Kapitel 3: Alte Schatten und neue Pfade

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Hermine trat aus dem Gryffindor-Turm und atmete tief die kühle Morgenluft ein. Der erste Schultag hatte sich merkwürdig angefühlt - vertraut, aber zugleich mit einer Schwere, die sie nicht abschütteln konnte. Heute standen Tränke auf dem Stundenplan und allein der Gedanke an Snapes Unterricht ließ ein unangenehmes Kribbeln in ihrem Bauch aufkommen. Ginny kam die Treppe hinunter, ihr Umhang flatterte hinter ihr. ,,Bist du bereit für den ersten Albtraum mit Snape?", fragte sie und grinste halb schelmisch, halb nervös. Hermine seufzte. ,,Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals bereit für seinen Unterricht sein kann. Aber ich werde mein Bestes geben." Die beiden Mädchen machten sich auf den Weg in die Große Halle, wo das Frühstück in vollem Gange war. Die Stimmung war lebhaft und doch bemerkte Hermine, wie die Gespräche verstummten, als Snape den Raum betrat. Sein schwarzer Umhang wirkte wie ein Schatten, der über die Tische glitten. ,,Er hat wirklich Talent dafür, eine ganze Halle zum Schweigen zu bringen", murmelte Ginny. Hermine beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Sein Blick war scharf, sein Gesicht unlesbar. Sie fragte sich, ob er es bemerkt - diese Mischung aus Respekt, Furcht und Misstrauen, sie seine bloße Anwesenheit hervorrief.

Der Tränkeklassenraum war genauso düster, wie Hermine ihn in Erinnerung hatte. Die Regale waren voll mit gläsernen Behältern, die seltsame und oft abstoßende Substanzen enthielten. die Luft war erfüllt von einem scharfen, chemischen Geruch. Die Schüler setzten sich und Hermine bemerkte, dass Draco Malfoy am anderen Ende des Raumes saß, die Arme verschränkt und mir einem Ausdruck, der sowohl gelangweilt als auch abwehrend wirkte. Snape betrat den Raum lautlos und sofort verstummten alle Gespräche. Seine dunklen Augen glitten über die Schüler, bis sie bei Hermine hängen blieben. Für einen Moment glaubte sie, einen Anflug von Überraschung in seinem Blick zu sehen, doch er war so schnell verschwunden, wie er gekommen war. ,,Willkommen zurück in meinem Unterricht", begann er mit seiner charakteristisch kalten Stimme. ,,Ich erwarte, dass Sie trotz Ihrer offensichtlichen...Defizite in der Lage sind, mein Fach dieses Jahr mit einem Minimum an Kompetenz zu absolvieren." Ginny, die neben Hermine saß, warf ihr einen genervten Blick zu. ,,Und da ist es schon - die erste Beleidigung", flüsterte sie. Hermine ignorierte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit auf Snapes Anweisungen. Er erklärte die Schritte für einen komplexen Heiltrank und obwohl er keine unnötigen Worte verlor, war sein Vortrag klar und präzise. Die Arbeit begann und Hermine konzentrierte sich darauf, die Zutaten genau abzumessen und die Reihenfolge der Schritte einzuhalten. Doch die Atmosphäre war angespannt und sie spürte, wie Snapes Blick immer wieder auf ihr ruhte. ,,Miss Granger", sagte er plötzlich und Hermine hielt inne. ,,Wenn Sie vorhaben, meinen Unterricht tatsächlich zu bestehen, wäre es ratsam, die Rührtechnik anzupassen. Sie verwenden den falschen Winkel." Hermine spürte, wie ihre Wangen heiß wurden. ,,Entschuldigung, Professor." ,,Entschuldigung hilft Ihnen nicht, Miss Granger. Präzision hilft Ihnen. Beginnen Sie von vorne." Ginny biss sich auf die Lippe, um nicht zu lachen und Hermine warf ihr einen warnenden Blick zu, bevor sie ihren Trank mit neuem Elan ansetzte.

Nach dem Unterricht war Hermine erschöpft. Sie hatte es geschafft, den Trank erfolgreich zu brauen, aber Snapes Kommentare hatten ihr Selbstbewusstsein erschüttert. ,,Er mach das absichtlich, weißt du", sagte Ginny, als sie den Kerker verließen. ,,Er liebt es, Leute aus der Fassung zu bringen." ,,Vielleicht", murmelte Hermine. Doch sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass hinter Snapes Härte mehr steckte. Auf dem Weg zurück in den Gryffindor-Turm bemerkten sie Draco Malfoy, der allein in einer Ecke des Korridors stand. Er sah aus, als würde er mit sich selbst kämpfen und Hermine zögerte einen Moment, bevor sie stehen blieb. ,,Alles in Ordnung, Malfoy?", fragte sie vorsichtig. Er drehte sich um und sein Gesichtsausdruck wechselte von überrascht zu genervt. ,,Kümmer dich um deine eigenen Angelegenheiten, Granger." Ginny verschränkte die Arme. ,,Wow, ich sehe, deine Höflichkeit hat sich seit dem Krieg nicht verbessert." Malfoys Augen blitzten auf, aber anstatt etwas zu sagen, wandte er sich ab und verschwand den Korridor hinunter. ,,Warum hast du überhaupt mit ihm gesprochen?", fragte Ginny, als sie weitergingen. ,,Ich weiß nicht", sagte Hermine ehrlich. ,,Vielleicht, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, mit etwas zu kämpfen, das andere nicht verstehen." Ginny warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, sagte aber nichts mehr.

Später am Abend saß Hermine in der Bibliothek, die immer ihr Zufluchtsort gewesen war. Sie blätterte durch ein Buch über magische Pflanzen, doch ihre Gedanken schweiften ab. Die Begegnung mit Malfoy ließ sie nicht los, ebenso wenig wie Snapes unnachgiebige Haltung im Unterricht. Es war, als ob die Schatten der Vergangenheit sich weigerten, sie loszulassen und doch hatte sie das Gefühl, dass es etwas gab, das sie noch nicht verstehen musste - über beide Männer und vielleicht auch über sich selbst.

Gefährliche NäheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt