Kapitel 5: Und Dann Kam Ben...

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Die Waage zwischen mir und Thomas hatte sich wieder eingependelt. Trotzdem ging es mir damit irgendwie nicht gut. Jeder machte sein Ding. Ich ging wieder meiner Arbeit nach, er auch, für gemeinsame Unternehmungen blieb wenig Zeit. Es wurmte mich schon sehr und nun war es andersrum - ich dachte an der Arbeit an nichts anderes mehr als an meine Beziehung.

Währenddessen ich am Kopierer stand und meine Unterlagen ablichtete, hörte ich Schritte die auf mich zu kamen. Sie kamen näher und brachen dann abrupt ab. Ich drehte mich um und musste blinzeln. "Oh mein Gott, Ben!" dachte ich.

Vor mir stand mein Arbeitskollege Ben, wohl besser gesagt mein Lieblingsarbeitskollege. Er war eher eine unauffällige Erscheinung. Ca. 1,80m groß, schwarze, kurze Haare, strahlend blaue Augen, ein schönes Lächeln und immer einen lockeren Spruch auf den Lippen. Und jetzt, frisch aus dem Urlaub wieder an der Arbeit angekommen, auch noch braungebrannt. Ich mochte ihn. Ich mochte ihn wegen seiner Art mit der Arbeit und den Kollegen umzugehen, wegen seines Humors und wegen seiner ganzen Art an sich. Wir waren uns so ähnlich. Vom Charakter, von der Gefühlswelt und vom Humor. Wir verstanden uns einfach super.

"Na? Sprachlos? Was machst du denn hier? Komm, lass dich erstmal in den Arm nehmen!"

Er zog mich an sich ran ohne mir eine Möglichkeit zur Reaktion zu lassen und umarmte mich fest. Ich erwiderte seine Nähe, freute mich einfach ihn zu sehen. Wollte mir dies aber nicht so richtig anmerken lassen. Ich gab ihm einen kessen Stups in die Taille und überspielte meine Unsicherheit mit einem coolen

"Hey, lang keinen Korperkontakt mehr gehabt in deinem Keller oder warum lässt du nicht los?"

Man muss dazu sagen, dass er fast ständig vorm PC oder dem Bildschirm der Maschine hockt. Darin aber viel Talent beweist und bei jedem technischen Problem sehr zuvorkommend und behilflich ist bei meist weiblichen, technischem Unverständnis.

"Cool, dass du hier bist. Lust auf nen Kaffee? Habe Spätschicht. So gegen 4?"

Natürlich hatte ich Lust. Sehr sogar. Ich hatte nur Angst. Angst, dass andere denken könnten wir hätten ein Verhältnis. Sowas verbreitet sich immer sehr schnell und würde weder unserer Arbeitsbeziehung, unserer Freundschaft noch meiner und seiner Beziehung gut tun.

"Überleg nicht so lange, um 4 bei mir hinten im Raum."

Ich war so verwirrt, dass ich nur ein kurzes "Okay" stammeln konnte und er Währenddessen schon zurück Richtung seines Raumes war.

"Prima", dachte ich. Das nächste Problem. Nicht nur Zweifel an meiner Beziehung, jetzt auch noch ein Treffen mit dem bestaussehensten und humorvollsten Kollegen. Und dabei ein schlechtes Gewissen gegenüber Thomas. Ich machte mir den halben Vormittag einen Kopf, was ich Thomas schreiben soll, um zu erklären, dass ich länger an der Arbeit bin. Ich verstrickte mich letztendlich in Lügen und schrieb ihm:

"Hallo Schatz. Ich muss heute leider etwas länger an der Arbeit bleiben. Habe noch ein Gespräch und das dauert etwas. Warte nicht auf mich. Ich liebe dich. "

Liebte ich ihn wirklich? Wenn ich ihn so anlüge? Liebe ich ihn dann? Ich wusste nichts mehr. Wo ich vor ein paar Wochen noch hätte vor Freude in die Luft springen können, hätte ich jetzt verzweifeln können. Ich versuchte mich mit Arbeit abzulenken und mich auf den Nachmittag zu freuen. Sagen wir mal so, es gelang mir bedingt.

Zu Feierabend kam mir Ben auf dem Flur entgegen und lächelte mich schon von weitem an. Ich wartete bei der Stechuhr auf ihn . Zusammen gingen wir zum Parkplatz, stillschweigend, rauchend und fuhren unser Auto vom Gelände, da um 4 alle Schotten dicht gemacht werden. Damit es nicht allzu auffällig ist, parkte ich mein Auto etwas abseits von seinem und beeilte mich früher wieder im Gebäude zu sein als er. Mit zwei Minuten Vorsprung platzierte ich mich bei ihm im Raum. Er kam mit zwei Kaffee in der Hand hinterher. Vorsichtig stellte er die Tassen auf den Tisch, um auch keinen Tropfen des wertvollen Gutes zu verschütten und fiel neben mir auf den Stuhl. Er schaute mich an, lächelte mich an, es kam mir vor wie eine Ewigkeit bei der wir uns nur anschauten, anlächelten und kein Wort miteinander sprachen.

"Was ist los? Du bist garnicht wie sonst! "

Mist. Ich konnte es nicht vor ihm verheimlichen. Er sah mir an, wenn etwas nicht stimmte.

" Nichts, alles gut! " antwortete ich.

" Lüg nicht! " sagte er forsch." Ich kenne dich und weiß, dass etwas nicht stimmt. Machst du dir schon wieder einen Kopf man könnte und etwas anhängen? "

Oh man. Er hatte mich. Wie machte dieser Kerl das nur? Er kannte mich besser als ich mich selbst, obwohl er mich noch nicht lange kannte.

" Ach Ben weißt du, es ist eben nicht immer alles so einfach. Hast du keine Angst, dass uns irgendwann mal jemand erwischt, deine Freundin zum Beispiel? Sie stalkt dir doch eh bei jeder Kleinigkeit hinterher! "

" Weißt du Linda, dass es mir vollkommen egal ist was andere über uns denken? Sie zerreißen sich eh immer ihre Klappen über alles und jeden. Ich gebe darauf nichts. Lass die Leute reden und du lebst viel ruhiger... "

Wie recht er hatte und wie schwer es mir fiel, dies zu akzeptieren.

" Ja du hast ja recht, aber... "

" Nichts aber! " fiel er mir ins Wort.
" Du trinkst jetzt erstmal entspannt deinen Kaffee, ich merke schon, du bist total unterversorgt mit Koffein" witzelte er. Mir war nicht wirklich zum lachen wenn ich an die anderen Kollegen und an Thomas dachte. Dennoch lächelte Ich und versuchte so entspannt wie möglich zu sein....

Der JokerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt