Nerv' nich' || #Wattys2015

Kapitel 3

Und da liegt sie, nach einem erschrockenen Luftzug der Beteiligten, wie ein Lappen auf dem nassen Asphalt.

"So sieht Leo auch aus, wenn man ihm ein Bein stellt.", murmelt der Typ mit der Beanie, während Mila wieder außerordentlich auflacht. Es ähnelt einem Huhn, das vor irgendetwas wegrennt und dabei ein Ei schießen lässt.

"Bill, schlag Marcel mal für mich.", entgegnet die Kleinste und streicht zum gefühlten tausendsten Mal über ihr dunkles Haar.

Ja. Wer war dieser Marcel noch gleich? Der Schwarze, richtig? Nein, der Schwule.

"Du hast's mit den Namen noch nicht ganz, oder?", fragt Mila und stellt sich zu mir.

"Also nochmal. Das ist Marcel." -Der Barfüßige mit der Beanie. Ah.

"Das Leo." -Der Schwule, mit dem Drang danach unschuldige Menschen gleich auf den Allerwertesten zu attackieren.

"Amanda." -Die Asiatin mit der Macke ihre Finger ständig knacksen zu lassen.

"Und Alex." -Der Schwarze mit den gelben Klamotten.

Ich blicke noch einmal in die Runde und versuche mir die Namen zu merken.

Prinzipiell ist keiner von ihnen schlecht oder nervtötend. Außer Marcel. Aber bisher kam ich mit allen Leuten zurecht, also wird sich das Verhältnis auch zu ihm noch legen müssen.

"Erzähl mal ein bisschen was. Du bist verdammt still.", erwidert Leo. Er legt sich eine Zigarette zwischen die Lippen und streckt mir die Schachtel entgegen. Ich zucke mit den Schultern und lege die Hände in die Stoffjacke.

"Ich weiß nicht ob das was bringt. Bin wahrscheinlich in Kürze sowieso wieder weg.", murmle ich und schaue zu Mila.

"Warum das? Bist du nur vorübergehend hier?", fragt wieder Leo und ich nehme einen tiefen Zug.

Verdammt, tut das gut.

"Ich denk' schon. Ich bleibe nirgends lange da."

"Warum?", hinterfragt Alex und alle Augenpaare richten sich auf mich. Die Aufmerksamkeit war schon geil. Da hab ich wirklich nichts auszusetzen.

"Ich schlag' gerne Mal zu.", schmunzle ich und versuche es mit einem Huster zu vertuschen.

"Aber deine Tattoos sind echt knorke.", wechselt Amanda das Thema und schaut mir auf die Brust.

"Ich mag das auf der Hand.", erwähnt Mila und ich ziehe es aus der Tasche. Sie betrachtet es und grinst dann. "Echt geil. Hast du noch mehr?"

"Ja.", antworte ich und stecke die Hand wieder zurück. Die Musik ist langweilig und veraltet und auch die Gäste hier sind ziemlich hässlich. War zu erwarten.

"Wie alt bist du eigentlich?", fragt Amanda dann und knistert mit den Fingern.

Macht die immer so einen Dreck mit ihren Knochen? Ist ja widerlich.

"Achtzehn."

"Du lügst doch.", kommt es von Leo. "Ich bin doch nicht älter als du. Du siehst aus wie über zwanzig."

Ich schüttle nur mit dem Kopf und schaue mich ein wenig weiter um. 

Warum bin ich überhaupt auf das Dorffest mitgegangen?

Ich sehe einen Mann betrunken auf uns zutorkeln. Und ihm nächsten Moment hängt er an Amanda fest.

"Sag mal, hast du 'nen Schaden?", brüllt sie den Unbekannten an und ohrfeigt ihn. Dieser hebt schützend die Hände vor sein Gesicht und flackert mit verzogenem Gesicht verängstigt mit den Augenlidern.

"Behalt deine Hände bei dir, sonst liegst du gleich auf dem Boden, du Wichser!"

Leo reagiert und stellt sich zwischen die beiden.

"Verpiss' dich.", sagt er kühl und der Mann macht sich aus dem Staub. Sowas hatte er wohl nicht erwartet. -Ich um ehrlich zu sein auch nicht.

"Und wehe ich seh' dich nochmal, sonst stech' ich dich ab, Mann!", ruft Amanda ihm hinterher und Leo greift nach ihren Handgelenken.

"Komm runter.", spricht er klar und scharf. Er ignoriert die Blicke der ganzen Pensionäre und schaut ihr besonnen in die Augen. Sie atmet schwer, aber kommt langsam wieder runter.

Heiliger Mist.

Ein junges Mädchen kommt angerannt und legt ihre Hand auf Amandas Schulter. Sie murmeln irgendwas bis Amanda tief durchatmet und wieder runterkommt.

"Sorry.", lächelt Amanda dann, als sie meinen perplexen Gesichtsausdruck erkennt und streicht sich erneut über die Haare. Meine Mundwinkel zügeln kurz unsicher nach oben. Ich werde mich wohl von ihr fernhalten müssen.

Das vorhin angerannte Mädchen umarmt Leo und gibt ihn einen Kuss auf die Wange. Dieser aber begrüßt sie mit einem zusätzlichen Klatscher auf den Po.

Sehr nett.

"Alles klar bei euch?", fragt sie dann in die Runde und alle antworten synchron positiv. Sie lächelt und bleibt an mir hängen.

"Das ist Bill.", informiert Mila sie. Unnachgiebig kommt sie auf mich zu und reicht mir die Hand.

"Hallo. Ich bin Caro."

Sie schließt ihre Hand fest um meine und schüttelt sie selbstsicher. Schon wieder jemand neues. Bis morgen würde ich die Namen sowieso wieder vergessen.

"Bist du alleine hier?", fragt Marcel sie und sie nickt.

"Aber hey, ich hab was für euch besorgt.", sagt sie und kramt in ihrer Tasche herum. Sie holt eine Flasche Vodka raus und reicht Marcel Whiskey hinterher.

"Du bist echt hart.", feixt Alex.

"Es schmeckt. Also warum nicht?"

Mila ruft sie zu sich und nimmt sich ein Bier aus Caros Tasche. Sie unterhält sich mit ihr und auch die anderen kommen partnerweise in ein Gespräch. Mittlerweile wird es dunkler und kühler. Der kalte Wind geht mir richtig auf die Eier.

Ob Mom schon wartet? Eh nicht.

"Bill, richtig?", unterbricht mich Caro und ich nicke nach einigen Augenblicken.

"Hier ein Bier.", lächelt sie und holt eine Flasche raus. "Ich mix dir später noch was geiles."

"Oha, Leute. Habt ihr das gehört?", ruft Alex dann total entgeistert. Alle Achtung geht an ihn und seine Augen sind weit aufgerissen.

"Caro will Bill einen wichsen bis er geil ist!"

Leo prustet los, steckt die anderen damit an und Caro legt beschämt die Fingerspitzen auf die Stirn.

Ich fühle mich verarscht.

"Alex, du bist so ein Vollidiot.", schnaubt sie lachend und schüttelt mit dem Kopf.

"Das hat die wirklich gesagt.", versucht Alex die anderen zu überzeugen und Mila legt die Hände um den Bauch.

"Sie hat gesagt, dass sie ihm was geiles mixt, du Spinner.", feixt sie und der Rest lacht noch lauter.

Naja, irgendwie entfährt auch mir ein Grinsen.

So übel ist's nicht.