11. Kapitel

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Lucy POV

Um etwa fünf vor fünf bin ich am Bahnhof, genau an dem Treffpunkt, den ich mit Marco ausgemacht habe. Von ihm ist noch nichts zu sehen, was aber verständlich ist, da ich ja zu früh bin. Nervös fahre ich mir immer wieder durch die Haare und fummle an meinem Shirt rum. Es ist schon drei Jahre her, seit ich Marco zum letzten Mal gesehen habe. Naja, abgesehen halt vom Argovia Fest, aber da habe ich ihn nur kurz von hinten gesehen. Um Punkt fünf vibriert mein Handy. Marco hat mir geschrieben.

Bist du schon da?

Ich schreibe ihm kurz, dass ich am Treffpunkt bin, es aber nicht schlimm ist, wenn er ein paar Minuten zu spät kommt. Jungs halt eben. Wie es der Zufall so will, schreibt mir Carlo in diesem Moment zurück.

Schreib mir einfach wieder, wenn du Zeit hast.

Das werde ich auf jeden Fall tun, aber jetzt treffe ich mich erst einmal mit Marco. Hoffentlich kommt er bald, sonst sterbe ich vor Nervosität. Aber leider verstreichen die Minuten und Marco ist noch nicht da. Er hat mir auch nicht mehr zurück geschrieben. Und irgendwie finde ich das auch total unverschämt, schliesslich hat er nicht mal gesagt, dass er zu spät kommt, obwohl er sich vorher bei mir gemeldet hat. Um zwanzig nach fünf habe ich keine Geduld mehr und ich will schon gehen. Genau in diesem Moment geht eine Nachricht von Marco ein.

Ich wusste es schon immer, dass du total in mich verliebt bist. Jetzt wartest du dort, aber ich habe dich absichtlich versetzt. Du musst echt verzweifelt und anhänglich. Schon klar, dass du noch nie einen Freund hast.

Im ersten Moment bleibt mir einfach einmal die Luft weg. So bin ich noch nie verarscht worden. Das tut einfach nur richtig weh und ich will am liebsten heulen. Ich hätte nie gedacht, dass Marco so ein riesen Arschloch ist! Er war immer total nett zu mir und ich habe ihm vertraut. Das was er schreibt ist einfach total fies und verletzend. Irgendwie schaffe ich es, nach Hause zu laufen, ohne zu heulen. Der Schock sitzt so tief, dass ich einfach nicht denken kann. So etwas ist einfach nur demütigend und schlimm.

Zuhause gehe ich direkt in mein Zimmer, ohne meiner Mutter „Hallo" zu sagen. Ich schliesse die Tür hinter mir, lege mich auf mein Bett und lasse meine Tränen fliessen. Einfach nicht denken, nur hoffen, dass der Schmerz vergeht. Ich weiss, viele können besser damit umgehen, wenn sie einen Korb kriegen. Aber das war nicht einfach nur ein Korb, das war richtig hinterhältig und fies.

Nach gut zehn Minuten habe ich mich einigermassen erholt und ich habe das dringende Bedürfnis, mir das alles von der Seele zu reden. Aber es ist mir einfach zu peinlich, das meinen Freundinnen zu erzählen. Auch wenn sie die besten Freundinnen sind, die man sich wünschen kann. Da kommt mir Carlo in den Sinn. Ich kenne ihn kaum, deshalb ist es nicht ganz so peinlich. Ich schreibe ihm und frage ihn, ob ich ihn kurz anrufen darf. Die Antwort kommt nur wenige Sekunden später.

Ja, klar! Ich bin immer für dich da, Lucy!

Das ist echt süss von ihm und schon wähle ich seine Nummer. Nach nur einem Klingeln nimmt er ab. „Lucy, was ist los? Du kannst mir alles erzählen!"

Und schon merke ich, wie mir die Tränen erneut in die Augen schiessen. Ich schlucke einmal und beginne dann: „Am Festival habe ich meinen Schwarm aus der achten Klasse wieder gesehen. Ich habe ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen, aber wir haben vor ein paar Monaten ein paar Mal geschrieben. Nach dem Festival hat er geschrieben und wollte sich heute mit mir treffen. Ich war beim Treffpunkt, dann hat er geschrieben, dass er mich nur verarschen wollte und mich absichtlich versetzt hat." Ich kann nicht anders und beginne zu schluchzen. Die Tränen laufen mir auch wieder die Wangen runter. Eigentlich wollte ich vor Carlo nicht so schwach wirken, aber was soll's. Vor ihm habe ich mich ja schon genug blamiert.

Ich höre, wie Carlo am anderen Ende scharf Luft einsaugt: „Das tut mir so leid! Du hast etwas Besseres verdient, als so ein Arschloch! Leider gibt es viel zu viele Typen die nur das eine wollen oder komplette Arschlöcher sind."

„Wenn es nur das wäre!", sage ich leise, „er hat mich nur verarscht, weil er wusste, dass ich ihn toll finde und total naiv und unerfahren bin. Und er hat mir geschrieben, dass ich verzweifelt und anhänglich bin."

Dann werde ich von Carlo unterbrochen: „Geht's noch? Wie kann der so ein Arschloch sein? Es tut mir so leid Lucy!"

„Carlo, das war noch nicht alles!", flüstere ich, „er meinte, dass ich nur deswegen noch nie einen Freund hatte!" Scheisse, eigentlich wollte ich Carlo nicht unbedingt auf die Nase binden, dass ich komplett unerfahren bin.

„Willst du, dass ich zu dir komme und ihn mir vorknöpfe?", fragt Carlo wutentbrannt.

Ui, Carlo scheint es ziemlich ernst zu nehmen und es ist ja auch total süss von ihm, aber das ist ja auch keine Lösung, wenn er her kommt. „Nein, ist schon gut. Ich werde schon damit klar kommen. Ausserdem hast du in Deutschland bestimmt genug zu tun."

„Bist du dir sicher? Ich kann jederzeit kommen, wenn du willst. Und wenn du irgendwas brauchst, zögere nicht, mich anzurufen.", meint er dann fürsorglich.

Das ist ja schon nett, aber ich kenne ihn kaum. Ich wollte es mir nur von der Seele reden, das ist alles. Den Rest werde ich schon alleine schaffen. „Alles gut, danke! Wo wohnst du eigentlich in Deutschland?", versuche ich das Thema zu wechseln.

„Stuttgart", antwortet er knapp. Ist er etwa sauer? Oder liegt es daran, dass er nicht gerne über sich redet? Egal, das ist jetzt nicht meine grösste Sorge.

Danach plaudern wir noch über meine Schule, zum Beispiel meine Hassfächer und die Lehrer, die ich überhaupt nicht mag. Dann erzähle ich ihm von meiner besten Freundin Fabiana. Wir kennen uns schon seit sechs Jahren, sind aber erst seit zwei Jahren richtig gut befreundet. Sein bester Freund heisst Markus und sie kennen sich drei Jahre. Dann will er noch wissen, was mein Lieblingsessen ist. Pizza, ist doch klar! Oder Burger und Pommes sind auch nicht schlecht.

Mit der Zeit lässt mich seine lockere und entspannte Art meine Traurigkeit verschwinden. Jedenfalls für den Moment. Kurz vor sieben meint er dann: „Es tut mir leid, ich muss jetzt auflegen. Wir gehen gleich noch feiern und ich muss davor noch etwas essen. Aber schreib mir, wenn du mich brauchst. Ich bin für dich da!"

„Dann viel Spass!", sage ich mit einem Lächeln auf den Lippen, „Und danke, dass du mir zugehört hast und mich aufgemuntert hast. Das hat mir echt geholfen!"

Ich merke, wie er zögert und nicht genau weiss, was er darauf antworten soll. „Schon gut. Das wird schon wieder. Und gute Nacht Lucy!"

Und bevor ich noch etwas erwidern kann, legt er einfach auf. So ein Idiot, denke ich lächelnd. Dann mache ich mich an die Arbeit. Ich mache meine Mathe-Hausaufgaben, sortiere meine Biologie-Unterlagen. Anschliessend gehe ich unter die Dusche und entspanne allmählich. Morgen werde ich Fabiana noch von Marco erzählen, dann werde ich das Thema hinter mir lassen.

Um zehn Uhr bin liege ich im Bett, mit einer Tasse Tee und ich schaue mir ein paar Youtube-Videos an. Dabei muss ich an Carlo denken. Ob er schon im Club ist? Geht er oft feiern? Irgendwie kann ich ihn so schlecht einschätzen, weil er irgendwie so was badboyhaftes an sich hat, weil er zum Beispiel raucht, aber andererseits ist er total nett und höflich.

Obwohl das heute eine ziemlich schlimme Demütigung war, geht es mir ganz okay und ich schlafe schon bald ein.

***

Es tut mir leid, dass so lange kein Kapitel kam. Ich war spontan zwei Tage weg und hatte danach eine kleine Schreibblockade. Aber jetzt wird es voraussichtlich wieder mit täglichen Updates weitergehen.

Wie gefällt es euch? Votes und Kommentare sind immer toll! ;)

xx Lulu

Ich kann nichts dagegen tun (CRO FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt