um ein Haar bei lebendigem Leibe unter sich begraben hatte. Strandböhe schluckte, konnte ihrem Blick jedoch nicht von dem Hengst abwenden.

Schwer aufatmend wandte sich dieser nun zu Morgenhuf um. Seine Wut war verflogen, stattdessen schien er müde und kraftlos, als wolle er einfach nur nach Hause und sich unter einem Busch zu einem langen Schlaf zusammenrollen. Nur, dass sein Zuhause von der Salzherde eingenommen worden war. Strandböhes Herde. Unwillkürlich war es ihr, als würde die Schuld mit eisigen Klauen ihr Herz umschließen. Wie konnte sie je wieder gut machen, was Seestern und die anderen diesen unschuldigen Pferden angetan hatten?

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 14 ⏰

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