Ich hatte ein riesiges Problem, und ich wusste nicht, wie ich es lösen wollte.
Elijah hatte sich seit seinem Anruf nicht mehr bei mir gemeldet und ignorierte auch jeden meiner Anrufe. Und, was noch viel schlimmer war: Elena ging es blendend. Entweder Elijah hatte es gar nicht erst bis zu der neuesten Doppelgängerin geschafft, oder Stefan und sie war es letztendlich noch ein zweites Mal gelungen, ihn zu erdolchen. Und den Dolch dieses Mal drin zu lassen.
Eigentlich war die Lösung für mein Problem ganz offensichtlich: Es gab jemanden, der definitiv wissen würde, wo Elijah war, weil er dieses Wissen niemals jemand anderem anvertrauen würde. Bedauerlicherweise war dieser Jemand auch eine der wenigen Personen, die auf meiner allzu kurzen 'Ich will sie nicht foltern'-Liste standen. Dennoch konnte es ja nicht schaden, zumindest einmal mit ihm zu reden, um meine Theorie zu überprüfen.
"Ich hoffe, du hast nicht auch einen Dolch für mich besorgt", begrüßte ich Damon, während ich in sein Wohnzimmer spazierte und mich dort wie selbstverständlich an seiner Minibar bediente.
"Liv? Was tust du hier?", fragte er überrascht und blickte sich ein wenig nervös um. Er hatte immer gewusst, dass ich stärker war als er, aber seit er wusste, dass ich ein Urvampir war, verhielt er sich anders mir gegenüber. Am liebsten hätte ich ihm nie etwas davon erzählt.
"Herausfinden, ob ich damit rechnen sollte, einen Dolch in den Rücken zu bekommen", antwortete ich gelassen und trank einen Schluck Bourbon.
"Komm schon, Liv, du kennst mich doch jetzt lange genug. Wir sind seit Jahrzehnten Freunde", versuchte Damon, mich zu beruhigen, schenkte mir dann jedoch ein schiefes Grinsen. "Wenn ich dich erdolche, werde ich dir zumindest dabei in die Augen sehen."
Leise lachte ich auf, als er das sagte. Das war der vorlaute Damon, den ich kannte und zu schätzen wusste. Er war ehrlich, damit konnte ich etwas anfangen. "Du bist ja sehr von dir überzeugt", bemerkte ich grinsend. "Wenn ich richtig zähle, habe ich dir allein in diesem Jahr drei Mal das Leben gerettet, also solltest du lieber noch mal darüber nachdenken, ob du es tatsächlich mit mir aufnehmen kannst."
"Drei Mal?", wiederholte Damon mit hochgezogenen Augenbrauen. "Okay, den Kampf in Pearls Haus lasse ich gelten, da wäre ich ohne dich wahrscheinlich tatsächlich draufgegangen. Und letztens im Wald waren auch wirklich eine Menge Werwölfe, mit denen ich nicht gerechnet hatte. Deine Hilfe war da schon recht praktisch. Aber Elijah hätte mich sicher eh nicht auf Carol Lockwoods Teeparty getötet, wenn du darauf hinauswillst."
"Nein, darauf wollte ich nicht hinaus. Das dritte Mal war heute Morgen, als ich beschlossen habe, dich nicht umzubringen, obwohl du meinen Bruder erdolcht hast. Gern geschehen."
Daraufhin schwieg Damon tatsächlich einige Sekunden. "Ich habe keinen weiteren Dolch, falls du tatsächlich deshalb hier bist", meinte er schließlich aufrichtig. "Also selbst wenn ich vorhätte, dich unschädlich zu machen, hätte ich keine Waffe gegen dich. Und ich habe auch nichts dergleichen vor."
"Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, dass ich dir das glaube", erwiderte ich und seufzte dann leise. "Aber tatsächlich ist das nicht der Grund, warum ich hier bin. Es ist schön zu wissen, dass du mich nicht erdolchen möchtest, aber das ist auch nichts, was ich ernsthaft befürchtet habe." Nicht, weil ich Damon das Überschreiten dieser Grenze nicht zutrauen würde - ich könnte mir durchaus vorstellen, dass er unter gewissen Umständen in Versuchung kommen könnte, mir einen dieser hübschen Silberdolche in die Brust zu rammen. Aber diese Dolche hatten mir noch nie etwas anhaben können. Das war einer meiner liebsten Vorteile meiner Werwolfseite. Auch wenn sie unterdrückt war, verhinderte sie, dass Silber mir tatsächlich schaden konnte. Allein diesem Umstand hatte ich es zu verdanken, dass Nik mich im Gegensatz zu all unseren anderen Geschwistern nie erdolcht hatte.
"Und warum bist du dann hier?", fragte Damon ernst.
"Ich will die Wahrheit, Damon", antwortete ich. "Habt ihr Elijah erdolcht?"
Mehrere Sekunden verstrichen. Sekunden, in denen ich kaum atmete und völlig reglos auf Damons Antwort wartete. Doch statt eines sarkastischen Spruchs, den ich erwartet hatte, überraschte Damon mich wirklich mit der Wahrheit.
"Ja. Wir haben ihm nicht vertraut. Ich habe ihm nicht vertraut. Und dann war er eine Gefahr für Elena. Also haben wir ihn erdolcht."
Tief atmete ich durch, um meine Wut zu unterdrücken. Ich hatte es schließlich schon gewusst, als ich hergekommen war, trotzdem hasste ich es, das zu hören. Ich hatte es nie gut gefunden, wenn Nik unseren Geschwistern das antat, aber dass mein Bruder nun bei jemand anderem als unserer Familie lag, leblos und ihnen völlig ausgeliefert, hasste ich von ganzem Herzen. Und dennoch konnte ich es nicht übers Herz bringen, Damon dazu zu bringen, ihn mir zurückzugeben. Ich könnte es tun. Ich könnte ihn angreifen, ihn ausbluten lassen, bis das Eisenkraut aus seinem Kreislauf verschwunden wäre, das er mit Sicherheit seit langem nahm. Ich könnte ihn manipulieren, mir Elijah zurückzugeben. Bei jedem anderen würde ich genau das tun. Aber er war nicht jeder andere. Er war der beste Freund, den ich jemals hatte.
"Ich vermute, die Chancen, dass du mir verrätst, wo er versteckt ist, sind eher gering?", fragte ich mit einem bitteren Lächeln, das meine Augen nicht erreichte.
"Da hast du recht. Ich kann es dir nicht verraten, nicht solange das Elena in Gefahr bringen könnte."
Langsam nickte ich. Nicht, weil ich mit seiner Aussage einverstanden war, sondern weil ich nichts anderes erwartet hatte. Ich würde Elijah nicht zurückbekommen, ohne Damon zu verletzen, und ich war nicht bereit, diesen Schritt zu gehen. Noch nicht. Und bis dahin konnte ich nichts Weiteres tun als abzuwarten und zu beobachten, wie sich diese Situation entwickeln würde. Also stellte ich mein Glas ab und drehte ich mich mit einem Seufzen um, um das Salvatore-Anwesen wieder zu verlassen. "Danke für deine Ehrlichkeit, Damon."
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Always and Forever - The Story of Livana Mikaelson
FanfictionSeit Livana Mikaelson unfreiwillig bei der Verwandlung von Katerina Petrova geholfen hat, wurde sie von ihrem Zwillingsbruder Niklaus verstoßen. Noch immer auf der Flucht vor ihrem Vater blieb ihr nichts anderes übrig, als unterzutauchen und eine ne...