Die langen Schatten des Morgens

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Am nächsten Morgen weckt Richard das leise Summen seines Telefons.
Verschlafen greift er danach und sieht eine Nachricht von Paul: ,,Bin schon beim Frühstück. Kommst du runter?"
Ein kleines Lächeln huscht über sein Gesicht, als er die Worte liest.
Die Anspannung des vergangenen Tages ist immer noch in seinem Körper spürbar, aber die Erinnerung daran, wie sie die Nacht gemeinsam überstanden haben, gibt ihm neue Kraft.

Richard steht auf, zieht sich an und macht sich auf den Weg zum Speisesaal.
Als er dort ankommt, sieht er Paul an einem Tisch sitzen, vor ihm eine Tasse Kaffee und ein halb aufgegessener Teller Rührei.
Paul winkt ihm zu, und Richard setzt sich ihm gegenüber.

,,Morgen", sagt Paul und reicht ihm eine Tasse Kaffee.
,,Hast du gut geschlafen?"

,,Besser als erwartet", antwortet Richard, während er sich Milch in den Kaffee gießt.
,,Und du?"

,,Ja ziemlich gut."
Paul lehnt sich zurück und mustert Richard.
,,Wie geht es dir?"

Richard nimmt einen Schluck Kaffee, bevor er antwortet.
,,Ich bin okay. Ich denke, der gestrige Tag hat mehr bei mir ausgelöst, als ich erwartet habe, aber... es fühlt sich gut an, darüber gesprochen zu haben."

,,Das ist das Wichtigste", sagt Paul, seine Stimme weich.
,,Du musst dich nicht allein durch all das kämpfen."

Richard nickt, nimmt einen weiteren Schluck Kaffee und seufzt leise.
,,Ich weiß. Es ist nur... Es gibt immer noch so viele Dinge, die ich verarbeiten muss. Dinge, die ich lange verdrängt habe."

Paul beugt sich vor, seine Hand berührt sanft Richards Arm.
,,Du musst es nicht sofort alles bewältigen. Wir haben Zeit, Richard. Schritt für Schritt."

Richard sieht Paul an, und in den klaren, grünen Augen seines Bandkollegen findet er die Ruhe, die er so dringend braucht.
,,Danke, Paul. Wirklich."

Das Frühstück verläuft in angenehmer Stille, und die beiden genießen die wenigen Momente der Ruhe, bevor der Trubel des Tages beginnt.
Doch gerade als sie aufstehen wollen, um sich auf den Weg zum Proberaum zu machen, betritt Flake den Speisesaal und steuert auf sie zu.
Sein Gesichtsausdruck ist ernst, fast besorgt.

,,Morgen", sagt er knapp, als er sich an ihren Tisch setzt.

,,Morgen, Flake", begrüßt ihn Richard, leicht überrascht von der plötzlichen Anwesenheit des Keyboarders.
,,Alles in Ordnung?"

Flake seufzt und streicht sich über die Stirn, als würde er nach den richtigen Worten suchen.
,,Ich... wollte eigentlich nicht darüber reden, aber ich denke, es ist wichtig."

Paul und Richard tauschen einen besorgten Blick, bevor Richard das Wort ergreift.
,,Was ist los?"

,,Es geht um gestern Abend", beginnt Flake langsam, seine Stimme gedämpft.
,,Ich habe gesehen, wie du während des Konzerts anders warst, Richard. Es war, als würdest du gegen etwas kämpfen, etwas, das dich aus der Balance gebracht hat."

Richard spürt, wie sich eine kalte Faust um sein Herz legt.
,,Ja, ich war... abgelenkt. Es war nicht mein bester Auftritt, ich weiß."

,,Es geht nicht um den Auftritt", sagt Flake schnell, seine Augen durchdringend.
,,Wir haben alle diese Momente, in denen wir von unserer Vergangenheit eingeholt werden, aber es war, als wäre da noch etwas anderes. Etwas, dass du vielleicht nicht mit uns geteilt hast."

Paul legt eine Hand auf Richards Schulter, seine Finger drücken beruhigend.
,,Richard und ich haben viel darüber gesprochen, Flake. Es gibt Dinge, die er verarbeiten muss, und das ist in Ordnung. Er wird es in seinem eigenen Tempo tun."

Flake nickt langsam, aber der besorgte Ausdruck bleibt auf seinem Gesicht.
,,Ich verstehe das, Paul. Aber ich möchte nur, dass ihr beide wisst, dass wir alle hier sind, um euch zu unterstützen. Wenn irgendetwas ist, was wir tun können, sagt es uns."

Richard atmet tief durch, seine Gedanken wirbeln um die Worte, die er sagen möchte.
,,Danke, Flake. Ich weiß das zu schätzen. Ich bin nur... Ich arbeite daran. Es wird Zeit brauchen."

,,Wir haben Zeit", sagt Flake mit einem kleinen, beruhigenden Lächeln.
,,Und wie Paul schon sagte, du musst das nicht allein durchstehen."

Die Schwere der letzten Tage lastet immer noch auf Richard, doch in diesem Moment fühlt er die Stärke des Bandes, das ihn mit seinen Bandkollegen verbindet.
Es ist mehr als nur eine berufliche Beziehung- es ist eine Familie, die bereit ist, füreinander da zu sein, egal was kommt.

,,Danke, Flake", sagt Richard schließlich, und in seinen Worten liegt aufrichtige Dankbarkeit.
,,Ich werde auf euch zurückkommen, wenn ich es brauche."

Flake lächelt und nickt.
,,Darauf zählen wir."

Mit diesen Worten endet das Gespräch, und die drei machen sich auf den Weg zum Proberaum, wo sie sich auf das nächste Konzert vorbereiten müssen.
Doch während sie gehen, bleibt ein Gefühl der Zuversicht zurück.
Richard weiß, dass der Weg vor ihm steinig sein wird, aber er ist nicht mehr allein.
Er hat Paul an seiner Seite und die Unterstützung seiner Bandkollegen, die ihn auf diesen Weg begleiten.

Die nächsten Stunden vergehen in intensiven Proben, und allmählich verflüchtigt sich die Anspannung, die Richard noch am Morgen gespürt hat.
Die Musik, die Energie der Band- alles wirkt wie ein heilendes Mittel gegen die Zweifel und Ängste, die ihn quälen.

Als der Tag zur Neige geht und sie sich auf das Abendessen vorbereiten, fühlt sich Richard leichter.
Die Schatten der Vergangenheit sind noch da, aber sie scheinen weniger bedrohlich.
Paul bleibt an seiner Seite, und Richard spürt, dass sie gemeinsam stärker sind.

In der Dämmerung, als die Sonne hinter den Dächern der Stadt untergeht, sitzen Richard und Paul auf der Veranda des Hotels.
Sie reden nicht viel, genießen einfach die Ruhe und das Gefühl, dass alles gut wird- dass sie den Weg zusammen gehen und jede Herausforderung meistern können, die vor ihnen liegt.

,,Morgen wird ein neuer Tag", sagt Paul leise, und Richard nickt zustimmend.

,,Ja, ein neuer Tag", wiederholt Richard und spürt, wie sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen schleicht.
,,Und wir werden ihn zusammen angehen."

Mit diesen Worten endet der Tag, und die Nacht legt sich schützend um die beiden.
Die Sterne funkeln am Himmel, und für einen Moment scheint alles perfekt- als wäre die Welt nur für sie gemacht, um ihre Geschichte zu schreiben.

Harmonie Der Herzen (Paulchard Ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt