Neun, Clara

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Liebes Tagebuch! Ja, ich glaube auch, dass ich verrückt geworden bin, aber was tut man nicht alles ... Brooke und ich haben den Tag zusammen verbracht und uns abgelenkt. Besser gesagt, sie hat mich davon abgehalten in den Fluss zu springen. Und jetzt wo sie gegangen ist, soll ich Tagebuch schreiben. Ich bin ehrlich, ich könnte mir das Leben leichter Vorstellen. Brooke hat gesagt ich soll dich wie einen Freund behandeln und du, als Freund, würdest dich jetzt wahrscheinlich fragen, was passiert ist.

Ich war ganz Normal in der Schule und da habe ich dann Mary gesehen. Nur damit du es weiß, liebes Tagebuch, wir mögen Mary nicht. Und ich kann dir gleich auch genau sagen wieso nicht.

Sie stand da, auf jedenfall einfach so und hat auf ihr Handy gestarrt. Aber irgendwas war anderes. Sie hat so erschreckt geschaut und ihr Mund war leicht geöffnet. Und da, hat mich die Erinnerung gepackt. 

Ich hatte mal eine Schwester. Ihr Name war Elisabeth und sie war zwei Jahre älter als ich. Eigentlich sollte sie der kleine Internet Star werden. Ich war gar nicht geplant. Eine Affäre meiner Mutter. Mein Stiefvater und sie sind trotzdem zusammen geblieben. Er war reich, sie brauchte das Geld und eigentlich waren wir ihm scheißegal. Zumindest meine Mutter und ich. Elisabeth hat er vergöttert wie einen Engel.

Als ich neun war und Elisabeth elf hatte ich die grandiose Idee nachts rodeln zu fahren. Ohne irgendjemanden Bescheid zu sagen sind wir losgezogen. Ich muss aber noch etwas dazusagen, es war nämlich nicht meine Idee sondern die von Mary. Wir waren damals sehr gut befreundet und ich fand es witzig.

Die erste Stunde war auch witzig, doch dann ist mir eingefallen was Mary gesagt hatte. Ich sollte ein Video von mir und Elisabeth aufnehmen. Wir haben also die Schlitten mit einem losen Schnürsenkel aneinander gebunden und ich habe die Kamera herausgeholt. Elisabeth hat sich schon auf den Schlitten gesetzt und ich sollte ihn festhalten, damit er nicht wegrutschte bevor sie darauf saß.

Was habe ich wohl getan, liebes Tagebuch? Richtig. Den Schlitten nicht festgehalten, da ich mit der Kamera beschäftigt war. Ich kann mich noch an ihren Schrei erinnern, als der Schlitten ohne Vorwarnung los fuhr und sie mit sich riss. Vielleicht hätte sie noch abspringen können, aber der andere Schlitten klemmte ihren Fuß in eine ungünstige Lage ein. Ihr Kopf schlug an einem Stein auf und sie hörte auf zu schreien. Da war einfach nichts mehr. Nur diese untragbare Stille!

Ich bin sofort zu ihr gerannt, doch auch ein kleines Kind weiß, wann es zu spät ist. Überall war Blut. So viel Blut! Und ihr Blick. Die Augen weit aufgerissen und der Mund leicht geöffnet, wie als würde sie um Hilfe schreien. Aber die Hilfe kam zu spät. Ich kam zu spät. Unsere Eltern kamen zu spät und auch der Krankenwagen, den ich mit ihrem Handy gerufen hatte, kam zu spät.

Und ich muss Mary die Schult dafür geben. Den wenn ich sie nur mir geben würde ...

LOST THINGS CAN BE FOUND, BUT WHAT ABOUT BROKEN THINGS...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt