24 / cold, cold home

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Rückblickend erschienen die vergangenen Tage wie ein wundersamer Traum, aus dem es kein Erwachen gab. Cecilia und ich lümmelten faul auf meiner Couch herum, machten Spaziergänge am Strand oder wühlten uns an der Uferpromenade durch zahlreiche Souvenirstände für Touristen. Jede Faser meines Körpers brauchte sie, als habe ich ein Leben lang nur auf sie gewartet. 

Der zerbrechliche Frieden wahrte nicht ewig, das wusste ich und Cecilia wusste es auch. Heute sprach sie nur halb so viel wie sonst, denn am Nachmittag nach der Schule stand das Gespräch mit ihren Eltern an. ,,Soll ich mitkommen?", bot ich an, als sie ihr luxuriöses Auto gekonnt in die Einfahrt parkte und den Motor abstellte. 

Sie presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen und schüttelte den Kopf. Unergründliche grüne Augen fixierten mich, als sie den Kopf seitlich an das Leder ihres Sitzes anlehnte. ,,Was mache ich hier eigentlich, Leroy?"

,,Ich glaube fest daran, dass deine Eltern dich vermissen", versuchte ich ihr gut zuzureden.

Stumm schüttelte Cecilia den Kopf und gab mir wie so oft zu verstehen, dass ich nur sehr wenig über ihre Eltern wusste. Sobald das Thema aufkam, blockte sie es schnell ab. Das respektierte ich, vertraute fest auf ihr Vertrauen, wenn sie sich bereit dafür fühlte. ,,Du und deine Mutter... ihr seid das, was ich unter einer Familie verstehe." Die Blondine beugte sich nach vorne und hauchte einen Kuss auf meine Wange. Dann stieg sie aus und überließ es mir, ihr zu folgen. Was ich tat.

Der Gedanke an Cecilias Eltern behagte mir nicht. Ein nervöses Flattern in meiner Magengegend begleitete mich bis zur imposanten Haustür. Das riesige Anwesen der Familie Colorado durfte ich schon bei der Party bestaunen, heute wirkte es fast einschüchternd. 

Eine hochgewachsene, gertenschlanke Frau öffnete uns die Tür. Die geglätteten blonden Haare endeten knapp über den Schultern, die von einer schneeweißen Bluse verdeckt wurden. Ihre gesamte Erscheinung vermittelte etwas zeitloses, denn ihre gestraffte Haut zeigte kaum Spuren des Alters. Ich hatte nicht die geringste Chance auf ihr tatsächliches Alter zu schließen, denn dort, wo sich bei meiner Mutter mit der Zeit freundliche Lachfältchen festsetzten, war sie makellos. ,,Cecilia. Wie schön, dass du uns auch wieder mit deiner Anwesenheit beehrst", sagte sie nüchtern.

Es war mehr als unangenehm, von ihren Blicken inspiziert zu werden. Im Fokus dieser Aufmerksamkeit kam ich mir vor, als sähe sie direkt in meine Seele hinein. ,,Schön Sie kennenzulernen, Mrs Colorado. Ich bin..." Ich schluckte das unerklärliche Gefühl hinunter und versuchte Cecilia zu helfen. 

,,Unerwünscht", fiel Cecilias Mutter mir ins Wort. ,,Ich möchte mit meiner Tochter alleine sprechen."

,,Er bleibt." Cecilia. ,,Andernfalls werden wir umdrehen und verschwinden. "

Mrs Colorados schürzte die Lippen und unterzog mich einem eisigen Blick. Ein Audruck, den Cecilia mindestens genauso überzeugend beherrschte. Langsam ahnte ich, woher sie den präzisen Killerblick kannte. ,,Ist er dein Drogendealer."

,,Sehe ich aus wie ein Drogendealer?" Angesichts der abschätzigen Art, mit der Cecilias Mutter meinen alltäglichen Kleidungsstil begutachtete, vermutete ich ein unausgesprochenes "ja" in der Luft. Besten Dank auch.

,,Er ist mein... Freund." 

Mit einem Mal fiel die gesamte Spannung von mir ab und wich einem euphorischen Glücksgefühl. Cecilia Colorado bezeichnete mich, Leroy, als ihren Freund. Ja, wir erlebten großartige Tage zusammen. Dennoch hatten wir dem Ganzen nie einen offiziellen Namen erteilt. 

...

Tja, eine Viertelstunde später schwand mein Hochgefühl wieder und versank im Erdboden. Cecilia und ich saßen nebeneinander am massiven Esstisch der Familie. Jedes einzelne Zimmer schien auf Hochglanz poliert und nur aufs minimalistische dekoriert. Die wenigen vorhandenen Möbel sahen umso teurer aus. Eines luxuriöser als das andere. Auf der Party war es noch mit Leben gefüllt, jetzt vermittelten die halbleeren, unpersönlichen Zimmer ein kahles, nicht heimisches Gefühl. 

Cecilias Vater, ein stämmiger Mann in Anzug und Krawatte, hatte meine Anwesenheit vollständig ignoriert. Auch Cecilia geriet mit der Zeit in Vergessenheit, stattdessen diskutierten die beiden Elternteile seit geschlagenen sieben Minuten bis aufs Äußerste miteinander. Einer uneinsichtiger als der andere. Und das schlimmste: Der Streit handelte von Cecilia. Es ging um die Drogen, ihre Flucht zu mir und unsere offensichtlich nicht geschätzte Beziehung.

Mit starrer Miene saß Cecilia erhaben neben mir und verfolgte das Geschehen. Sie sagte nichts, verzog nicht einmal das Gesicht und wirkte einmal mehr wie ein lebendig gewordener Eisklotz. Wie zwei Geschäftspartner stritten sich ihre Eltern darum, wie sie die Geschichte der Öffentlichkeit vorenthielten. Als CEO's einer riesigen Hotelkette, die ständig Interviews gaben, standen sie ständig vor laufender Kamera. Anscheinend sei Cecilias Abwesenheit bei dem ein oder anderen Event der letzten Tage nicht unbemerkt geblieben. Nicht einmal fiel die Frage, wie es ihr ging. 

Lange Zeit hielt ich meinen Mund. Ständig klebte mein Blick an der Wanduhr, beobachtete die schleichenden Zeiger und ballte meine Hände zu einer Faust zusammen. ,,Das reicht."

Ein Blick in Cecilias Richtung genügte, um zu sehen, wie sie stumm den Kopf schüttelte. Aber nein. Es reichte wirklich. Ihre Eltern waren verblendet und distanziert. ,,Anstatt euch zu fragen, wie ihr die Sache vertuscht, solltet ihr euch Gedanken darüber machen, warum Cecilia in erster Linie zu den Drogen gegriffen hat. Glaubt ihr das war Spaß?" Ich atmete tief durch, versuchte meine Stimme möglichst ruhig zu halten. ,,In den vergangenen Tagen habe ich Cecilia kennengelernt. Sie ist ein wunderbarer Mensch, davon bin ich mittlerweile überzeugt. Es ist traurig, dass ich scheinbar der einzige an diesem Tisch bin, der das sehen will."

,,Wie bitte?" Ein Ausdruck der Fassungslosigkeit schlich sich auf das Gesicht von Mrs Colorado. Genugtuend registrierte ich, dass meine Worte sie völlig aus der Bahn warfen. 

,,Ich habe ihr nicht geglaubt, als sie mir weismachen wollte, dass ihr sowieso nicht zuhört. Wie sehr man sich täuschen kann..." Ich wagte nicht, zu Cecilia zu sehen. Zuerst wollte ich alles sagen, was ich zu sagen hatte. Keiner fragte nach meiner Meinung, doch angesichts der Umstände konnte ich sie nicht länger zurückhalten. 

,,Du kennst meine Tochter so gut?", fragte ihre Mutter in einem Ton, der darauf abzielte, noch etwas hinzufügen zu wollen. Ich täuschte mich nicht. ,,Dann hat sie dir sicher von Lily erzählt. Wie sie gestorben ist?"

,,Mum... Nicht...", Cecilia stand auf, die Hände auf die Tischplatte gestützt. 

Ich schluckte schwer. Über Lily hatten wir lange nicht gesprochen. Ich wusste nur, dass sie Brees Schwester gewesen war und Bree Cecilia für ihren Tod verantwortlich machte. 

,,Das dachte ich mir." Cecilias Mutter triumphierte.

,,Ich weiß nicht alles, das stimmt. Aber ich weiß mit absoluter Sicherheit, dass Sie ihr Unrecht tun."

,,Leroy, hör auf", unterbrach Cecilia. Langsam griff sie nach meinen Händen. Eine zarte, fast flüchtige Bewegung. ,,Ich habe dir so oft gesagt, dass du nicht versuchen sollst, mich zu retten. Lass es, ich bitte dich." Sie trat einen Schritt zurück. Erst im Auto hatte sie mich noch mit einem sanften Lächeln angesehen, jetzt blieb davon nichts übrig. ,,Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Ich hätte das von Anfang an alleine klären sollen. Es tut mir Leid."

Am Ende war ihre Stimme nichts als ein Flüstern, trotzdem mühelos verständlich. Sie tat es wieder. Und ich akzeptierte es. Wieder. Als wüsste ich, dass ein Teil von Cecilia sich mir nie öffnete. 

Barbie Devilish ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt