07

3 1 0
                                    

Der Erste Mord - Fortsetzung.

Lucian war nun ein Jäger. Ein Wesen der Nacht, das sich von der Dunkelheit ernährte und dessen Seele durch den Fluch verdorben war. Der Mord, den er begangen hatte, lag ihm schwer auf dem Herzen, doch der Durst hatte ihn überwältigt. Nun gab es kein Zurück mehr. Die Nacht war sein Verbündeter, und das Blut war sein Fluch.

Als er durch die Wälder zog, spürte Lucian, wie die Schuld ihn von innen heraus zermürbte. Der Mann, den er getötet hatte, war ein unschuldiger Dorfbewohner gewesen, ein Mensch, der nichts weiter wollte, als in Frieden zu leben. Doch Lucian hatte ihm dieses Leben genommen, und das Wissen darum nagte an ihm.

„Du bist ein Monster", flüsterte eine Stimme in seinem Kopf. Es war seine eigene Stimme, voller Verachtung und Hass. Er wusste, dass es stimmte. Er war zu dem geworden, was er einst verachtet hatte – ein Geschöpf, das anderen das Leben nahm, um selbst zu überleben.

Die Tage vergingen, und Lucian spürte, wie der Fluch ihn immer tiefer in die Dunkelheit zog. Er vermied den Kontakt mit Menschen, hielt sich fern von den Dörfern, doch der Durst war immer da, immer präsent. Es war ein ständiger Kampf, ein unaufhörlicher Drang, der ihm keine Ruhe ließ.

Er dachte oft an Morgana und an das, was sie ihm angetan hatte. Ihre Worte hallten in seinem Kopf wider, eine endlose Schleife von Schmerz und Verzweiflung. „Du wirst in Dunkelheit leben, Lucian. Für immer allein, für immer durstig." Diese Worte waren sein ständiger Begleiter, eine Erinnerung daran, dass er für immer verflucht war.

Eines Nachts, als Lucian durch einen verlassenen Wald zog, spürte er, wie der Durst wieder in ihm aufstieg. Es war ein unstillbares Verlangen, das ihn fast wahnsinnig machte. Er wusste, dass er wieder töten musste, um den Durst zu stillen, doch der Gedanke daran erfüllte ihn mit Abscheu.

Er versuchte, sich zu beherrschen, den Durst zu kontrollieren, doch es war ein Kampf, den er nicht gewinnen konnte. Die Dunkelheit in ihm war zu stark, zu mächtig. Und so gab er schließlich nach, ließ das Monster in sich los und machte sich auf die Jagd.

In einem kleinen Dorf fand er sein nächstes Opfer. Ein junges Mädchen, kaum älter als sechzehn Jahre, das in einer Gasse stand und auf jemanden wartete. Lucian spürte, wie das Blut in ihren Adern pulsierte, hörte das Schlagen ihres Herzens, und sein Verlangen wurde unerträglich.

Er näherte sich ihr lautlos, ein Schatten in der Nacht. Das Mädchen bemerkte ihn erst, als es zu spät war. Lucian griff zu, zog sie in die Dunkelheit und grub seine Zähne in ihren Hals. Das Blut, das er trank, war süß und warm, und für einen Moment fühlte er sich lebendig, erfüllt.

Lucian starrte auf das leblos daliegende Mädchen hinab, und in ihm entbrannte ein Kampf zwischen Ekel und Befriedigung. Die Wucht des Blutes in seinen Adern fühlte sich wie ein süßer, tödlicher Nektar an, der seine Sinne vernebelt hatte, doch nun, da der Rausch abklang, blieben nur die Leere und der Abscheu.

Die Augen des Mädchens waren offen, ihr Gesicht eingefroren in einem Ausdruck von Angst und Verzweiflung. Lucian wollte wegblicken, doch er konnte nicht. Seine Schuld zwang ihn, diesen Anblick zu ertragen, als wäre es eine Strafe, die er sich selbst auferlegte. Das Blut, das noch warm an seinen Lippen klebte, war ein stummer Zeuge seines Vergehens, ein Symbol für die Unmenschlichkeit, die nun ein Teil von ihm war.

Er fiel auf die Knie, den Kopf in den Händen vergraben, und stieß einen lautlosen Schrei aus. Es war nicht der Schrei eines Mannes, sondern das erstickte Wimmern eines Wesens, das sich in den dunkelsten Abgründen seiner Existenz verloren hatte. Die Realität dessen, was er geworden war, überwältigte ihn. Wie konnte er weiterleben, wenn jedes Mal, wenn er nachgab, ein unschuldiges Leben ausgelöscht wurde?

Doch er wusste, dass es keinen Ausweg gab. Der Fluch hatte ihn zu diesem Monster gemacht, und nichts konnte das ändern. Die Vorstellung, diesen Weg immer wieder gehen zu müssen, bis in alle Ewigkeit, erfüllte ihn mit unendlicher Verzweiflung. Aber gleichzeitig wusste er, dass er keine Wahl hatte. Der Durst würde ihn immer wieder treiben, ihn zwingen, zu töten, um zu überleben.

Langsam, wie in Trance, erhob Lucian sich. Er warf einen letzten Blick auf das Mädchen, das er getötet hatte, bevor er sich abwandte und in die Nacht verschwand. Er wollte vergessen, wollte sich selbst und die Welt um sich herum verlieren, aber er wusste, dass die Erinnerungen ihn immer verfolgen würden. Die Dunkelheit, die ihn umgab, war nicht nur um ihn, sondern auch in ihm, ein ständiger Begleiter, der ihn nie verlassen würde.

Die Tage und Nächte verschwammen ineinander, und Lucian streifte ziellos durch die Welt. Er hielt sich fern von den Menschen, lebte in den Wäldern, den Bergen, überall dort, wo er die Einsamkeit finden konnte, die er nun als seine einzige Zuflucht ansah. Doch die Einsamkeit brachte keine Erlösung, nur die endlose Wiederholung der Erinnerungen, die ihn quälten.

--------------------------------------------

Lucian - der Erste VampirWo Geschichten leben. Entdecke jetzt