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- Rückblick Mai, 2016 -

Kenan und ich sind jetzt schon seit drei Jahren befreundet. Er ist mein einziger und bester Freund hier in Regensburg. Ich habe Angst, dass wir schon wieder in eine andere Stadt ziehen, aber noch nie waren wir so lange in einer Stadt und ich hoffe es bleibt auch weiterhin so. Mein Vater kommt anscheinend gut klar mit seinen Schulden. Jeden Tag spiele ich mit Kenan auf dem Spielplatz und es macht mir riesengroßen Spaß, doch es gibt zwei Jungs, die auch 11 Jahre alt sind, genauso wie Kenan, die uns nicht leiden können. Sie machen sich lustig über uns aber das ist uns beiden eigentlich egal.

Am nächsten Morgen, sah ich wie meine Mutter in Tränen Koffer packte. „Was ist los Anne?" Sie wischte sich ihre Tränen weg und blickte zu mir. „Pack deine Sachen, wir ziehen in eine andere Stadt." Meine Welt brach in einer Sekunde zusammen, noch nie war ich so traurig über einen Umzug. Meine Stimme erhöhte sich, unabsichtlich „NEIN, ich will nicht mehr umziehen, ich will hier bleiben!" Bevor mir meine Mutter antworten konnte kam mein Vater dazwischen. „Was hast du gerade gesagt?" er kam immer näher, bis er vor mir stand. Meine Augen blickten auf den Boden, ich hatte Angst vor ihm. „I-Ich will h-hier bleiben." antwortete ich ihm mit einer zitternden Stimme. Er griff mein Handgelenk und drückte es fest zusammen. Meine Augen fingen an zu tränen. „Hör bitte auf, es tut weh!" Er fasste unter mein Kinn, damit ich ihn ansah. „Dann geh und packe deine Sachen!" Er ließ endlich los und ich rannte mit Tränen in den Augen in mein Zimmer.

Auf meinem Tisch lagen zwei Armbänder. Eins mit dem Buchstaben „K" und das andere mit dem Buchstaben „C". Beide Armbänder haben schwarze Perlen dran und jeweils eine Perle mit dem Buchstaben des anderen. Ich hatte es vor ein paar Tagen für mich und Kenan gemacht und wollte ihn damit überraschen. Schnell schnappte ich mir beide Armbänder und kletterte wieder aus meinem Fenster, um dann wieder am Spielplatz zu stehen.

Meine Augen suchten Kenan. Er saß oben an unserem Gerüst, wo wir uns immer treffen. Bevor ich hoch konnte, kam er runter zu mir. „Ceylin, was ist los? Warum weinst du?" fragte er mich besorgt. Er legte seine Hände auf meine Wangen und wischte mir meine Tränen weg. Ich schluchzte „Kenan, wir ziehen schon wieder weg." Das einzige was ich jetzt vor mir sah war ein trauriger Kenan. Er blickte auf den Boden.

„A-Aber, was ist mit uns? Wohin geht ihr?" Seine Augen fingen auch an langsam zu tränen. „I-Ich weiß es nicht Kenan." Meine Stimme zitterte und meine Tränen wurden immer stärker. Woraufhin Kenan mich in eine lange und feste Umarmung zog. Nach einer langen Zeit lösten wir uns und jetzt waren sowohl seine Klamotten als auch seine Augen voller Tränen.

Ich nahm die zwei Armbänder aus meiner Hosentasche raus und nahm seine Hand in meine. Ich legte das Armband mit dem Buchstaben „C" in seine offene Handfläche „Hier."

Er sah mich fragend an. „Du bekommt das Armband mit dem C,"
Ich zeigte ihm das Armband mit dem K
„und ich bekomme das mit dem K. Also Ceylin und Kenan. So wirst du mich niemals vergessen." erklärte ich ihm während sich meine Tränen immer vermehrten.
„Ceylin, ich werde dich auch ohne Armband nicht vergessen."

„Ich weiß, aber mit den Armbändern wird es sich so anfühlen als ob wir noch füreinander da sind." Ohne zu zögern wickelte er das Armband um sein Handgelenk und ich daraufhin auch. Er fing an zu lächeln als er das Armband ansah. „Hast du die selber gemacht?" fragte er mich.

„Ja, ich wollte dich eigentlich später damit überraschen." antwortete ich ihm. Er sah wieder zu mir, immer noch mit einem Lächeln obwohl gerade Tränen aus seinen Augen flossen. „Ich werde es niemals ausziehen und ich werde dich niemals vergessen, Ceylin. Niemals." sprach er wieder. Ich hob wie letztes Mal meinen kleinen Finger in die Luft „Versprochen?" Kenan hakte seinen kleinen Finger in meinen und fing an zu lachen, weil ich dasselbe schonmal gemacht hatte. „Versprochen."

Danach umarmten wir uns wieder ganz feste und lange. „Unser anderes Versprechen werde ich auch nicht vergessen." sprach Kenan während wir uns immer noch umarmten. Ich fing sofort an zu lächeln.

Ich löste mich, weil ich jetzt gehen musste, bevor meine Eltern bemerken, dass ich nicht Zuhause bin. „Kenan..., ich muss jetzt gehen." Eine Träne floss sofort runter, doch er lächelte. „Ich glaube ganz feste daran, dass ich dich irgendwann wieder finden und alle meine Versprechen einhalten werde." sagte er. Ich lächelte und wischte mir ein letztes Mal meine Tränen weg, um wieder zurück zu gehen.

„Auf Wiedersehen Kenan." Ich wollte losgehen, doch dann hielt Kenan mich an meinem Arm fest. „Ceyda... warte."

Ich blieb wieder stehen und er ließ meinen Arm los. „Ich muss dir noch ein letztes Mal etwas sagen." sprach er. Seine Augen waren wieder angefeuchtet und er brauchte etwas lange, bevor er wieder weiter sprach. „Kenan?" Ich schüttelte ihn an seiner Schulter und er sah mich wieder an. „J-Ja, was ich dir sagen wollte..."

„I-Ich, i-ich..." Er konnte nicht aufhören zu stottern und ich musste langsam gehen. „Hadi Kenan, ich muss los. Ich hab keine Zei-"

„Ich liebe dich Ceyda."

Meine Tränen kamen zurück und meine Wangen röteten sich. Er sah mich beängstigend an, als hätte er Angst vor meiner Antwort. Ein großes Lächeln machte sich breit auf meinem Gesicht, sodass Kenan jetzt auch lächelte. Ich wusste es schon immer, aber, dass er es mir gesagt hat ist noch mal was anderes. 

„Ich liebe dich auch Kenan."

Er fing an beschämend zu lächeln. Ich ging auf ihn zu und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Er hatte es wahrscheinlich nicht kommen sehen, weil er sehr schockiert darüber war. Seine Hand platzierte er an die Stelle, wo ich ihm einen Kuss gab. Er war glücklich.

Das war das Einzige, was ich wollte. Ihn glücklich zu verlassen. Also rannte ich schnell weg.

Als ich nach hinten sah, sah ich immer noch wie seine Hand an seiner Wange war. Er blickte ebenfalls zu mir und lächelte.

Ich ging durch das Fenster wieder in mein Zimmer rein und packte schnell meine Sachen. Ich war pünktlich gekommen. Wir stiegen ins Auto und die Fahrt in eine andere Stadt, oder in ein anderes Land konnte beginnen...

Wir fuhren am Spielplatz vorbei und ich sah wie Kenan dort saß und mit seinem Armband rumspielte.

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Ein Leben lang - Kenan YildizWo Geschichten leben. Entdecke jetzt