Chapter 1

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Die Lautstärke im Mystic Grill war unerträglich. Es war erst mein erster Tag zurück in der Stadt und ich dachte jetzt bereits darüber nach, wie viel Ärger es mir einbringen würde, den aufdringlichen Typen neben mir einfach umzubringen. Bislang hatten sich seine aussichtslosen Flirtversuche noch auf billige Anmachsprüche beschränkt, aber wenn er nur ein einziges Mal versuchen würde, mich zu berühren, würde ich ihm hier und jetzt das Genick brechen. Bei der Vorstellung, wie sich daraufhin eine schockierte Stille in der kleinen Bar ausbreiten würde, musste ich unwillkürlich lächeln. Hätte ich nicht gewusst, dass darauf die Schreie folgen würden und ich gefühlt die halbe Stadt manipulieren müsste, hätte ich meiner Vorstellung vielleicht sogar nachgegeben. So beschränkte ich mich darauf, ihm einen so genervten Blick zu schenken, dass selbst er verstand, dass er bei mir keine Chance hatte. Auch wenn ihm das gleich hätte klar sein sollen, ich war weit außerhalb seiner Liga.

Wortlos bedeutete ich dem Wirt, mein Glas neu aufzufüllen, dem er auch augenblicklich nachkam. Ich hatte ihn schon bei meiner Ankunft manipuliert, mir keine blöden Fragen zu stellen, sondern nur dafür zu sorgen, dass mein Glas nie leer sein würde. Seitdem hatte ich mich in Schweigen gehüllt und kein einziges Wort mehr verloren. Aus gutem Grund, denn ich war damit beschäftigt, einem Gespräch zu lauschen, das am anderen Ende der Bar stattfand. Eine süße, blonde Highschool-Schülerin sprach dort mit einem Mann, der eigentlich viel zu alt für sie war, aber nicht danach aussah. Sie war ziemlich betrunken, aber er flirtete schamlos mit ihr - was sie alles andere als abstoßend fand. Wenn sie gewusst hätte, dass der Mann vor ihr 170 Jahre alt wäre und sich von menschlichem Blut ernährte, hätte sich ihre Begeisterung jedoch sicher in Grenzen gehalten. Aber ganz egal, wie ich das fand, wollte ich einem anderen Vampir nicht den Spaß verderben, also hielt ich mich zurück und schwieg, damit er nicht von meiner Stimme abgelenkt werden würde.

Erst, als er das Mädchen sitzen ließ und unauffällig durch die Vordertür verschwand, stand ich auf und folgte ihm. Ich achtete darauf, dass er mich nicht näherkommen hörte, und lief kurz darauf direkt neben ihm.

"Wer war die süße Blonde? Ich hoffe mal für dich, dass sie kein Ersatz für mich werden sollte."

Schockiert drehte sich der Vampir zu mir um. Er war es wohl nicht mehr gewohnt, dass sich jemand an ihn anschleichen konnte, aber ich verzichtete darauf, ihn damit aufzuziehen. Vorerst. Als er mich erkannte, entspannte er sich jedoch merklich, auch wenn er immer noch überrascht aussah.

"Liv? Was machst du denn hier?"

"Was denkst du denn? Ich bin natürlich hier, um nach meinem besten Freund zu sehen."

"Deinem einzigen Freund meinst du wohl eher", erwiderte er, aber ich verdrehte nur die Augen.

"Ich habe dich auch vermisst, Damon", meinte ich ironisch, musterte den schwarzhaarigen Vampir vor mir dann aber ernst. "Du hattest Geburtstag. Und du hast dich nicht bei mir gemeldet."

Ertappt fuhr Damon leicht zusammen, zuckte dann aber mit den Schultern, als wäre das keine große Sache. "Ach, ist schon wieder ein Jahr vergangen? Ist mir gar nicht aufgefallen. Es war im Moment viel los."

"Das glaube ich dir sogar", antwortete ich und verschränkte meine Arme. "Ich habe versucht, dich zu finden, aber niemand wusste, wo du dich versteckst. Bis ich gehört habe, dass Stefan mal wieder in die Heimat zurückgekehrt ist und ich mir dachte, dass du dann sicherlich nicht weit sein würdest. Was war los, Damon? Wieso bist du untergetaucht?"

Seit Damon vor einigen Jahrzehnten von einer Organisation von wahnsinnigen Menschen gefangen gehalten wurde, die Experimente an Vampiren wie uns durchführten, hatte er es nie versäumt, sich wenigstens einmal im Jahr bei mir zu melden. Als er plötzlich verschwunden war, hatte ich mir Sorgen gemacht.

"Das ist eine lange Geschichte, aber es ist alles in bester Ordnung", beruhigte Damon mich sofort und sah sich kurz um, um sicherzugehen, dass wir alleine waren.

"Ich habe vor einigen Monaten ein Mädchen getroffen...", fing er an und ich hob grinsend eine Augenbraue. "Nein, nicht so", beteuerte er sofort und verdrehte die Augen. "Aber als ich sie das erste Mal gesehen habe, habe ich sie zuerst für jemand anderen gehalten. Sie sah ganz genauso aus wie Katherine, Liv. Ich musste einfach herausfinden, was es damit auf sich hat."

Fassungslos musterte ich meinen besten Freund bei dieser Enthüllung. Es gab einen neuen Doppelgänger? Das war nun wirklich das Letzte, das ich erwartet hatte. "Hast du etwas darüber herausfinden können?", fragte ich, nachdem ich mich geräuspert hatte, aber Damon schüttelte mit dem Kopf.

"Nein, nicht wirklich. Es gibt einige Aufzeichnungen über Doppelgänger, aber viele widersprechen sich und das einzige, das man darüber weiß, ist, dass zwei Personen auch außerhalb einer Familie identisch aussehen können."

Das waren tatsächlich so gut wie keine Informationen - und dazu auch noch falsch. Wenn dieses Mädchen so aussah wie Katerina, dann musste sie auch von der gleichen Blutlinie abstammen.

"Wo ist dieses Mädchen..."

"Elena", unterbrach Damon mich. "Ihr Name ist Elena."

"Also schön, wo ist diese Elena jetzt?"

Auf Damons Gesicht breitete sich ein Grinsen aus. "Hier in Mystic Falls", antwortete er. "Sie geht hier zur Highschool, die Blondine aus der Bar ist eine ihrer besten Freundinnen. Und wie es aussieht, ist Elena genauso wie ihre Vorgängerin sehr an meinem kleinen Bruder interessiert."

Leise lachte ich, als Damon das so formulierte. "Solange du nicht vorhast, die Geschichte von damals zu wiederholen", grinste ich. Ich hatte Damon zwar erst später kennengelernt, aber er hatte mir in Grundzügen erzählt, wie sich sein Bruder und er in die gleiche Frau verliebt hatten und kurz darauf beide für sie gestorben waren - nur um dann als Vampire wieder aufzuwachen.

"Das wird wohl kaum passieren. Aber die Gelegenheit ist zu gut, um sie verstreichen zu lassen. Ich kann ja nicht zulassen, dass mein Bruder sich hier einfach zur Ruhe setzt und sein menschliches Leben weiterführt, als wäre nie etwas geschehen."

Lachend verdrehte ich die Augen. Ich würde die Beziehung dieser beiden nie verstehen. Damon verhielt sich immer, als wenn er seinen Bruder verabscheuen würde und ihm nur das Schlechteste gönnte, aber ich hatte im Laufe der Jahre schon oft gesehen, dass er Stefan eigentlich nur wieder in seiner Nähe haben wollte wie früher. Aber ich war vermutlich die Falsche, um darüber zu urteilen. Immerhin hatte ich meinen eigenen Zwillingsbruder auch seit 1492 nicht mehr gesehen, nachdem der mich nach einem Streit fortgeschickt hatte. Er war danach so gründlich untergetaucht, dass ich in den vergangenen 517 Jahren, 5 Monaten und einem Tag keine Spur mehr von ihm oder unseren anderen Geschwistern gefunden hatte. Nicht, dass ich ihm das noch nachtragen würde.

"Und was hast du jetzt vor?", fragte Damon mich neugierig.

"Ich denke, ich werde auch eine Weile in der Stadt bleiben", antwortete ich grinsend. "Ich hatte immer schon Spaß daran, deinen Bruder zu ärgern, und außerdem würde ich diese Doppelgängerin nur zu gerne selber kennenlernen."

Denn auch wenn ich das Damon nicht verraten würde, wusste ich vermutlich mehr über die Petrova-Doppelgängerin als jeder andere. Immerhin war sie der Schlüssel, den Fluch zu brechen, der über meinem Bruder und mir lag. Und wenn diese Elena tatsächlich ein Mensch war, würde es sicherlich nicht lange dauern, bis auch mein Zwilling von ihrer Existenz erfahren würde. Ich würde nur hier in Mystic Falls abwarten müssen, um Nik wiederzusehen.

Always and Forever - The Story of Livana MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt