Agent Girl

EINS

Mein Bruder fuhr mich mit heruntergelassenen Scheiben zur Schule. Es war ein sonniger Tag und der Wind stieß mir frisch in Gesicht. 
Wir waren auf dem Weg zur Academy. Sie ist fast eine Stunde mit dem Auto von unserem Zuhause entfernt. Doch ich würde bis zu den Ferien warten müssen, um in meinem eigenem Bett wieder schlafen zu können. Aber es lohnte sich. Immerhin ist es einer der besten Internatsschulen in ganz England.

Sam ist mein einziger Verwandter. Mein großer Bruder. Er selbst war früher an der Academy und arbeitet jetzt bei der Bank und ist ständig auf Reisen.
Als meine Eltern vor zwei Jahren bei einem Seeunglück starben, blieb mir nichts mehr bis auf meinen Bruder, meiner besten Freundin Sara, unserer Haushälterin und der Academy. 

"Soll ich mitkommen, um dich anzumelden?"
fragte mein Bruder und riss mich aus meinen Gedanken.
"Nein nein. Das schaffe ich schon und schließlich ist es nicht mein erstes Jahr." sagte ich. 
Der eigentliche Grund, weshalb ich nicht wollte, dass er mitkommt, ist, dass ich vorhatte, mich erst morgen früh anzumelden. Aber auch nur, weil am ersten Tag die Feuerwehrübung stattfindet und ich keine Lust habe, daran teilzunehmen. Stattdessen gebe ich erst morgen im Sekretariat an, dass ich da bin, damit ich noch nicht Anwesenheitsliste stehe. Viele Schüler der Oberstufe kommen deshalb erst am nächsten Tag, doch mein Bruder hat morgen früh ein wichtiges Meeting. Deshalb gehe ich einfach direkt auf mein Zimmer.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Sam lächelte. Natürlich kennt er den wahren Grund, weshalb ich nicht wollte, dass er mitkommt. Er war ja schließlich auch an der Schule gewesen und hat es ähnlich wie ich gemacht.

Als wir endlich ankamen, half ich, Sam mein Gepäck auszuladen. 

"Na dann,"
sagt Sam am Tor.
"Pass auf dich auf und versuch wenig Scheiße zu bauen."
fügte er lächelnd hinzu. Ich rollte mit den Augen und umarmte ihn.
"Ich schreib dir, um dich vor den blauen Brief zu warnen."
Zum Abschied drückte er mich noch einmal, schmatzte mir einen fetten Kuss auf die Backe und ließ mich los.
"Grüß Sara von mir."
Sagte er und stieg ins Auto ein. Ich winkte noch kurz hinterher. Danach nahm ich meine Sachen und ging zum Hintereingang. Dort gab es eine Treppe, die zum Hausmeisterbüro führt. Von dort aus konnte ich den Aufzug benutzen um in den 4. Stock zu den Schlafzimmern der Oberschule zu kommen. In den letzten Jahren war ich immer in den unteren Stockwerken. Doch der Abschlussjahrgang war hier sowas wie die Elite, die die besten Zimmer und Gemeinschaftsräume bekommen. Auch in der Cafeteria haben wir eine Oberhand. 

Ich wanderte den Flur entlang und folgte den Nummern auf der Tür. Ich hatte vor zwei Wochen ein kleines Päckchen zugeschickt bekommen und mit ein paar wichtigen Informationen und dem Zimmerschlüssel.
Als ich vor 407 stand, schloss ich die Tür auf, ging hinein und warf meinen Koffer in die Ecke und kickte die Tür zu. Danach schmiss ich mich auf das Bett am Fenster. Ich hörte den Feueralarm und lächelte.
"Die Armen",
dachte ich. 
Ich war so müde, dass ich sofort einschlief.