Casca stand hinter schützendem Schild auf der Mauer. Es musste nicht sein, dass ein voreiliger Armbrustschütze ihr raschen Garaus machte. Man konnte sich ohnehin kaum hier oben aufhalten, ohne von gelegentlichem Pfeilhagel begrüßt zu werden. Den Falken waren die Pfeile inzwischen ausgegangen - für ihre Gegner galt das bedauerlicherweise nicht.
Die Sonne stand gerade erst frisch am Himmel, aber der Feind hatte bereits einen Rammbock durch seine Reihen getragen und war nun dabei, das innere Tor zu zertrümmern. Und wenn sie das geschafft hatten-... Casca machte sich wenig Illusionen. Was ihr blieb, war, sich an Hoffnung zu klammern und den Männern Mut zu geben.
Sie sah auf, als Pippin und Judeau die Mauertreppe hinauf zu ihr traten.
"Wie geht es ihm?" Judeau machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Wie zu erwarten. Ganzer Körper grün und blau und voller Schnitte, aber er wird überleben. Es ist Guts. Um den kleinzukriegen, braucht es mindestens eine Armee." Sie schüttelte den Kopf, verärgert und gleichzeitig ein wenig erleichtert.
"Das müssen an die fünfzig Feinde gewesen sein um ihn herum. Er kann von Glück reden, dass irgendjemand da oben ihn gern hat." Dabei nickte sie deutend zum Himmel, und Judeau gluckste.
"Wir können auch von Glück reden. Stell dir vor, was Griffith davon halten würde, wenn unser Captain plötzlich nicht mehr da ist." Das wiederum sorgte für ein sehr unerwartetes, heftiges Stechen in ihrer Kehle, eine Regung, mit der sie nicht gerechnet hatte. Richtig... Griffith würde außer sich sein. Was auch immer die beiden verband, es war... es war mehr. Mehr, als Griffith von jedem anderen zu halten schien, mehr, als er ihr gegenüber jemals an den Tag legen würde. Sie bewunderte Griffith, sie hatte ihm in ihrem Kopf Podeste errichtet, und doch fürchtete Casca tief im Herzen, dass er ihr Ableben eines Tages hinnehmen würde. Und das von Guts nicht.
Sie verscheuchte den finsteren Gedanken so gut sie konnte. Griffith mochte eine besondere Verbindung zu seinem tollwütigen Frontidioten haben, aber das hieß nicht, dass Casca ihm egal war. Sie sollte gar nicht erst so denken, nicht in einer Situation, die ihren gesamten Fokus verlangte. Judeau, der neben ihr stand und den Blick gesenkt hatte, meldete sich zu Wort.
"Sie holen die Bögen wieder raus. Wir sollten die Mauer verlassen." Niemand widersprach.
"Sie werden durchbrechen." Corkus lächelte gequält und war gleichzeitig aschfahl im Gesicht. Das regelmäßige, steinerschütternde Hämmern des Rammbocks durchschnitt seine Worte jedes Mal, wenn es erklang. "Sie werden durchbrechen, und dann metzeln sie uns ab, wir sind alle verloren, wir-"
"Ruhe!", zischte Casca. Solche Worte konnte sie gerade gar nicht gebrauchen.
Unglücklicherweise waren sie allerdings wahr. Der Feind würde durchbrechen, und er würde über sie herfallen, und sie mochten den Kampf eine Weile strecken können, aber irgendwann würde kein Falke mehr stehen, keine Frau und kein Kind den Kopf mehr auf den Schultern tragen. Griffith würde kommen, da war sie sich so sicher, wie sie ihren eigenen Namen kannte. Aber vielleicht kam er zu spät. Vielleicht durfte man sie dann alle beweinen, wenn der Gegner überhaupt etwas von ihnen übrig gelassen hatte.
Das beständige Rammen am Tor ließ die Angeln quietschen und regnete Sand und Stein aus dem Mauerstück, wo ihre Fassungen saßen. Viel Zeit würde nicht bleiben. Es stand Casca schon gewissermaßen vor Augen, wie sie durchbrachen - und alles, was dann folgen würde.
"Und was sollen wir tun? Häh?!" Sie verengte die Augen, als Corkus zu ihr herumfuhr, aber gleichzeitig konnte sie die Angst in seinen Augen sehen, den Terror, der sagte, er wusste genau, was auf sie zukam. Es tat weh - aber nicht so sehr wie die unerschütterliche Gewissheit, mit der Judeau und Pippin sie anblickten. Als könne sie nichts falsch machen. Als würden sie ihr aufs Wort gehorchen, selbst wenn Casca entschied, beide in ihren Tod zu schicken. Sie blinzelte die Schwermut aus ihren Augen, um ihre Fassung zu bewahren, und räusperte sich.
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Fleisch
FanfictionGriffith muss seinen Kopf wieder funktionsfähig bekommen, bevor Schatten vergangener Entscheidungen ihm den Tag versauen. Glücklicherweise weiß er exakt, wer der richtige Mann für diese Aufgabe ist. -Mom help I've found a new fandom.- Gewohnte Menge...