Kapitel 7 - Fu Fu Fu

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Den Rest des Tages ignorierte ich Nia.

In der Pause setzte ich mich in den Gang. Die Kopfhörer in den Ohren, blendete ich alles um mich herum aus und versuchte dabei auch das Gefühl der Wut zu verdrängen, das sich tief in meinen Magen gegraben hatte, seine Krallen in meine Eingeweide schlug und dort unablässig mit der stoischen Gelassenheit rang, die ich sonst an den Tag legte.

Aber eigentlich war mir klar, dass ich den Kampf schon verloren hatte.

Ich hatte ihn an jenem Tag verloren, an dem Nia durch die Tür getreten war. Alle möglichen Theorien zu seinem Verhalten gingen mir durch den Kopf und ich konnte keiner davon entkommen; ich musste sie alle zu Ende denken.

Hatte der Eisbär eine besondere Bedeutung für ihn? War es ein Geschenk gewesen? Mir war aufgefallen, dass der Radiergummi kaum abgenutzt gewesen ... und war Nia immer noch böse, weil er glaubte, ich hätte ihn bei seinem Telefonat belauscht? Verhielt er sich deshalb so? Was hatte er zu verbergen gehabt? Hätte er auch einen anderen Schüler so angeschaut oder hatte er wirklich etwas gegen mich?

Die Überlegungen halfen mir natürlich kein Stück weiter, aber ich verlor mich dennoch darin. Ich hatte so viele Fragen und die grösste dabei war, ob meine Gelassenheit zurückkehren würde, wenn ich am Ende meine Antworten bekam. Ich bezweifelte es.

Ich lehnte mich gegen die Fensterscheibe und stellte mir vor, wie ich Nia am Ärmel packte und in den nächsten Gang zog ... aber weiter kam ich in meinen Überlegungen nicht, denn die Vorstellung alleine drehte mir schon den Magen um.

Ich legte die Hand auf meinen Bauch und schob die Bilder weg.

Nein, ich wollte Nia nicht in eine Ecke dieser Schule zerren. Ich wollte überhaupt nicht mit ihm reden. Oder mit ihm alleine sein.

Sonst musste ich am Ende noch gestehen, dass sein Verhalten mich getroffen hatte. Oder schlimmer noch; ich würde die Beherrschung verlieren und ihm die Meinung sagen.

Dann würde ich mich in aller Öffentlichkeit blamieren und den Spott der ganzen Schule auf mich ziehen. Nein, ich würde nichts dergleichen tun. Egal wie sehr die keine Stimme in meinem Kopf auch darauf drängte, dass ich zu Beethovens Fünfter auf ihn zu stapfte und ihm eine Ohrfeige verpasste, dass ihm Hören und Sehen verging.

Als Nia in den Gang trat, drehte ich mich weg.

Mein Blick glitt über die helle Rinde der Birke, die hier dicht an der Fassade wuchs. Ihre Zweige und die spärlichen Blätter zitterten leise im Wind und im verlassenen Innenhof hatten sich ein paar Spatzen auf den Steinbänken niedergelassen. Ich beobachtete wie sie herumflatterten.

Alles was hinter meinem Rücken geschah, konnte mir im wahrsten Sinne des Wortes gestohlen bleiben.

Ich schloss die Augen, als ein warmes Lachen erklang.

Es war ansteckend und ich kämpfte gegen den Drang an, mich nach Nia umzudrehen und herauszufinden, was ihn so amüsierte. Bestimmt hatte er sich gegen eine Wand gelehnt und trug dabei dieses typische Grinsen auf den Lippen, das jedes Geschöpf im Umkreis eines Quadratkilometers erröten liess. Ob er an seinem Armband herumzupfte und dabei den Kopf neigte, wie er das so oft tat, wenn er seinem Gegenüber das Wort überliess?

Ich erhöhte die Lautstärke meiner Musik und versank in einem Crescendo aus Violinen.

Bei mir würde der Typ garantiert nicht die erste Geige spielen. Und schon gar nicht die Rolle des Dirigenten meiner Gefühle. Nia war nichts weiter als ein Triangelspieler in der hintersten Reihe, der einen einzigen Ton zum Gesamtwerk beitragen musste und trotzdem seinen Einsatz verpasste.

Weil er am Flirten war.

Ich drückte meine Stirn gegen das von der Sonne aufgewärmte Fensterglas und unterdrückte den Drang davonzulaufen. Es war pure Sturheit, die mich an meinem Platz hielt. Aber als die Minuten verstrichen und ich schliesslich die Lautstärke wieder ein Stück nach unten regelte, da hörte ich sein Lachen erneut und presste die Lippen zusammen.

Hinter der Bühne (AT)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt