Sechs

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Jisung war aus dem Häuschen. „Bei was will er dir helfen? Jemanden umzubringen?", fragte er ängstlich. Nun, das würde ich nur erfahren, wenn ich es tatsächlich in Erwägung zog dem Geist zu helfen. Bloß die Vorstellungen davon machte mir Angst, aber was wenn Jayuro wirklich nicht böse war und nur einen Weg fand endlich erlöst zu werden? Ich musste mit dem Feuer spielen, sollte ich ihn noch mal antreffen. Irgendwie wollte ich ihm helfen, das erzählte ich meinen Freunden allerdings nicht. Sie würden mich aufhalten wollen, weil sie von so vielen bösen Geister gehört hatten. Ich wollte nicht daran glauben, dass Jayuro böse war. Er hätte mich doch auch bei unseren ersten Begegnung töten können, hatte es allerdings nicht gemacht. Noch gestern machte es mir Angst so zu denken, doch wie soll ich weiterleben, wenn ich weiterhin Angst vor dem Geist hatte? Ich würde nicht zur Arbeit gehen können. Man würde mich feuern, wegen einem Geist.

Ich beschloss also, sollte ich Jayuro noch einmal in den nächsten zwei Wochen zu Gesicht bekommen, dann würde ich ihm meine Hilfe anbieten. Das hielt ich allerdings nicht für möglich. Es waren ja nur zwei Wochen. Danach würde ich wieder die Frühschicht übernehmen und würde nicht um Jayuros Zeit auf dem Jayurohighway fahren. Ich müsste den Geist nicht mehr sehen. Zwei Wochen waren aushaltbar. Doch der Geistermann entschied sich, dass ich seine Person der Begierde war.

Diese Nacht war der Nebel nicht anzutreffen und die Straße lag klar vor mir. So sah ich Jayuro auch deutlicher. Da der weiße Nebel fehlte, sah es nicht all zu gruselig aus, wie er auf der Straße stand. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, um weniger Angst zu haben. Jayuro schaffte es allerdings, dass ich meine Finger hart ins Lenkrad drückte und kalte Angst durch meinen Körper floss. Tief atmete ich durch, während ich mein Auto zum Stoppen brachte. Auch heute drang das gleiche melancholische Lied aus meinen Radio. Wollte Jayuro mir damit etwas mitteilen? Wollte er mir so zeigen, wie es ihm ging? Ich schloss die Autotür und trat zu ihm. Er sah wieder gruselig aus und ich konnte den Anblick kaum ertragen. Hätte ich doch nur eine Sonnenbrille, dann würde ich ihm die Aufsetzen können. So sah er einfach nur horrormäßig aus. Um mich nicht in seine leeren Augenhöhlen festzusetzen, schaute ich seinen restlichen Körper an. Der Geistermann steckte in eine Art weißes Gewand, welcher sein zarter Körper umhüllte. Die schwarzen Haare fielen ihm locker bis zu den Schulter. Würde man die Augen außer Acht lassen, war der Geist......hübsch. Ich versuchte Jayuro mit positiven Eigenschaften zu betiteln, damit ich weniger Angst vor ihm hatte. „Bitte hilf mir", wehte seine Stimme zu mir. Jetzt wo ich sie so nah hören könnte, konnte ich eine traurige Samtheit in ihr raushören. „Gut, ich werde dir helfen. Wirst du mich am Ende töten oder jemand anderes?"

„Nein."

Das würde jeder böse Geist sagen und am Ende das Leben aus einem ausrauben, doch bei Jayuro hörte es sich an, als würde er es wirklich so meinen. Man kann allerdings nie wissen. Noch in diesem Moment plante der Geistermann sicher wie er mich töten kann. Ich erschauderte. „Dann....dann steig ein....du willst doch sicher, dass ich dich mitnehmen?"

„Ja."

Alleine ein einziges Wort war so gefüllt mit Samtheit und Tiefe, dass es mich mitnahm, als würde er damit meine Brust erreichen und sie zum Summen bringen. Was auch immer dieser Geist alles konnte, er zog mich in einen gruseligen Bann. Sogar seine Schritte hallten auf den Boden, obwohl wir uns auf einem offenen Gelände befinden. Wie ein gefallener König trat er zu meinem Auto und öffnete die Beifahrertür. Verwirrt sah ich drein. Geister besaßen doch keine Materie und konnten durch Wände. Scheinbar war Jayuro anders. Und dann noch auf den Beifahrersitz. Gleich neben mir. Wie soll ich das nur aushalten?

Kaum nahm ich neben ihm Platz, spürte ich eisige Kälte im Inneren meines Autos. Dabei war die Temperatur bisher recht angenehmen. Ich musste sogar meine Lederjacke im Laufe der Fahrt ausziehen und sie auf die Rückbank werfen, weil mir etwas zu warm wurde. Jetzt wünschte ich mir meine Winterjacke. Das lag sicher an Jayuro, der ganz still und starr auf den Beifahrersitz saß und nach vorne sah, als würde er die Außenwelt betrachten, obwohl er dazu keine Augen mehr besaß und in nie endende Dunkelheit starrte. „Kannst du überhaupt etwas sehen?", fragte ich ihn leise.

„Nein, kann ich nicht."

Freedom road (Changjin FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt