Wie lange ich mit ihr auf dem Rücken nun unterwegs war, weiß ich nicht mehr genau. Es fühlte sich wie Stunden an, könnte auch wirklich so sein, aber die Kälte und der ganze Aufenthalt in diesem Raum, nahm mir jegliches Zeitgefühl. Endlich stand ich mit ihr vor der Haustür. Der Hausschlüssel lag immer unter dem Blumentopf, der aber durch die Kälte nicht mehr so freundlich aussah, wie im Sommer. Die Blumen darin waren verwelkt und braun, ließen den Kopf hängen und trugen auch keine Blüten mehr. Mit einem Klick öffnete sich die Tür und ich betrat den warmen Hausflur. Die Tür schloss ich hinter uns und somit wurde die scharfe Kälte von uns getrennt. Meine Schuhe behielt ich an und sprintete ins Wohnzimmer, legte meine Süße darauf ab und flitzte in mein Zimmer hoch. Dort schnappte ich die ersten 2 Decken, die mir in die Augen fielen und sauste die Treppe wieder runter. Ihre blasse Haut und ihre ebenso weißen Lippen ließen mir den Schock in die Glieder fahren. Schnell warf ich sanft die Decken über sie und zog diese bis zu ihrem Mund hoch.
Da saß ich nun. Besorgt und in T-Shirt. Die Heizung hatte ich voll aufgedreht, damit Skyes Körper sich schnell wieder aufwärmt. Auf dem kleinen Regal neben der Tür lag mein Handy. Es war an das Ladekabel angeschlossen und lud Prozent um Prozent. In der Küche fand ich einen Zettel, der wohl von meinen Eltern sein musste. Es war typisch für sie, dass sie mir Nachrichten hinlegen. Und es war auch typisch, dass sie spontan verreisten oder "eine plötzliche Konferenz in Amerika" haben. Ein Seufzen entglitt mir und ich sank tiefer in das Polster des Sessels ein. Die Uhr zeigte 23:00 Uhr an. Welches Datum nun aber war, konnte ich nicht sagen, denn dazu hätte ich erst auf dem Handy nachsehen müssen. Ich betrachtete meine Arme. Überzogen von Narben. Tiefen Narben. Ich bemerkte, wie groß der Drang doch eigentlich war, mir die Klinge ins Fleisch zu drücken. Den Schmerz zu fühlen, das warme Blut, wie es mir den Arm hinunter sickert. Ohne weiter darüber nachzudenken, erhob ich mich aus dem grau-blauen Sessel, den ich kenne, seit ich hier bin. Mit schnellen, leisen Schritten kam ich bald beim Bad an. Dort ließ ich die Tür ins Schloss fallen und drehte mich zu der kleinen Kommode um.
Unter einem kleinen Tuch versteckt, lag eine Zündholzschachtel. Jedoch waren keine Zündholze darin zu finden, sondern dünne, silberne und teilweise rote, scharfe Dinger. Mit der Schachtel setzte ich mich auf den Rand der Badewanne. Und dann hielt ich eines davon in den Fingern. Ich kann das Gefühl nicht beschreiben, das durch meinen Körper jagte, aber es war einfach nur befreiend. Mit etwas zitternden Fingern setzte ich sie an meinem Oberarm an, drückte sie rein und fühlte schon da den Schmerz. Doch es reichte nicht. Noch mehr Druck übte ich darauf aus und zog die Klinge. Erst paar Millimeter, dann waren es bald schon 10 Zentimeter. Das klebrige, dunkelrote Zeugs floss aus der Wunde und tropfte in die Badewanne. Doch es reichte nicht. Ich zog erneut über denselben Schnitt, es wurde tiefer. Immer wieder wiederholte ich diesen Vorgang. Es entstanden 13 tiefe Wunden. Ich spürte keinen Schmerz. Und doch bemerkte ich die Tränen, die mir über das Gesicht wanderten.
Ohne Gefühl saß ich da. Ich hab einfach weiter gemacht. Oberarm, dann beim Unterarm und schließlich hab ich auf der rechten Seite ebenfalls angefangen. Immer wieder wurde mir kurz schwarz vor Augen und ich drohte nach hinten zu kippen. Irgendetwas hielt mich jedoch aufrecht sitzen. Ein Gefühl von Übelkeit überkam mich. Ich musste aufstehen, zum Verbandskasten gehen und mich irgendwie verarzten. Doch ich war zu schlapp, um mich aufzuraffen. Der ganze Boden der Badewanne war bereits rot gefärbt und es wurde nicht besser. Ich betrachtete meine Arme. Tief. Sehr tief. Es klaffte, man sah das Fleisch und Gewebe, die Fettschicht. Fettschicht. Wie dick ich doch bin. Andere meinen zwar, ich sei dünn, aber das bin ich nicht.Ich schnappte nach dem Tuch, das auf der Kommode lag und wickelte es um den linken Arm. Es brannte, schmerzte. Langsam stand ich auf und taumelte mit verschwommenem Blick zur Tür. Im Schrank gleich auf dem Flur war eine Kiste mit Verbandsmaterial. Das würde ich doch wohl noch schaffen! Oder...?Ich taumelte durch den beschränk beleuchteten Flur. Die Lampen waren gedämmert. Oder kam mir das nur so vor? Ich bin mir nicht sicher, denn ich sah nur verschwommen und es tauchten immer wieder schwarze Flecken vor meinen Augen auf. Irgendwann knallte ich gegen den Schrank. Der Kopf brummte und ich öffnete wie in Zeitlupe den Schrank und griff zum Verbandskasten. Ich erinnerte mich noch, wie ich zu Boden sackte und einige Minuten in Gedanken fluchte und über mich selbst herzog. Aber dann erstreckt sich eine gähnende Leere in meinem Gedächtnis.
Jemand unterhielt sich. Nicht gerade laut aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf an der Lautstärke gleich zerplatzen würde. Ich blinzelte an die Decke und richtete meinen Blick dann nach rechts. Dort erblickte ich meinen besten Freund und meine Freundin, wie sie leise miteinander sprachen. Als sie mich dann entdeckten, sprang Danny auf und kam zu mir, frage, wie es mir ginge und ob ich noch alle Sinne beisammen hätte.
„Luke! Verdammt...ich dachte, du hättest ins Gras gebissen...shit...da war alles voller Blut und...urgh...", er machte eine Pause und fuhr nach einem Seufzen fort, „Da du dich fast zwei Wochen nicht gemeldet hast, wollte ich mal nachsehen, was denn los ist. Und als ich die Kleine auf dem Sofa entdeckte und ich sie wach gerüttelt hatte, ging ich dich suchen. War echt kein schöner Anblick dich da halb verblutet auf dem Flur zu finden Mann!" In seiner Stimme hörte man Zorn und doch etwas von Sorge schwanken. Ich lächelte und schloss meine Augen wieder.
Es war bereits hell draußen, als ich meine Augen öffnete und durch das Wohnzimmer blinzelte. Etwas in Schlaf getrunken setzte ich mich auf und blickte zu Skye, welche gerade im Sessel saß und ein Buch las. Mit einem mickrigen 'Guten Morgen', ließ ich das rothaarige Mädchen auffahren."Luke", schrie sie schon fast, "wie geht's dir? Hast du hunger? Durst? Irgendwas?" Etwas überfordert schüttelte ich den Kopf. Skye legte ihr Buch auf die Armlehne des Sessels und kam zu mir, umarmte mich doll. Ich fühlte ihre Wärme, ihr Herz schlagen."U-Und wie geht es dir?", flüsterte ich leise in ihre Haare hinein. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen nickte sie sanft. "Ja, es geht so..." Mein ungläubiger Blick wanderte auf ihre Arme. Sie waren vom Pullover verdeckt und man konnte sie so nicht sehen. Sanft strich ich ihn hoch und mir entglitt ein Seufzen.
Ich schaute in die Augen von Skye. "Wer?", knurrte ich durch die Zähne hervor. Doch ich erhielt keine Antwort auf meine Frage und sie senkte den Kopf. "Wer?!", wiederholte ich mich, diesmal jedoch etwas lauter. Diese blauen Flecken, Kratzer und einfach nur grausamen Wunden, konnten nicht von den Typen dieser Gruppe sein. Sie waren frisch. Sogar sehr frisch. Mit Tränen in den Augen schaute sie zu mir auf und schüttelte den Kopf. Ich wurde ungeduldig und die Wut der Unahnung stieg in mir hoch. "Er war es oder?" Sie gab mir kein Zeichen, ob meine Vermutung korrekt war, also wiederholte ich meine Frage, diesmal jedoch genauer. "Danny war es, oder?!" Jetzt flossen die Tränen über ihre Wangen und tropften auf meine Hand. Sie nickte und ich stand mit Wut in mir auf.
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Just my demons
HororLuke ist ein normaler Junge. So denkt er zumindest. Doch mit der Zeit, findet er heraus, was wirklich war...