Ich saß mit einer Cola in der Hand am Tresen und beobachtete Emilia wie sie in dichten Schwaden von Kunstnebel tanzte, der rhythmisch von weißen und roten Lichteffekten erhellt wurde.
Nachdem wir das Abyss betreten hatten, war ich an die Bar gegangen, um uns beiden etwas zu trinken zu holen. Als ich mich zu Emilia umdrehen wollte, um ihr die Flasche Wasser zu reichen, war sie schon verschwunden. Ich hatte sie dann in der Mitte der Tanzfläche entdeckt, ihr das Getränk gebracht und mich an die Bar gesetzt. Seitdem schwebte sie zu düsteren Klängen und dumpfen Bässen und zu Stimmen, die von Verzweiflung, Schmerzen und Tod sangen. Ihre Augen waren geschlossen. Trotz der Vielzahl hauptsächlich in schwarz gekleideter Menschen, die sie umgaben, schien sie völlig in sich in ihrer eigenen Welt versunken sein. Es war offensichtlich nicht das erste Mal, dass sie sich auf diese Art bewegte und ich war völlig fasziniert von dieser Seite an ihr.
Ich war nicht der Einzige, der sie beobachtete. Immer wieder fielen mir Frauen und Männer auf, die sie verstohlen oder ganz offen beim Tanzen betrachteten und teilweise auch ansprachen, wenn sie gerade einmal die Augen offen hatte oder an ihrem Wasser nippte. Gerade unterhielt sie sich mit einer hübschen Rothaarigen in einem kurzen Kleid. Die andere strich ihr dabei mit zwei Fingern zärtlich am Schlüsselbein entlang. Emilia trat auf sie zu und küsste sie unter einem großen Pentagramm aus roten LED-Lichtern, das von der Decke hing.
Eine tiefe sonore Männerstimme sang zu einem gleichmäßigen Rhythmus aus E-Gitarren und Schlagzeug von einem Fluch, der ihn dazu zwang von jemandem besessen zu sein, der ihn nur quälte.
Kurz darauf trennten sich die beiden zärtlich voneinander und Emilia setzte ihren einsamen Tanz fort. Der Club füllte sich mit immer mehr düsteren Gestalten. Die Nebelmaschine trübte die Sicht, bis ich nur noch die Schemen der Tanzenden ausmachen konnte. Ich trank aus und näherte mich Emilia. Ich lehnte mich gegen eine Säule am Rand, von der aus ich sie gut im Blick hatte.
Als die Musik immer mehr Leute auf die Tanzfläche zog, pirschte sich ein großer, schlaksiger, blasser Typ mit schwarzen, halblangen Haaren an Emilia heran. Er war mit einem bodenlangen schwarzen Ledermantel bekleidet, der bei jedem seiner Schritte hin- und herschwang. Bei Emilia angekommen, beugte er sich zu ihr und sagte ihr etwas ins Ohr. Emilia lächelte und nickte, woraufhin er ihre Hand nahm und sie mit sich zog. Es ging alles sehr schnell und wirkte viel zu selbstverständlich, als dass es mich nicht alarmiert hätte.
Schnellen Schrittes lief ich zur Tanzfläche und folgte den beiden. Sie verschwanden zwischen einer Gruppe nordisch aussehender großer langhaariger, breiter, bärtiger Typen.
Aus dem Nichts erschien plötzlich eine attraktive dunkelhaarige Frau vor mir und tanzte mich an. Sie hielt ihre langen Arme seitlich ihres Oberkörpers und bewegte sie geschmeidig zur orientalisch angehauchten Vokalise der Sängerin an ihrem Körper entlang - und versperrte mir die Sicht in Richtung Emilia. Als ich ihr ins Gesicht schaute, schenkte sie mir ein hübsches Lächeln. Noch vor ein paar Stunden wäre ich nicht an ihr vorübergegangen, aber nun war mein einziger Gedanke zu Emilia zu gelangen.
Als sie ihren linken Arm das nächste Mal hob, nutzte ich die Gelegenheit um mich an ihr vorbei zu zwängen.
Ich ließ meinen Blick durch den Saal schweifen. Emilia war verschwunden.
Ich wurde unruhig und kämpfte mich mit wachsender Verzweiflung durch die Traube der Wikinger. Dabei prallte ich mit einem von ihnen zusammen und Bier landete auf meinem Shirt und meiner Hose. Die Gruppe quittierte das mit lautem Grölen und unverständlichen vermutlich süddeutschen Schimpfwörtern sowie Faustschlägen in die Luft, während ich weiter hastete und meinen Blick auf der Suche nach Emilia durch den Club schweifen ließ.
Da entdeckte ich sie endlich in einer Ecke - knutschend mit dem Mann im Mantel. Ein unangenehmes brennendes Gefühl erfasste mich. Ich wollte nur noch, dass sie damit aufhörte. Das tat sie dann auch als er sie kurz danach zu einer schwarzen Tür abseits der Tanzfläche zog. In weißer Schrift stand das Wort Separee darauf. Er öffnete sie und Emilia betrat den Raum als Erstes. Als sie langsam hineinging, starrte er dabei auf ihren Hintern und leckte sich über seine schwarz geschminkten Lippen. Abseits der Tanzfläche hatte sich die Menge gelichtet. Mit schnellen Schritten hetzte ich in Richtung Tür.
Ich schaffte es ein paar Meter weit. Dann stolperte ich. Ich fluchte, verlor das Gleichgewicht, stürzte vornüber, sah den Boden in Zeitlupe auf mein Gesicht zurasen. Instinktiv griff ich um mich, suchte irgendetwas zum Greifen und fand im letzten Moment Halt. Es war ein roter Irokese, den meine Hand umschloss. Der zugehörige Mann fiel gerade von rechts vor meine Füße. Ich landete auf ihm und wir beide stürzten auf den Boden, er unter mir, sein Kopf hart in meinem Bauch. Ich rappelte mich auf und half dem anderen nach oben. Wir schienen beide unverletzt. Er trug ein Halsband, befestigt an der Leine über die ich gestolpert war. Diese führte zu einer kleinen blonden Frau mit Pagenschnitt und engem schwarzen Latexkleid, die sich vor mir aufbaute und mich wütend anfunkelte.
"Bist du bescheuert?"
Wahrscheinlich.
"Es tut mir leid. "
Ich ließ meinen Blick an ihr vorbei schweifen. Emilia stand einen Schritt im Separee und sah sich um.
"Sorry, ich muss dringend weiter." sagte ich dann.
Die blonde Frau bedachte mich nochmals mit bösem Blick, ging dann aber etwas zur Seite. Sie machte eine abfällige, wegwerfende Handbewegung und ich hastete weiter zur Tür. Ich erwischte Emilias Begleiter gerade noch an der Schulter, bevor er hinter ihr in dem kleinen Zimmer verschwinden konnte, in dessen Ecke eine mit schwarzem Latex überzogene Liege stand. Er drehte sich zu mir um.
"Was willst du denn? "
Ja, was wollte ich eigentlich? Was tat ich hier überhaupt?
"Das gleiche könnte ich dich fragen. " herrschte ich ihn an. "Was willst du hier drin mit meiner Freundin?"
"Deine Freundin?" meinte er mit einem schiefen Lächeln und fuhr mit seinem Blick an meinem Körper herab. Er schürzte die schwarz geschminkten Lippen und trat einen Schritt näher an mich heran:
"Willst du mitmachen?" raunte er in mein Ohr.
"Lass uns alleine."
Als er nicht reagierte, packte ich ihn am Oberarm zog ihn aus dem Raum und gab ihm einen leichten Schubs in Richtung Tanzfläche.
Er drehte sich um, grinste mich noch einmal an, schien kurz zu überlegen, und verschwand dann aber ohne Aufhebens nachdem er mich erneut intensiv gemustert hatte. Die Anspannung löste sich etwas von mir. Ich atmete erleichtert auf.
Aber ich hatte nicht mit Emilia gerechnet, die mich am Arm packte, in den Raum zog und dann die Tür mit so einer Wucht hinter mir zuschlug, dass ich trotz der lauten Musik zusammenfuhr.
DU LIEST GERADE
ღSchwarze Schmetterlingeღ✔️
RomanceAls Emilia bei Adrian einzieht, sind sie Fremde. Sie scheinen keine Gemeinsamkeiten zu haben. Er ist jung und kostet sein Leben und seine Wirkung auf Frauen hemmungslos aus, während das Leben und die Beziehung der zehn Jahre älteren Emilia nach eine...