Date um Mitternacht

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"Das sieht gut aus? Bist du dir sicher?" Zweifelnd drehte Brooke sich vor dem Spiegel hin und her.

"Du hast um meine Hilfe gebeten. Dann musst du mir auch vertrauen, Schatz." Ich lächelte sie an und strich ihr eine braune Strähne, die sich aus ihrem Zopf gelöst hatte, hinters Ohr. Ja, sie sah perfekt aus. Und wie. Sie hatte ein dunkelblaues, ziemlich knappes Kleid an, was ihr außergewöhnlich gut stand. Ihre Haare hatte ich zur Seite über ihre Schulter geflochten. Brooke zupfte misstrauisch an ihrem Kleid herum.
"Ist das nicht ein bisschen kurz?"

"Nein, auf keinen Fall. Es ist wunderschön. Und jetzt raus mit dir, Sam wartet bestimmt schon."

Bei seinem Namen lief Brooke dunkelrot an. Aufgeregt drückte sie meine Hand. "Was, wenn er es sich anders überlegt hat? Wenn er mich gar nicht... so doll mag wie ich ihn?"

"Wird er nicht", antwortete ich zuverlässig. In Gedanken war ich plötzlich ganz wo anders. Brooke ging zur Tür und warf mir einen raschen Blick zu. "Wünsch mir Glück", hauchte sie, bevor sie in der Dunkelheit verschwunden war.

Und dann war ich alleine.

Zuerst blieb ich stumm auf ihrem Bett sitzen und zählte Sekunden. 60, 61, 62, 63,... Dann stand ich auf und ging ebenfalls aus ihrem Bungalow, tauchte in die kühle Herbstnacht ein und ging flüchtig auf Em's und mein Bungalow zu. Drinnen war es angenehm warm. Die Lichter waren bereits erloschen, nur eine einzelne Kerze flimmerte matt auf dem Esstisch vor sich hin. Aus dem Schlafzimmer hörte ich das gleichmäßige, tiefe Atmen meiner Schwester. Leise ging ich in das Zimmer, streifte meine Klamotten ab und zog die Jagdsachen an, die ich einmal auf dem Markt gekauft hatte. Dann holte ich den Messergürltel unter meinem Bett hervor und schlich wieder zur Tür zurück. Gerade als meine Finger den Türgriff berührten, hörte ich Emiras Flüstern hinter mir.

"Allie? Wo gehst du hin?" Ich erstarrte.

"Ähm.. Ich gehe kurz frische Luft schnappen. Mir gehts grade nicht so gut. Tut mir leid dass ich dich geweckt habe."

"Du hast mich nicht geweckt.", antwortete meine Schwester.

"Kannst du nicht schlafen?"

"Nein." Darauf folgte eine lange Pause des Schweigens. Irgendwann sagte Em: "Wann kommst du wieder?"

Ich versuchte sie durch die Dunkelheit hinweg anzulächeln.
"Ich bin bald wieder da. Aber warte nicht auf mich."

"Okay. Gute Nacht.", flüsterte sie.

"Gute Nacht." Hastig verließ ich das Zimmer und schloss die Tür hinter mir. Innerlich hoffte ich inständig, dass sie die Messer um meine Taille nicht bemerkt hatt.

Ich ging nach draußen und schlich vorsichtig hinüber zum Wald. Jedes Mal wenn ich dieses Bungalow nachts verließ, tat es mir von Neuem leid.
Es tat mir leid, Em anzulügen. Maggy anzulügen. Brooke anzulügen. Alle, die mir jemals wirklich vertraut hatten. Aber ich musste einfach. Der Wald gehörte nun irgendwie zu meinem Leben, hier in Vrængard.

Die kühle Luft tat gut, wie sie um meine Haare wehte. Man merkte nun eindeutig, dass der Sommer sich zurück zog. Überall hatten sich die Blätter bunt gefärbt und säumten nun den gesamten Waldboden.
Trotz der Tatsache, dass es schon weit nach Mitternacht war und von der Sonne nichts mehr zu sehen, schienen die Sterne so stark, dass das nasse Laub der Bäume von überall um mich herum hell glitzerte. Stellen, die sonst von der Dunkelheit verschluckt werden würden, glänzten nun farbenfroh. Der Anblick war so faszinierend, dass ich einen kurzen Moment alles vergaß und mich einfach nur umschaute.

Ein Rascheln hinter mir holte mich zurück in die Realität. Ich wirbelte herum und zückte aus Reflex mein Messer. Doch alles was ich sah war ein verlassender Wald, der keine Anzeichen von Leben erweckte... Ich atmete erleichtert aus und lies mein Messer zurück in den Gürtel gleiten.
Nach einem kurzen Moment des Wartens machte ich mich auf den Weg zu meinem eigentlichen Ziel.

Die kleine Lichtung sah aus wie immer. Nur eines fehlte. Und das war Liam. Ohne ihn war unser Treffpunkt nur ein kleiner Fleck in einem sonst so großen Wald.
Enttäuschung machte sich in mir breit. Ich wusste, dass alles anders werden würde nach letztem Abend. Aber irgendwie hatte ich insgeheim gehofft, ihn hier anzutreffen. Dass er wie üblich an den Baum gelehnt da stand und mich mit einem schiefen Grinsen musterte.
Müde taumelte ich auf einen kniehohen Stein zu und ließ mich darauf fallen. Ich stützte die Ellenbogen auf die Knie, vergrub das Gesicht in den Händen und schloss die Augen.

Wie sehr wollte ich wieder nach Hause.

Aber es gab kein zu Hause mehr.

Und das würde es auch nie mehr geben.

Auf einmal wurde mir eine Sache ganz deutlich bewusst.

Ich hasste Lucius für alles. Und ich würde mein Leben dafür einsetzen, ihn zu stürzen.

Für meine Eltern, für Brookes Familie, für alle Verstorbenen und für alle Mavericks. Und für Liam.

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Liam's POV

Die Sonne war gerade am Untergehen, als ich mir meinen Bogen über die Schulter legte und den Wald verließ. Ich hatte heute mehr als ausreichend gearbeitet. Träge brachte ich die tägliche Beute zum Markt und ging dann zu meinem Haus. Auf dem Weg erhaschte ich einen kurzen Blick auf das Hängemattenlager, wo ich sie sitzen sah. Ihre Locken fielen wirr auf ihre zarten Schultern herab. Sie sah glücklich aus, wie sie dort mit ihrer Freundin saß und kicherte. Doch ich kannte Allie gut genug um ihre tiefen Augenringe und die Falten auf ihrer Stirn zu erkennen. Irgendwie versetzte es mir einen Stich sie so zu sehen und nicht für sie da sein zu können. Die Müdigkeit und die Trauer in ihrem Blick waren nicht zu übersehen und ich konnte es nachvollziehen. Mir ging es genauso.
Ich beschleunigte meine Schritte und versuchte, mich nicht noch einmal zu ihr umzudrehen.

Als ich das Haus das nächste Mal verließ, war es Mitternacht. Ich streifte mir meine dickste Jacke über, zog Jagdschuhe an und lief in den Wald. Nach nicht einmal der Hälfte des Weges bemerkt ich einige Meter neben mir einen Schatten, der ebenfalls in den Wald schlich und sich in den Tiefen versteckte. Neugierig ging ich einige Meter in diese Richtung.
Die Person hatte es anscheinend nicht wirklich darauf abgesehen, unbemerkt zu bleiben, da sie einfach mitten auf ihrem Weg stehen blieb und sich umschaute.
Die Erkenntnis traf mit einem Schlag. Das war nicht irgendeine Person. Es war Allie. Unwillkürlich machte ich einen Schritt auf sie zu, wobei ich auf einen Ast trat, der unter meinem Gewicht zerbrach. Erschrocken sprang ich hinter einen Baum. Genau rechtzeitig, denn Alison hatte sich innerhalb von Millisekunden herumgedreht, das Messer gezückt.
Eine Welle von Stolz erfasste mich. Sie stand genau so, wie ich es ihr beigebracht hatte. Ihre großen Augen huschten aufmerksam hin und her. Ich hielt die Luft an. Mein Herz hämmerte so laut, dass ich Angst hatte, sie könne es ebenfalls hören.

Doch das tat sie nicht. Einige Sekunden später steckte sie ihr Messer wieder in den Gürtel und lief weiter, diesmal ein wenig aufmerksamer. Ich wusste sofort was ihr Ziel war und es überraschte mich. Irgendwie hatte ich gedacht, dass es seit letzter Nacht vorbei war mit den Treffen. Vielleicht hatte ich es auch einfach nur gehofft.

Die Enttäuschung stand Allie ins Gesicht geschrieben, als sie die Lichtung leer vorfand. Ich hockte mich hinter ein Gebüsch und beobachtete sie. Sie lies sich auf einen Stein gleiten. In ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der mich nach hinten taumeln lies. Ihre Augen glänzten in der Dunkelheit auf und ich wusste sofort, dass es Tränen waren, die sich in ihnen angesammelt hatten. Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, voller Verzweiflung und Trauer. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand eine Klinge in die Brust gerammt, genau da, wo sich eigentlich mal ein Herz befand.

Allie vergrub ihr Gesicht in den Händen und schluchzte laut auf. Es kostete mich all meine Kraft, nicht zu ihr zu gehen und sie in die Arme zu nehmen. Meine Finger gruben sich in die feuchte erde, so tief, dass es weh tat.

Doch nichts, aber auch gar nichts, konnte man mit dem Schmerz vergleichen, den ich in diesem Augenblick empfand. Und den sie empfand.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 16, 2016 ⏰

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The Mavericks - Zone 5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt