Vorwort

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Ein schwarzer Tag

Alles begann mit ihrer Tante. Ihr Name war Helen Stanford. Einst sagte sie zu ihr: "Der Kunde ist König, Sam! Seine Bewertung bestimmt das Bild, was man von uns hat...ein Bild auf unser Hotel, auf unsere Familie. Seine Stimme gibt uns Veränderung, Beliebtheit und einen Namen, die Weiterempfehlung durch das Wohlfühlen und durch sein Vertrauen."

Ihre Tante Helen: Sie war ihre Mentorin, ihre Lehrerin, ihre Seelenverwandte, ihre beste Freundin, ihre ältere Schwester, ihre Ausbilderin. Sie lehrte Sam Tag für Tag, was das Leben in Zukunft für sie bereit halten würde. Sie lehrte Sam, was es heißt zu leben. Und nun war sie fort, gegangen...für immer...Und sie wird ihre Tante Helen nie wieder sehen.

In einem schwarzen Anzug gekleidet, ihre langen, leicht gewellten, rot - bräunlichen Haare, die ihr fast bis zum Hosengürtel reichten, trug sie heute offen. Es war ein schwarzer Tag für Familie Stanford, die seit Jahren ein Hotel in Chicago erfolgreich betrieben.

Sam, die junge Tochter des Hauses im zarten Alter von Dreißig Jahren, stand am Grab ihrer Tante Helen...allein. Alle Trauergäste waren schon gegangen, hatten den Friedhof verlassen. Nur sie stand noch bei ihr, mit ruhendem, trauerndem Blick...Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt und starrten auf den Sarg tief in dem geschaufeltem Erdloch, auf dem die vielen weißen Lilien geworfen worden waren. Sie wollte ihre Tante noch nicht gehen und sie hier allein zurücklassen an diesem dunklen Ort. Also blieb Sam noch bei ihr und leistete ihr noch ein wenig Gesellschaft.

Ihre Eltern warteten bereits auf sie an der schwarzen Limousine auf dem Kiesweg neben der Kirche. Es regnete heute an diesem schwarzen Tag, an dem sich alle von Tante Helen verabschiedeten. Heißt es denn nicht: Wenn es regnet, dann wollte man nicht sterben? Oder so ähnlich. Eine männliche Stimme erhob sich hinter ihrem Rücken, über ihre linke Schulter und unterbrach sie in ihrer Trauer. "Wir sollten jetzt gehen, kleine Sam!...Wir sollten ins Trockene kommen!...Es wird Zeit!...Lass sie gehen, Sam!" Es war ihr Vater, der zu ihr sprach. Er klang besorgt. Er rief sie ein paar Mal zu sich, doch in ihrer Trauer hatte sie es nicht vernommen. Tante Helen war für Sam all die Jahre der Mittelpunkt ihres ganzen Lebens gewesen und brachte ihr alles bei, lehrte sie und bereitete sie auf ihre Zukunft vor, was das Hotel betraf.

Sam reagierte endlich und ihre Stimme bebte, als sie antwortete: "Ich...brauche noch einen Moment, Vater!" Sie zitterte, ihr war wohl kalt geworden. Der Regen tat sein Übriges. Er war eigentlich nicht kalt, sondern lauwarm, als würde ihre Tante sie umarmen wollen, ihr damit zeigen wollen, dass sie immer noch bei ihr war.

Die Erbin  - Stanford - HotelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt