VIER.

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Yasmin verließ den Raum nach dem Gespräch mit Yavuz und ging ins Wohnzimmer. Ihr Herz war schwer, ihre Gedanken ein Chaos. Sie musste raus, weg von all den Gefühlen, die sie in diesem Moment erdrückten. "Ich geh' ein bisschen spazieren. Souf, kommst du mit?" fragte sie und griff nach ihrer Jacke.

Soufian, der auf der Couch saß, sah, wie traurig seine Cousine aussah. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stand er auf und folgte ihr. Sie liefen eine Weile schweigend nebeneinander her, bis sie eine kleine Parkbank entdeckten. Yasmin setzte sich darauf und starrte in die Ferne. Schließlich brach sie das Schweigen: "Es gibt niemanden mehr, dem man die Schuld geben kann, außer mir. Ich bin selbst schuld an allem, Souf."

Er setzte sich neben sie und schaute sie ernst an. "Yas, du verletzt mich langsam", sagte er mit leiser Stimme, in der sich Tränen abzeichneten. Yasmin schaute ihn geschockt an. Noch nie hatte sie ihren Cousin so emotional gesehen. Soufian war immer der Fels in der Brandung gewesen – stark, unerschütterlich.

"Ich weiß nicht, was mit dir in letzter Zeit los ist", fuhr er fort, "aber es tut mir weh, dich so zu sehen. Ich habe mir mein ganzes Leben lang geschworen, dich zu beschützen, immer für dich da zu sein. Aber ich habe das Gefühl, dass ich das nicht schaffe. Dass ich dich verliere."

Yasmin schluckte hart. Soufian war immer für sie da gewesen. Er war derjenige, der sie aufgefangen hatte, als sie gefallen war. Doch in letzter Zeit hatte sie sich von allen zurückgezogen, sich in ihren eigenen Schmerz verkrochen. "Souf, es ist nicht deine Schuld", sagte sie leise, ihre Stimme brach fast. "Du hast mich immer beschützt. Du kannst aber nicht für alles verantwortlich sein. Es gibt Dinge, die ich alleine bewältigen muss."

Soufian schüttelte den Kopf. "Das ist nicht wahr, Yas. Ohne dich wäre mein Leben leer. Ich habe dich immer geliebt wie eine Schwester, und der Gedanke, dass du leidest, ohne dass ich etwas tun kann, zerreißt mich."

Yasmin legte eine Hand auf seinen Arm und sah ihn ernst an. "Ich bin dir so dankbar, Souf. Ohne dich und Kidd wäre ich nicht mehr hier. Wortwörtlich." Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber die Bedeutung ihrer Worte war klar.

Soufian schnappte nach Luft. "Sag das nie wieder", flüsterte er und zog sie in eine feste Umarmung. "Du darfst mich nie verlassen, Yas. Du musst mich überleben. Nicht umgekehrt, hast du das verstanden?" Seine Stimme zitterte, und für einen Moment konnte Yasmin den Schmerz in seinen Augen sehen. Sie hatte nie geahnt, dass er solche Ängste in sich trug. Dass der Gedanke, sie zu verlieren, eine solche Last für ihn war.

Yasmin erwiderte die Umarmung und schloss für einen Moment die Augen. Sie wusste, dass sie in den letzten Monaten alle um sich herum verletzt hatte, besonders Soufian. "Es tut mir leid", flüsterte sie gegen seine Schulter, und zum ersten Mal seit langem fühlte sie eine Art von Frieden.

Sie saßen eine Weile so da, eng umschlungen, während die Geräusche der Stadt um sie herum zu einem leisen Summen verblassten. Yasmin dachte über die letzten Monate nach, über die Kämpfe, die sie mit sich selbst geführt hatte. Sie wusste, dass sie sich ändern musste, nicht nur für sich, sondern auch für die Menschen, die sie liebten.

Nach einer Weile löste sich Soufian aus der Umarmung und sah ihr in die Augen. "Was jetzt, Yas? Was wirst du tun?"

Yasmin atmete tief durch und blickte in den Abendhimmel, der sich langsam mit Sternen füllte. "Ich weiß es noch nicht genau", sagte sie ehrlich und stand auf.

Sie gingen langsam zurück zur Wohnung, und obwohl Yasmin noch viel zu klären hatte, spürte sie zum ersten Mal seit Langem einen Funken Hoffnung. Die Dunkelheit, die sie umhüllt hatte, schien sich langsam zu lichten. Sie wusste, dass der Weg vor ihr nicht einfach sein würde, aber sie war bereit, ihn zu gehen – mit ihrer Familie an ihrer Seite.

𝐁𝐀𝐈𝐋𝐄, amoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt