Chapter 10

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"Was hat Emily da gestern gemeint, Liv?"

Leise seufzte ich auf, als Damon mir zur Begrüßung diese Frage stellte. Ich hatte gewusst, dass ihm Emilys Drohung mir gegenüber aufgefallen war und dass er das nicht einfach so auf sich beruhen lassen würde. Ich hatte es gewusst, und ich war trotzdem heute Morgen in sein Anwesen gekommen. Also würde ich ihm wohl die Wahrheit sagen müssen. Nicht alles, niemals alles, aber zumindest das Nötigste, um mein Verhalten zu erklären.

"Dir auch einen guten Morgen, Damon", erwiderte ich sarkastisch, hielt meine Stimme aber gesenkt. Stefan war den Geräuschen nach oben in der Dusche und er sollte von diesem Gespräch nichts mitbekommen. Damon würde ich anvertrauen, was Emily gegen mich in der Hand hatte, aber seinem Bruder würde ich das sicher nicht erzählen.

"Was meinte sie damit, dass deine Familie in die Stadt kommt? Und wer war dieser mysteriöse Er, über den sie geredet hat?"

"Was ich dir jetzt sage, ist mehr, als jeder andere über mich weiß", verkündete ich leise. "Jeder, der das oder mehr von mir erfahren hat, ist jetzt tot oder auf der Flucht. Und ich sage dir das nicht als Drohung, sondern als Warnung. Wenn du schlau wärst, würdest du das Thema fallen lassen und nie wieder auch nur eine einzige Frage über meine Familie stellen."

Damon verschränkte nur seine Arme und sah mich abwartend an. Die Reaktion überraschte mich wenig, dennoch seufzte ich leise auf. "Ich kann dir nicht sagen, wer meine Familie ist. Wenn es dich beruhigt, du hast noch nie etwas von ihnen gehört, also würde dir mein Name auch nicht viel bringen. Aber... ich hatte einmal Geschwister. Geschwister, die mir viel bedeutet haben, für die ich alles getan hätte. Auch wenn sie mich manchmal in den Wahnsinn getrieben haben und wir uns häufiger gegenseitig verletzt haben, als ich zählen kann. Aber wir hatten auch einen Vater, der... brutal war. Und hasserfüllt."

Aufmerksam hörte Damon mir zu, ohne seine Haltung zu verändern, doch seine Miene wurde ein wenig weicher. Bis hierhin konnte er nur zu gut nachvollziehen, in welcher Situation ich steckte. Vielleicht verstanden wir uns deshalb so gut. "Unser Vater wollte uns umbringen. Er hat uns gejagt", erzählte ich leise. "Und auch wenn ich mich schon vor Jahrhunderten von meinen Geschwistern getrennt habe, hat er seine Jagd auf mich, auf uns nie unterbrochen. Wir sind alle untergetaucht, um uns vor ihm zu schützen, deshalb habe ich meine Familie seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen. Wir haben früher einmal in Mystic Falls gelebt und ich hatte Hoffnung, dass ich meine Geschwister hier wiederfinden würde."

"Dann gehe ich also davon aus, dass du Mystic Falls nicht verlassen wirst?", fragte Damon leise.

"Du denn?", entgegnete ich überrascht, aber er zuckte nur mit den Schultern.

"Ich werde Katherine nicht befreien können. Zumindest nicht, indem ich hier bleibe. Ich werde Stefan einen Gefallen tun und mit ihm weiterziehen, damit seine kostbare Elena in Sicherheit ist. Nachdem Emily den Kristall zerstört hat, ohne dass jemand sie aufhalten konnte, habe ich keine Wahl mehr."

Mir war bewusst, dass Damon mir mit dieser Aussage nur Schuldgefühle machen wollte, weil ich nicht mehr für ihn gekämpft hatte. Es gelang ihm. "Wenn Emily meinen Vater hergelockt hätte, dann hätte ich keine Chance gehabt", versuchte ich leise, mich zu rechtfertigen. "Wenn ich dann hätte überleben wollen, hätte ich wieder untertauchen müssen, jeden Kontakt abbrechen müssen. Dich hätte er vermutlich dennoch umgebracht, wenn er erfahren hätte, dass wir uns kennen, und wenn er mich danach immer noch nicht gefunden hätte, hätte er sich auch jeden anderen Vampir in der Stadt vorgenommen. Einfach nur, weil er es kann. Er ist ein Monster. Deshalb konnte ich kein Risiko eingehen, als Emily mir mit ihm gedroht hat. Ich wünschte, ich hätte mehr tun können, um sie aufzuhalten. Es tut mir leid."

Langsam nickte Damon, was vermutlich mehr Verständnis war, als ich erwarten konnte. Er blieb mir jedoch eine Antwort schuldig, als jemand an der Haustür klingelte. Sofort öffnete er sie und schenkte der blonden Frau draußen ein Lächeln.

"Sheriff Forbes! Was verschafft mir die Ehre, so früh am Morgen?"

Der Sheriff warf einen Blick über seine Schulter ins Wohnzimmer, wo ich stand und wo auch Stefan gerade nach unten kam. "Können wir uns unter vier Augen unterhalten?", bat sie und Damon ging mit ihr vor die Tür.

Ich ignorierte Stefan, ebenso wie er mich, denn wir beide waren darauf konzentriert, dem Gespräch draußen zu lauschen. Der Sheriff erzählte Damon gerade, dass eine neue Leiche gefunden wurde. Ein weiteres Opfer, das in der letzten Nacht von einem Vampir attackiert wurde. Damon gab sein Bestes, um sie abzuwimmeln, und meine Gedanken rasten, als er wieder hineinkam.

Kaum hatte er die Tür hinter sich zugezogen, rannte Stefan bereits auf ihn zu und drückte ihn am Hals gegen die Wand. "Was spielst du für Spielchen?", knurrte er leise. "Ich dachte, du wolltest die Stadt verlassen. Willst du etwa auf uns aufmerksam machen?"

Gelangweilt musterte ich die beiden, in dem vollen Wissen, dass Damon sich bestens selber gegen seinen Bruder zur Wehr setzen konnte. Tatsächlich sah er demonstrativ auf die Hand an seiner Kehle, ohne mit der Wimper zu zucken.

"Erstens", fing er an, "fass mich nicht an." Erst als Stefan langsam seine Hand zurückzog, sprach Damon weiter. "Und zweitens war ich das nicht. Ich habe niemanden umgebracht, zumindest nicht in letzter Zeit."

Sofort ging Stefans Blick zu mir und ich bedachte ihn mit einem trägen Lächeln. "Nur zu. Greif mich auch an, um herauszufinden, ob ich es war", provozierte ich ihn. Zu seinem Glück hatte Stefan jedoch dazugelernt, denn er blieb, wo er war, die Hände zu Fäusten geballt.

"Warst du es?", brachte er leise heraus.

"Nein."

Stefan beobachtete mich weiterhin misstrauisch, als würde er mir nicht glauben, doch er traute sich auch nicht, mir zu widersprechen. Er wurde immer klüger.

"Das kann nur eines bedeuten", stellte Damon fest. "Außer uns gibt es noch einen Vampir in Mystic Falls."

"Scheint so, als würdet ihr wohl doch noch erst eine Weile bleiben", bemerkte ich grinsend und stand auf. Mir war vollkommen klar, dass keiner der beiden Elena zurücklassen würde, wenn sie möglicherweise in Gefahr schwebte. Da änderten selbst Damons ruinierte Pläne nichts dran. "Also dann, ich werde mich mal umhören, ob Bonnie noch irgendetwas von ihrer kleinen Besessenheit weiß. Viel Glück bei der Vampirjagd."

Always and Forever - The Story of Livana MikaelsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt