Das Date mit Oliver war ein Desaster.
Er hatte mich mitgezogen noch ehe ich protestieren konnte und mich erst wieder losgelassen, als die Halle hinter uns lag und wir um die Ecke bogen.
Ich wusste sehr wohl, dass er uns ganz bewusst in diese Situation hineinmanövriert hatte und kaum war ich seinen Arm losgeworden, hatte ich ihn stammelnd zur Rede gestellt.
Aber Oliver hatte nur die Schultern hängen lassen und mich so betreten angeschaut, dass ich meinen Ärger hinuntergeschluckt und ihm stattdessen vorgeschlagen hatte, dass wir ins Teehaus am Ende der Strasse gehen könnten.
Mein Plan war gewesen, mich nach einer Tasse Earl Gray zu verabschieden und ihm dann nie wieder die Gelegenheit zu geben, meine Freizeit einzunehmen oder meine Entscheidungen so zu beeinflussen.
Aber Oliver war von meinem Vorschlag überhaupt nicht begeistert gewesen, sondern wollte ins Studentencafé, das zwar ein paar Gehminuten weiter weg lag, ihm aber mehr zusagte, weil es dort „nicht so öde" war, wie er meinte.
Ich hingegen musste nur daran denken, wie es zu dieser Stunde vor lärmender Leute wimmeln musste und dass nicht nur von unserer Schule Leute da waren, sondern auch von der Uni, die wahrscheinlich das einzige war, dass diese Stadt ausser ihren Grünanlagen und Denkmälern zu bieten hatte.
Also hatte ich vehement abgelehnt und so waren wir schliesslich in der Stadt gelandet. Ich war zuerst nur mitgegangen, weil ich ohnehin Richtung Stadtkern musste, aber unterwegs überwand Oliver seinen Frust langsam und anstatt darüber zu nörgeln, dass ich nicht mit in die Kaffeelounge wollte, hatte er mich mit einer langweiligen Geschichte über einen seiner Cousins unterhalten, der es doch tatsächlich wagte, in der Schule viele Freunde zu haben und eine Sportskanone zu sein.
„Das sind immer dieselben Typen sag ich dir und seine Mitschüler sind genau wie unsere auch. Denen geht es nur um sich selbst und wer der Coolste von allen ist", meinte er, aber vom Rest bekam ich kaum etwas mit, denn ich brauchte etwas länger, um meine Laune aus dem Keller zu holen.
Und kaum hatte ich sie die metaphorische Treppe hochgeschleppt, polterte sie auch schon wieder ins Untergeschoss, denn Oliver hatte sich augenscheinlich dazu entschieden, mir seine Hobbys nun praktisch näherzubringen.
Als wir eine halbe Stunde später die Strassen abklapperten und von einem Laden zum nächsten gingen, da wollte ich gar nicht mehr so tun, als könnte ich seinen ellenlangen Erklärungen zu neuen PS5-Spielen etwas abgewinnen.
Ich hatte angenommen, es könnte nicht schlimmer kommen, als ihm bei der minutiösen Beschreibung seiner Probleme mit Bauteilen und Leimsorten zuzuhören, aber das hier war wirklich die furchtbarste Art meinen Abend zu verbringen, die ich mir vorstellen konnte.
Bald schon taten mir die Füsse weh vom Herumstehen, während Oliver sich Lego-Sets anschaute und Miniaturfiguren für seine Tabletop-Spiele aussuchte, damit er in irgendwelchen Kellern mit anderen Leuten „Krieg führen" konnte.
Ich drückte mich bei der Tür herum und er schleppte eine Tasche nach der nächsten an, deponierte sie ganz selbstverständlich bei mir, so als müsste ich sein Zeug hüten, und verschwand wieder zwischen den Regalen.
Ich verlor langsam aber sicher mein ganzes Mitgefühl mit ihm und überlegte, ob ich abhauen sollte.
Es störte mich immer noch, wie mich in der Schule alle angeschaut hatten und das lag nicht an Olivers Unbeliebtheit, die mir peinlich gewesen wäre, sondern ganz und gar an seiner anmassenden Art, mit mir umzugehen.
Ich sass möglicherweise im selben Boot wie er, aber das hiess noch lange nicht, dass wir zusammenhalten mussten oder automatisch dieselbe Gesinnung hatten. Mir lag immer noch im Ohr, wie er unterwegs über alle hergezogen war, die komisch geguckt hatten.
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Hinter der Bühne (AT)
Teen FictionNia schweigt und das aus gutem Grund. Gehemmt durch ihr Stottern, behält die 15jährige Träumerin ihre Gedanken für sich und lebt in einer Welt aus Schulternzucken, Augenrollen und Kopfschütteln. Kopfschütteln vor allem über die sinnlosen Gespräche i...