Hermine stand am Bahnsteig neun-dreiviertel, den Blick auf den prächtigen, dampfenden Hogwarts-Express gerichtet. Der Zug wirkte genauso imposant wie immer, aber dennoch fühlte sich alles anders an. Nach der Schlacht um Hogwarts war die Welt nicht mehr dieselbe. Sie selbst war nicht mehr dieselbe. Während sie ihren Koffer hinter sich herzog, spürte sie ein vertrautes Flattern in ihrem Magen - eine Mischung aus Nervosität und Aufregung, die sie seit ihrem ersten Tag in Hogwarts begleitet hatte. Doch heute war es nicht die Aufregung eines neuen Abenteuers. Heute war es die Unsicherheit, in eine Schule zurückzukehren, die so stark mit Erinnerungen an Krieg, Verlust und Opfer verbunden war.
,,Hermine!"
Sie drehte sich um und sah Ginny auf sie zueilen, ihr Gesicht strahlend vor Freude. Die Umarmung ihrer Freundin war herzlich und fest, und für einen Moment fühlte sich Hermine, als sei sie nach Hause gekommen. ,,ich habe dich so vermisst!", sagte Ginny und zog sie mit sich in den Zug. ,,Ich konnte kaum glauben, dass du zurückkommst. Aber ich bin so froh, dass du es tust." Hermine lächelte schwach. ,,Ich konnte das Kapitel nicht einfach offen lassen. Ich brauche diesen Abschluss, Ginny." Ginny nickte verständnisvoll und gemeinsam fanden sie ein Abteil, in dem sie sich niederließen. Hermine ließ ihren Blick durch den Zug wandern. Viele der Gesichter, die sie sah, waren neu. Einige Schüler, die nach dem Krieg ebenfalls zurückgekehrt waren, wirkten wie sie älter als ihre Altersgenossen - gezeichnet von der Schlacht. ,,Hast du schon gehört?", begann Ginny plötzlich, ihre Stimme ein wenig gedämpft. ,,Snape ist zurück."
Hermine spürt, wie sich ihr Magen zusammenzog. ,,Wirklich? Ich dachte, er hätte sich aus dem Schuldienst zurückgezogen." ,,Nein, offenbar nicht. McGonagall hat ihn überzeugt, zurückzukommen. Er wird wieder Zaubertränke unterrichten." Hermine wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Die Erinnerung an Snapes mutige Taten während des Krieges war noch frisch und doch konnte sie die Jahre nicht vergessen, in denen er sie mit beißendem Spott bedacht hatte. ,,Ich frage mich, wie er sich fühlt, wieder hier zu sein", sagte sie schließlich leise. Ginny zuckte mit den Schultern. ,,Wahrscheinlich genauso wenig begeistert wie wir. Aber hey, wenigstens hast du mich, um dich durch seine Launen zu bringen." Hermine konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen, auch wenn ihre Gedanken weiterhin bei Snape verweilten.
Der Hogwarts-Express hielt schließlich in Hogsmeade und Hermine fühlte ein bittersüßes Gefühl, als sie ausstieg. Das Schloss ragte majestätisch in der Ferne auf, doch die Erinnerungen an die Schlacht waren unauslöschlich. ,,Los, Hermine!", rief Ginny und zog sie mit sich in eine der wartenden Kutschen. Die Thestrale waren deutlich sichtbar und Hermine fragte sich, ob sie jemals wieder nach Hogwarts schauen konnte, ohne an den Tod zu denken.
In der Großen Halle herrschte reges Treiben, doch es war nicht wie früher. Die Gesichter der Schüler waren nachdenklicher, ernster. Viele Plätze blieben leer, ein stummer Hinweis auf diejenigen, die sie verloren hatten. Professor McGonagall stand am Lehrerpult ihre Haltung würdevoll wie immer, doch ihre Augen verrieten eine Schwere, die Hermine noch nie zuvor gesehen hatte. Neben ihr saß Snape, und Hermine fühlte einen leichten Schauer, als sie ihn erblickte. Er wirkte so ruhig und unnahbar wie eh und je, doch es lag ein Hauch von Müdigkeit in seinem Gesicht, der selbst durch seinen strengen Ausdruck nicht verborgen werden konnte. Die Zeremonie begann und Hermine ließ die Worte der Schulleiterin an sich vorbeiziehen, während sie ihren eigenen Gedanken nachhing. Hogwarts war nicht mehr der sichere Zufluchtsort, den sie einst gekannt hatte, doch sie wusste, dass sie diese Zeit nutzen wollte, um etwas Neues daraus zu machen.
Als das Festessen begann, flüsterte Ginny plötzlich: ,,Schau mal, Malfoy ist auch zurück." Hermine drehte sich um und entdeckte Draco am Slytherin-Tisch. Er wirkte genauso hochmütig wie immer, doch Hermine glaubte, einen Anflug von Unsicherheit in seinem Blick zu erkennen. ,,Warum ist er zurück?", fragte Ginny leise. ,,Vielleicht aus demselben Grund wie wir", antwortete Hermine und wandte sich wieder ihrem Teller zu.
Später am Abend, als Hermine und Ginny in ihren Schlafsaal zurückkehrten, fühlte Hermine eine Mischung aus Erleichterung und Melancholie. Der Raum war vertraut, doch die Leichtigkeit vergangener Jahre war verschwunden. ,,Es wird wieder besser werden, Hermine", sagte Ginny, als ob sie ihre Gedanken erraten hätte. ,,Wir haben einander. Und egal, wie schwierig es wird - wir schaffen das." Hermine nickte, obwohl sie sich nicht sicher war, ob sie es selbst glaubte. Doch eines wusste sie: Sie war hier und sie würde die Chance nutzen, um sich ihren eigenen Dämonen zu stellen - und vielleicht auch den von anderen.
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Gefährliche Nähe
FanfictionNach dem Ende des Krieges kehrte Hermine Granger nach Hogwarts zurück, um ihre Ausbildung abzuschließen. Doch der alte Zaubererkrieg hatte tiefe Spuren hinterlassen und Hogwarts war nicht mehr der Ort, den sie einst gekannt hatte. Professor Severus...