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Drei Minuten später stand ich mit Sin im Badezimmer. Ich wusste nicht, warum sie das Licht nicht eingeschaltet hatte, aber ich wies sie nicht darauf hin. Immerhin drangen unter dem Türspalt und durch das Fenster genügend Licht in den kleinen Raum, damit Sin tun konnte, was auch immer sie tat. Sie räumte Flaschen und Kosmetika von der Waschmaschine und holte dann das kleine Tütchen heraus, das sie von McKay bekommen hatte.

„Also", sagte sie und hielt ihre Stimme leise. „Drogenjungfrau? Bist du auch eine andere Art von Jungfrau?"

Zum Glück konnte sie nicht sehen, dass ich knallrot anlief. Ich hätte lügen können, aber gleichzeitig redete ich mir immer noch ein, dass mir egal war, was sie von mir dachte. Es stimmte zwar nicht, aber immerhin belog ich sie nicht. Ich antwortete gar nichts darauf und auf ihrem Gesicht breitete sich ein neckendes Grinsen auf.

„Nimm mich nicht so ernst." Sie beugte sich über die Waschmaschine und ließ ein Häufchen von dem Pulver auf die Oberfläche fallen, bevor sie das kleine Plastiksäckchen wieder in ihre Hosentasche stopfte. Sie öffnete einen der Badezimmerschränke und zog eine Rasierklinge hervor. Schockiert fragte ich mich, was sie damit vorhatte, aber sie teilte das Schneehäufchen nur vorsichtig in der Mitte auf. Dann beugte sie sich vorne über, drückte sich ein Nasenloch zu und zog die Droge hoch.

Ich war verblüfft, wie routiniert sie das anstellte. Wie lässig es bei ihr aussah. An meiner Schule erkannte man die Drogenjunkies aus hundert Meter Entfernung, wobei man zwischen den entspannten und den unentspannten unterscheiden musste. Die entspannten waren die, die hinter der Schule oder auf den Toiletten Gras rauchten, im Unterricht komische Antworten gaben und meist recht zufrieden mit sich und der Welt aussahen. Barry hatte mir einmal erzählt, dass er einer der Marihuanagruppen nach dem Sport begegnet war, als sie hinter den Müllcontainern geraucht hatte. Er hatte mir berichtet, dass sie alle freundlich und lustig gewesen waren. Er hatte auch behauptet, selbst einen Zug von einem Joint genommen zu haben, aber das kaufte ich ihm nicht ab.

Die unentspannten Drogenjunkies waren die, aus den kaputten Haushalten, die, mit den schlechten Noten, die, die Schlägereien anfingen. Die, die koksten, Pillen einwarfen und von denen man leere Spritzen in Bankfächern oder auf dem Schulhof fand. Von denen waren Barry und ich mehr als einmal durch die Straßen gejagt worden, damit wir ihnen unser Taschengeld gaben.

Drogenabhängige konnten echt schnell rennen.

Aber Sin sah überhaupt nicht aus, wie jemand, der Drogen konsumierte. Sie war zu hübsch, zu witzig, zu entspannt, zu beliebt, zu schlau. Dieses Mädchen stellte mein komplettes Weltbild auf den Kopf.

„Willst du auch?", fragte sie mich und ich zögerte. Bier war okay, zu einer Zigarette hätte ich mich vielleicht von ihr überreden lassen, aber Koks? Lieber wäre ich noch einmal von dieser unsäglichen Klippe gesprungen und zwar ohne ihrer Hand in meiner.

„Wie du meinst." Sie zuckte mit den Schultern, rührte das zweite Häufchen Koks aber nicht an, bevor sie sich auf den Badezimmerfußboden setzte. Plötzlich fragte ich mich, warum ich ihr überhaupt gefolgt war, wenn ich nun doch gar keine Drogen nahm, aber das schien Sin gar nicht aufzufallen. Sie zündete sich noch eine Zigarette an und ich setzte mich ihr gegenüber in den Schneidersitz. Die Fließen waren kalt, aber die Luft war stickig und feucht, so wie im Wohnzimmer auch.

„Kann ich dich was fragen?" Ich sah sie an, konnte in der Dunkelheit aber nur schwer ihre Augen ausmachen. „Was ist das für ein Spiel von dem alle sprechen?"

Sie griff in ihre Hosentasche und zog wieder das Päckchen mit den Zigaretten heraus. Darin war auch ein Feuerzeug. „Beer Pong?"

„Ich meine das Spiel, über das keiner mit mir reden will."

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