,,Was, wenn alles einen Sinn hatte?", schwelgte ich am letzten Tag vor den Ferien in Erinnerungen. Vincent und ich saßen nebeneinander auf seiner Motorhaube und tranken ein Bier.
,,Was? Cecilia und du?", hakte mein bester Freund nach und seine Augen wanderten zu dem dritten Bier, das er aus der Kiste geholt hatte. Bree lag immer noch im Koma und es stand in den Sternen, ob sie je wieder aufwachte. Vielleicht heute, vielleicht morgen, vielleicht nie.
Ich antwortete mit einem Nicken, prostete der verschlossenen Flasche zu und nahm einen Schluck des eiskalten Biers.
Vincent überlegte. ,,Welchen denn? Barbie Devilish ist unausstehlicher denn je. Gestern hat sie Paola dazu gezwungen, nach dem Sport ihre Sportsachen anzupassen. Cecilia hat es nicht gefallen, dass das Kleid von Paola hübscher aussah. Und sie nennt dich wieder Levin, als seist du ein Fremder."
Ein Fremder. Vincent sagte nichts Falsches. Cecilia ignorierte mich demonstrativ und wenn wir gezwungenermaßen miteinander sprechen mussten, hieß ich nur noch Levin - genauso leugnete sie unsere Beziehung. Sie behauptete, dass niemals etwas zwischen uns war, doch ihre Augen logen. In ihnen funkelte die Wahrheit, die Liebe, das Vertrauen. Es war alles und nichts zwischen uns passiert.
,,Sie hat nur Angst. Ich kenne ihre dunkelsten Geheimnisse. Sie fürchtet sich davor, verletzlich zu sein. Deshalb vertraut sie keinem."
,,Dir hat sie vertraut. Ich weiß nicht wie oder warum, aber in deiner Nähe war sie... anders."
Brees Unfall hatte etwas in ihr zerstört. Ihre Schuldgefühle hatten Cecilias zerbrechliche Psyche eingehämmert und ihre Schutzschilde hochgefahren. So wie damals.
,,Es ist vorbei. Diesmal komme ich nicht mehr an sie ran", sagte ich bitter. Ich trauerte um meine zerbrochene Beziehung, um die Zukunft, die wir hätten haben können. Aber am meisten trauerte ich um das Mädchen, das Cecilia Colorado hätte sein können.
,,Vielleicht ist es besser so", sagte Vincent und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. ,,Kopf hoch, Kumpel. Wir sind beide auf sie reingefallen. Wenigstens hat sie mir die Augen geöffnet. Seit ich Männer date läuft mein Leben viel besser."
Ich verdrehte die Augen. ,,Als ob die weniger kompliziert wären."
,,Weniger kompliziert als Cecilia sind sie allemal."
Wir lachten beide, leerten das Bier und beobachteten die Autos, die nach und nach vom Parkplatz rollten. Automatisch wanderte mein Blick auf den Platz, wo Cecilias Nobelschlitten immer geparkt hatte. An meinem allerersten Schultag hatte sie Vincents Wagen mit ihrem Schlüssel zerkratzt. Heute stand der Parkplatz leer. Cecilia wurde schon die ganze Woche von einem Fahrer abgeholt. Ich glaubte nicht, dass sie sich so schnell wieder in ein Auto setzte.
,,Hey Vince, ich bin froh, dass wir immer noch einander haben. Mehr brauche ich nicht, um glücklich zu sein. Beziehungen kommen und gehen, aber Freunde hat man ein Leben lang."
,,Bro, wie viel Bier hast du schon getrunken, um so sentimental zu sein?" Er grinste breit. ,,Pass bloß auf, sonst denke ich noch, dass du mit mir flirtest."
,,Ich bin nicht sentimental", sagte ich beleidigt.
,,Hey, ist doch nichts schlimmes. Du bist und bleibst mein bester Freund."
Unsere kleine Unterhaltung wurde von hochhackigen Schuhen unterbrochen, die über das Asphalt hallten. Sie trug eine Handtasche, in die kaum ein einziges Schulbuch passte. Cecilia verdeckte ihre Augen wieder mal hinter einer Sonnenbrille. Rock und Top passten perfekt aufeinander - und der Rock war noch dazu sehr kurz. Ich starrte auf ihre langen Beine.
Cecilia hatte nicht mehr als einen kurzen Seitenblick für mich übrig
Abgesehen von den Überresten der Platzwunde auf ihrer Stirn, sah sie makellos aus. Die ganze Woche akzeptierte ich ihr ignorantes Verhalten, doch heute hatte ich endgültig genug.Ich rutschte von Vincents Motorhaube und versperrte ihr den Weg. Genervt schnalzte sie mit der Zunge. ,,Geh mir aus dem Weg, Levin", fauchte sie unfreundlich.
,,Bist du wütend auf mich? Auch wenn wir nicht mehr zusammen sind, können wir uns wie Erwachsene Menschen verhalten und miteinander sprechen."
,,Ich habe dir nichts mehr zu sagen."
,,Was habe ich dir getan?"
,,Mach es nicht schwieriger, als es ohnehin schon ist."
Nach der Umarmung im Krankenhaus war sie auf Distanz gegangen. Dass ich ihre Tränen gesehen hatte, war zu viel für sie. Es brachte das Fass zum überlaufen. Auf skurrile Art und Weise verstand ich sie. Wenn ich weitererzählte, dass sie geweint hatte, wäre sie zerstört. Die Person, das Bild, das sie jahrelang erschaffen hatte, würde nicht mehr länger existieren. Weil Cecilia Colorado niemals weinte. Ihr war es lieber, wenn jeder die kaltherzige Blondine sah, die ihren Unfall und die Sache mit Bree kommentarlos hinnahm und erfolgreich verarbeitete.
Ich raffte meinen Mut zusammen. ,,Aber ich habe dir etwas zu sagen, CC. Geh tief in dich hinein und stell dir vor, du würdest an Brees Stelle im Koma liegen. Stell es dir einfach nur vor, okay? Und jetzt öffne die Augen und sieh dich um. Du liegst in einem Krankenhaus, wenn du aufwachst. Sag mir, wer bei dir ist. Sag mir, wie viele Menschen um dein Bett herum stehen, die ernsthaft um dich besorgt waren."
Cecilias Hand ballte sich zu einer Faust. Sie war verärgert. Doch dann sah sie mir in die Augen und ich versank in ihnen, wie beim ersten Mal. ,,Du", sagte sie schlicht und einen kurzen Augenblick lang, schimmerte die echte Cecilia hinter der Fassade von Barbie Devilish hervor. Die, in die ich mich verliebte. ,,Weil du einfach nicht loslassen kannst, Leroy. Das ist deine größte Schwäche."
,,Liebe ist keine Schwäche. Und ja, du hast Recht. Ich würde an deinem Bett sitzen und warten, bis du aufwachst. Ich würde dir jeden Abend eine Geschichte vorlesen, deine Hand halten und die Sekunden zählen. Ja, vielleicht kann ich dich nicht loslassen. Vielleicht sind wir nicht füreinander bestimmt, aber du bist mir wichtig und ich werde dich nicht im Stich lassen- komme was wolle. Ich werde immer für dich da sein, wenn du mich brauchst."
Cecilia lehnte sich vor und küsste mich auf die Wange. Ihre Lippen waren zart und federleicht. ,,Du willst dir ein Leben lang Sorgen um mich machen? Tu dir selbst einen Gefallen, Liebster. Lass los. Lass endlich los", hauchte sie.
Es war bittersüß, als sie sich umdrehte und ihrem Fahrer rief, der bereits auf dem Parkplatz wartete. Vincent war neben mich getreten.
,,Sie ist irgendwie creepy", meinte er und zupfte am Etikett der Bierflasche herum.
,,Sie sagt, ich soll sie loslassen. Das sei besser für mich", fasste ich Cecilias Worte tonlos zusammen. Daran war im Grunde nichts auszusetzen. Sie zu lieben war ungesund. Es tat mir nicht gut. Cecilia sorgte sich genug um mich, um mir ein solches Leben ersparen zu wollen. Du willst dir ein Leben lang Sorgen um mich machen?"
,,Und wieso tust du es dann nicht?", fragte Vincent ernst.
,,Weil ich sie liebe."
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Barbie Devilish ✔
Teen Fiction,,𝘴𝘩𝘦'𝘴 𝘴𝘸𝘦𝘦𝘵, 𝘣𝘶𝘵 𝘢 𝘭𝘪𝘵𝘵𝘭𝘦 𝘣𝘪𝘵 𝘰𝘧 𝘢 𝘱𝘴𝘺𝘤𝘩𝘰" Cecilia Colorado ist in der Schule nur als "Barbie Devilish" bekannt. Stolz trägt sie diesen Titel wie eine eiskalte Krone und ist die selbsternannte Königin der Schule. Mit...