"Wie läuft das denn ab? Ich meine, darf Ella bei Susi bleiben? Unsere Tochter wird gestillt und..", frage ich total überfordert, denn mit solch einer niederschmetternden Nachricht habe ich wirklich nicht gerechnet. Die Hebamme bedenkt mich mit einem mitfühlenden Blick und setzt sich nochmal auf ihren Stuhl. "Es wird das Beste sein, wenn Sie Ella an die Flasche gewöhnen. Womöglich wird ihre Verlobte medikamentös eingestellt werden. Natürlich sind Medikamente verfügbar, die das Stillen nicht beeinträchtigen, aber ich persönlich würde auf Nummer sicher gehen. Es ist gut möglich, dass ihre Verlobte vorerst von allen Familienangehörigen isoliert wird. Das wird ihnen aber alles von dem behandelnden Psychiater erklärt. Lassen Sie uns jetzt aufbrechen, damit wir keine Zeit verlieren. Unterwegs melde ich ihre Partnerin an, damit wir ohne großes Pipapo in die Klinik kommen!"
Ella die Flasche geben? Medikamente? Isolierung? Scheiße...
Am liebsten würde ich jetzt in meiner Überforderung baden und mir meinen Kummer von der Seele heulen, aber dafür bleibt keine Zeit, denn die Hebamme drängt mich weiterhin zur Eile. Während Frau Haberfeld mein Kind aus der Federwiege in den Maxicosi umbettet, haue ich mir gedanklich ein paar Mal gegen den Kopf, damit mein Fokus auf das Wichtigste fällt. Susi. "Ich weiß, dass es jetzt auch für Sie schwer ist, Herr Funke, aber Sie handeln richtig. Dieser Schritt ist wichtig für Ihre Verlobte!"
Ich nicke ihr als Antwort nur zu, denn aus meiner momentan zugeschnürten Kehle möchte kein Wort entweichen. Als ich die Babyschale entgegengenommen habe, laufe ich mit leicht wackeligen Füßen zu meinem Auto und befestige den Maxicosi auf dem Rücksitz. Anschließend setze ich mich hinter das Lenkrad und fahre wie auf Autopilot zum Bauernhof.Gedanklich male ich mir die verschiedensten Szenen aus, in denen ich mit Susi bis zum Vergasen diskutiere, sie aus der Wohnung zerren muss oder von ihr angeschrien werde. Am liebsten wäre es mir, dass sie bei meiner Ankunft von sich aus sagt, dass sie selbst gewisse Veränderungen wahrgenommen hat und sie sich behandeln lassen will. Doch ich bin mir sicher, dass das nur Wunschdenken bleibt.
Zuhause angekommen, lasse ich den Motor verstummen und starre auf die Haustüre. Ich hätte niemals gedacht, dass es mir mal so schwer fällt, nach Hause zu kommen. Die Fahrertüre wird geöffnet, bevor ich überhaupt auch nur den Gedanken hatte, das zu tun. Frau Haberfeld lächelt mich aufmunternd an: "Sie müssen jetzt stark sein! Denken Sie daran, dass Sie nur zum Wohl Ihrer Verlobten handeln. Ich werde hier mit Ella warten und wenn sie Hilfe brauchen, dann rufen Sie einfach nach mir. In Ordnung?"
"Okay", willige ich in ihren Vorschlag ein und steige aus dem Auto aus. Je näher ich unserer Wohnungstüre komme, desto stärker klopft mein Herz gegen meinen Brustkorb. Das Rauschen meines Blutes ist unüberhörbar laut und übertönt die Geräusche der Umgebung. Es kommt mir fast so vor, als würde ich mich selbst von außen betrachten. Ich laufe so langsam, als wenn ich mich durch ein Moorgebiet durcharbeiten müsste und mit jedem meiner Schritte immer weiter in die Masse hineingezogen werden würde. Mit zittrigen Fingern stecke ich den Schlüssel in das für ihn vorgesehene Loch und öffne die bis eben noch schützende Barrikade.Im Inneren der Wohnung angekommen, höre ich das Geräusch der Dusche. Mit zusammengezogenen Augenbrauen begebe ich mich zum Badezimmer und laufe schnurstracks durch die offenstehende Türe. "Susi?"
"Phil... Zum Glück bist du da. Ella ist verschwunden und ich glaube, dass Josi sie geholt hat, weil sie sauer auf mich ist!", kommt es mit fast schon weinerlicher Stimme aus der Regenschauerimitationskabine. Vorsichtig öffne ich die gläserne Trennwand und sehe meine Verlobte zusammengekauert in einer der Ecken sitzen. "Schatz? Warum sitzt du denn hier in der Dusche? Du hast dich doch heute schon gewaschen", versuche ich so einfühlsam wie möglich zu fragen, stoppe die Wasserzufuhr und begebe mich in die Hocke. Susi starrt ausschließlich mit gesenkten Kopf auf den Boden der Duschwanne und gibt mir keine Antwort. Ich mustere ihr Gesicht genauer, das tiefe, sehr dunkle Augenringe beherbergt und hasse mich schon fast selbst dafür, dass mir das nicht schon früher aufgefallen ist. "Was hältst du davon, wenn du aus der Dusche rauskommst und ich dich abtrockne, mh?", frage ich mit ruhiger Stimme, obwohl es mich innerlich vor Sorge und Frust fast zerreißt. "Wann war Josi hier?", will Susi wissen und dreht endlich ihren Kopf in meine Richtung. "Heute noch gar nicht. Du kommst vermutlich mit den Tagen durcheinander. Gestern war sie hier und wollte wissen, warum du nicht mehr mit ihr reden willst."
Meine Verlobte zuckt mit den Schultern und rappelt sich dann in einen aufrechten Stand auf, um sich an mir vorbei zu drücken und abzutrocknen. "Sollen wir uns die Kleider anschauen, die ich für die Brautjungfern ausgesucht habe?", will sie aus heiterem Himmel wissen. "Ich dachte, dass du die Entscheidung an Alessa weitergegeben hast?", frage ich verwundert und sehe, dass meine Zukünftige selbst ins Grübeln kommt. "Echt jetzt? In letzter Zeit kann ich mir wirklich nichts merken. Bekomme ich langsam Alzheimer oder was?" Fast schon sauer, schleudert sie das Handtuch in eine Ecke, ohne sich überhaupt ansatzweise abgetrocknet zu haben und stampft Richtung Schlafzimmer.
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Einzelkämpfer Teil 3
FanfictionNach dem Umzug auf den Bauernhof stehen viele neue Aufgaben an, die bewältigt werden wollen. Nicht nur bei den Hetkamps, die sich auf die Ankuft der zwei neuen Familienmitglieder vorbereiten, sondern auch bei Phil und Susi, die ihre Hochzeitsplanung...