Ausnahmen bestätigen die Regel

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Angus

Alle Augen liegen auf mir.

Ich schlucke schwer und versuche mich hinter Grandma kleiner zu machen, um den Blicken aller zu entgehen. Sie sehen mich dennoch und leider erkennen sie mich auch.

»Hey, Joseph! Schau dir das an! Ist das nicht der Kleine, der unseren Zwerg aus dem Wasser gefischt hat?«, ruft einer plötzlich durch den ganzen Raum und springt eilig auf die Beine.

Joseph, Martha's Dad wie ich realisiere, sieht mich überrascht an, bevor er sich an den fremden Polizisten wendet. »Phil, ich höre dich. Du schreist so laut, sogar Eric in seinem Koma kann dich hören. Er erwacht gleich, um dir eine reinzuhauen, weil du ihn schon wieder Zwerg genannt hast.«

Grandma hält überrascht inne, als vor ihr eine Tür aufgeht und ein blonder, junger Polizist das Großraumbüro betritt. Niemand geringerem als der Polizist, der mit Eric zusammen gearbeitet hat.

»Was ist hier los?«, fragt er aufgeregt und folgt den Blicken der anderen zu Grandma und mir. »Oh. Mrs. Campbell, wir haben Sie bereits erwartet. Ihr Enkel darf nun gehen.«

Grandma zieht zögerlich den Check aus ihrer Tasche und reicht sie dem jungen Polizisten. Dieser nimmt ihn widerwillig an und macht einen Schritt zur Seite.

»Bevor ich Ihren Enkel jedoch mitgehen lasse, hätte ich noch ein paar Fragen an Sie. Wäre ein Gespräch unter vier Augen möglich?«

Sie weiß bereits, dass sie keine andere Wahl hat, als ihm zu folgen. Entschuldigend sieht sie mich an, bevor sie sich an dem jungen Polizisten vorbeidrückt.

Dieser bleibt noch kurz stehen und betrachtet mich nervös. »Angus, ich würde mich gerne wegen gestern Abend bei dir entschuldigen. Ich hätte dich nicht nach deiner heldenhaften Rettungsaktion noch belästigen dürfen. Während ich mich mit deiner Großmutter unterhalte, kannst du dich zu meinen Kollegen setzen. Wenn du Fragen hast, kannst du sie ihnen stellen. Sie sind dir sehr dankbar.«

Mit diesen Worten lässt er mich zurück. Betreten blicke ich auf die zufallende Tür und fühle mich sogleich zehn Mal unwohler.

»Der Arme«, vernehme ich jemanden hinter mir flüstern. »Cove meint es zwar nicht so, aber das war schon etwas harsch. Er hätte es ihm wenigstens einfacher machen und ihn uns vorstellen können.«

»Wir könnten ihm etwas zu trinken anbieten«, murmelt Phil. »Oder wäre das belästigend?«

»Jetzt schrei doch nicht immer so«, ermahnt ihn Martha's Dad ein weiteres Mal. Kurz darauf vernehme ich Schritte hinter mir. Schwere, langsame, die hinter mir anhalten. »Mr. Campbell?«

Vorsichtig drehe ich mich zu dem Mann um. Ich spiele nervös mit meinen Fingern, aber ich schaffe es nicht lange mit ihm Augenkontakt zu halten. Ich wäre gerne überall anders als hier.

Als Grandma gefragt hat, ob ich mitkommen möchte, wenn sie Riley abholt, habe ich mir darunter etwas anderes vorgestellt. Ich - naives dummes Kind - habe angenommen, wir würden ankommen und könnten ihn direkt mitnehmen. Doch nur deswegen konnte ich es nicht eilig genug haben, die Kaution für Riley zusammen zu kratzen. Dass ich dabei sein ganzes Erspartes aus den Dienstehlen und den Räuben verwendet habe, wird er früher oder später noch erfahren und dann wird es wahrscheinlich zwischen uns so ordentlichen krachen.

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