Epilog

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Cecilia stand am Grab und starrte hypnotisiert auf den Namen, der in den Stein eingraviert worden war. Es war das erste Mal, das sie die Ruhestätte aufsuchte.

LILIAN DAVENPORT

* 07.02.2002
12.08.2015

Lily.

Ich ging nicht zu ihr, sprach sie nicht an und machte mich nicht bemerkbar. Ich blieb im eisigen Wind stehen und sah zu, wie sie eine einsame Rose auf das Grab legte. Leichter Nieselregen prasselte auf meinen Regenschirm. Fröstelnd schlang ich meine Arme um meinen Körper und ging leise einen Schritt zurück, als Cecilia sich umdrehte.

Selbst auf diese Entfernung sah ich erschaudernd die Kälte in ihren Augen. Cecilia war kalt wie Eis. Wieder.

Sie fasste in die Taschen ihres langen Mantels und klemmte eine Zigarette zwischen ihre Lippen. Seit dem Unfall rauchte sie wieder. Nur von Fahrersitz eines Autos hielt sie sich nach wie vor fern. Deshalb fuhr ich sie zum Friedhof.

Hieß das, dass zwischen uns alles wie immer war? Nein. Der Unfall hatte Cecilia um Monate, wenn nicht Jahre zurückgeworfen. Sie duldete meine Anwesenheit, mehr nicht.

Und ich Idiot liebte sie trotzdem - mit allem was ich hatte. Wenn ich in ihre Augen blickte, kippte jemand Benzin in das Feuer, das ohnehin schon in mir loderte, wenn ich über sie nachdachte. Cecilia war meine Droge, von der ich mich nicht mehr fernhalten konnte. Ich war süchtig nach ihr. Sie hatte Recht. Das war meine Schwäche. Dass ich einfach nicht loslassen konnte.

Cecilia blieb auf Abstand. Das einzige, was sich verändert hatte, waren ihre zahlreichen Affären. Sie ging zwar weiterhin auf Partys, aber dort wies sie jeden zurück, der ihr zunahe kam.

Cecilias Alltag war ein Scherbenhaufen. Um es mit ihren Worten auszudrücken: Das Leben ist eine Bitch.

Wir sahen uns fast jeden Tag. Immer noch. Cecilia war so nah wie immer und fern wie noch nie.

Ich vermisste das sanfte Lächeln kurz bevor sie sich in ihrem neuen Bikini in die Wellen stürzte. Die Art, wie sie jedes Mal nach dem Aufwachen mit dem Kopf gegen meine Dachschräge knallte. Das ungehaltene Kichern, wenn wir uns amüsierten.

All das war fort und ich wusste nicht, ob ich es je wiedersah.

Das war nicht mehr meine Cecilia.

Cecilia entzündete die Zigarette, zog genüsslich daran und blies den Rauch in die Luft. Unsere Blicke trafen sich. Ihre blonden Haare rahmten ihr hübsches Gesicht ein. Dann wandte sie sich ab und setzte die Zigarette wieder an ihren Lippen an. Machte sie das absichtlich, weil sie wusste, wie sehr ich rauchen hasste?

Ich hatte versagt.

Damals, als Vincent mir alles über Cecilia erzählte, hatte ich gewusst, dass ich mir Millionen von Problemen auflud, wenn ich Zeit mit ihr verbrachte. Nur die Art der Schwierigkeiten wurde mir erst jetzt bewusst. Der Einblick in ihre Psyche war mit permanenten Sorgen verbunden. Ich konnte nicht loslassen, weil ich wusste, dass sie dann in einen richtig tiefen Abgrund fiel. Es könnte mir egal sein, weil ich ihr nichts schuldete, aber das war es eben nicht.

Oft stellte ich mir die Frage wie mein Leben wohl aussähe, wenn sie keine Rolle darin spielte. Wie damals, als ich nichts über sie wusste und wir Fremde waren.

Cecilia drehte sich um und verließ mit schnellen Schritten den Friedhof. Sie sah sich nicht um, wartete nicht auf mich und ich folgte ihr nicht.
Ich hatte den Draht zu ihr verloren, hatte alles verloren.

Ich sah Cecilia hinterher und begab mich zu Lilys Grab. Seufzend starrte ich auf die Jahreszahlen auf dem Stein, die viel zu nah beinander lagen. Sie war so jung gestorben. ,,Ich wünschte, du könntest mir helfen. Ich glaube, ich habe sie verloren, Lily."

Heute war ich am selben Punkt wie damals. Cecilia war ein unlösbares Rätsel, eine Schatztruhe ohne Schlüssel. Sie war einfach wieder Cecilia

Und im Grunde wusste ich überhaupt nichts über Cecilia.



Barbie Devilish ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt