Ich versuche mich aufzurappeln und streiche meine Haare zurück. Leo macht mir das Ganze nicht viel einfacher und wankt neben mir her. Dank seiner Hände, die ununterbrochen an mir hängen, verliere auch ich ab und an das Gleichgewicht.
Caro fängt an mit dem neuen Spinner zu reden und ich humple zu ihnen. Irgendwie scheint mir die Strecke dann aber doch zu lang, und lege ich mich sofort wieder auf den kühlen Boden zurück.
Irgendwann richtet sich der Finger des Idioten auf mich, glaube ich. Keine Ahnung, ich sehe es nicht. Er ist zu weit weg.
Später nickt er nochmal in meine Richtung.
Also wenn es dort nun tatsächlich um mich geht, dann könnte man auch ruhig einiges an Stimmvolumen ausbreiten, oder? Was für Arschlöcher.
Ich versuche mich fortzubewegen, aber meine Muskeln geben nach und ich lasse es. Warum muss dieser Weg auch nur so weit sein? Und dieser bescheuerte Luftdruck, der sonst doch auch nie so schwer ist, haut mir ständig auf die Wirbelsäule.
Bei der Vorstellung später nach Hause laufen zu müssen wird mir schwindelig. Wo wohne ich eigentlich?
Das einzige was ich raushöre ist mein Name, weiteres bleibt mir erspart. Meine Nase presst gegen den kalten Beton und meine Augen gehen zu. Gott, bin ich müde.
Nachdem ich etliches Schwarz und eine tiefe Nacht überstanden habe, finde ich mich auf dem Tisch irgendeines Raumes wieder.
War ich nicht vorhin noch in der Garage?
Meine Wange ist vor meinem ganzen Speichel aufgeweicht und um mich herum ist weit und breit niemand anwesend.
Es riecht nach gebratenen Mandeln und ich erkenne die Schüssel vor mir auf dem Tisch. Zuerst wische ich die von mir gemachte Pfütze mit dem Ärmel weg und greife dann großzügig in die Schüssel.
Geil.
Der Raum ist sehr kantig und in schlichten Farben gehalten. Bin ich zu Hause? Quatsch, woher sollte meine Mutter solches Zeug herbekommen? Unser Geld reicht gerade mal für billige Holzplatten.
Neben mir regt sich etwas und ich schrecke zusammen.
"Behindert?", schießt es aus mir heraus. Es ist Leo. Sein Bauch liegt flach auf dem Sitz des Stuhles und er versucht sich aufzurappeln.
"Junge, mein Schädel." Er fasst sich an die Stirn und steht auf. Sein Dutt ist vollkommen am Arsch und seine Hose ist ihm bis zu den Kniekehlen runtergerutscht. Seine weiße Unterhose strahlt unter seinem langen grauen Shirt hervor.
Er greift auch nach den Mandeln und setzt sich dann aufrecht neben mich. "Was machst du hier?"
"Ist ja nicht so, dass ich auch gekokst hab.", murmle ich. Ich meine, woher soll ich das denn wissen? Bin ich Gott?
Niemand spricht mehr und man hört nur das Kauen. Die Mandeln sind echt gut. Fast so wie die, die Mum früher immer gekauft hat. Apropos Mum. -Die hat mich wohl vergessen.
Das Schloss der Tür beginnt zu knacken und ich spanne meine Muskeln an.
"Chill. Ist nur meiner Mum." Und wieder stopft er sich eine halbe Hand Mandeln in den Mund und macht keine Anstalten seine Hose hochzuziehen. Nachdem man sie ihre Tasche abstellen hört und ihre Schuhe dann auf den Fliesen stöckeln, tritt sie auch schon in das Wohnzimmer.
"Hi, Mum."
"Hallo." Sie sieht erschöpft aus und zieht ihr Jackett von den Schultern. Ihr rot gefärbtes Haar splisst an den Spitzen und ihr weißes Hemd sieht ungebügelt aus. So schnell sie da war, verschwindet sie auch wieder in eines der Räume. Es scheint wohl niemanden zu stören, dass ich hier bin.
"Hast du Whatsapp?", fragt Leo.
Ich kräusle meine Augenbrauen und lege die letzte Mandel in den Mund. "Was für'n Scheiß?"
"Whatsapp.", wiederholt er.
"Ist das 'ne Droge?"
Augenblicklich fällt sein Kopf in den Nacken und er lacht mich aus. Und zwar wirklich. Eiskalt und direkt. Ich senke meinen Blick und weiß nicht ob mir das peinlich oder am Arsch vorbei gehen soll.
"Das ist 'ne App.", lässt er sein Lachen ausklingen und schaut mich herzhaft an. Immer noch leuchtet mir nichts ein. Was will der Junge von mir?
"Alter, du hast echt keine Ahnung?"
Ich schüttle mit dem Kopf. Sein Mund öffnet sich gerade, als ihn aber seine Mutter unterbricht.
"Wessen Handy liegt in der Kloschüssel?"
Augenblicklich greifen Leo und ich synchron nach den Jacken- und Hosentaschen. Leo stößt einen erleichterten Seufzer aus.
Ich. -Bin am Arsch.
Ich laufe in die Richtung, aus der die Stimme Leos Mutter gekommen war und beuge mich dann vor die Kloschüssel. Mein Nokia ertrinkt in der spülenden Toilette und mir dreht der Magen, als ich feststelle, dass Leos Mutter soeben darauf gepisst und anschließend gespült hat und ich nicht weiß, wer davor sonst noch die Schüssel betätigt hat.
"Okay, dass mit Whatsapp wär dann wohl geklärt."
Mit welchem Mist auch immer Leo mir da gerade auf die Senkel geht, weiß ich, dass meine Mutter in Hysterie ersticken wird, wenn sie davon erfährt.
Ich trappe aus dem Bad und fasse mir an die Haare. "Ich glaube, ich muss Heim."
"Klar. Hau rein, Bro."
Gleich während den ersten paar Schritten, leuchtet mir ein, dass ich gar keinen Schimmer habe, wo mein verdrecktes Heim liegt.
"Übrigens hast du dem Schulze gestern keinen guten Eindruck vermittelt."
"Dem was?"
Oh, Leo. Red' Klartext. Ohne Scheiß.
"Dem Schulze. Der, der gestern Caro abgeholt hat."
Ich versuche ihm zu Liebe tatsächlich zurückzudenken, bis mein Hinterkopf gewaltig anfängt zu ziehen.
"Keine Ahnung wer das ist."
"Tom Schulze. Bart. Dutt. Groß.", versucht er es weiter.
"Leo, ich hab keine Ahnung. Ich-"
"Tom Schulze, Mann!"
"Ist doch auch egal!", werfe ich ein und mir entfährt ein genervtes Keuchen. "Warum ist der jetzt so wichtig?"
"Weil er dich hasst.", antwortet er und schaut mich erwartungsvoll an.
Wow.
Soll ich jetzt heulen oder wie?
Soll ich schreien? Lachen?
Kacken?
Was zur Hölle, soll mir das bedeuten?
"Leo, ehrlich. Wenn du wüsstest, wie viele Leute mich hassen.", murmle ich und gehe die Treppen runter, womit ich vermute den Ausgang zu finden. Ich liege richtig und reiße schließlich die Tür auf. Meine Kippen sind weg und so bleibt mir nichts anderes übrig als durchzuhalten und den bescheuerten Weg nach Hause zu finden.
Ich stecke meine Hände wie gewohnt zurück in die Jackentaschen und laufe geradewegs ins Irgendwo.
Irgendwo im Kaff der zum Kotzenden.
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Nerv' nich' || #Wattys2015
HumorAndere würden mit Respekt handeln. Andere würden freundlich lächeln und nicken. Andere würden. Andere würden. Andere würden. Weißt du denn, was die Anderen wirklich tun würden? Na also. Nerv' nich'.