Kapitel 1 ~ Eltern #3

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„Messerwerfen ist nach wie vor eine ganz entsetzliche Idee. Wir wollten Tote vermeiden und sie nicht heraufbeschwören!" Ich warf Zoey einen bösen Blick zu, bevor sie reden konnte: „Und nein, Fallschirmspringen kommt auch nicht in Frage. Ich dachte wirklich, wir hätten uns inzwischen darauf geeinigt, niemanden in Lebensgefahr zu bringen."

„Tun wir doch auch gar nicht. Fallschirmspringen ist gar nicht so gefährlich, wie du tust. Dabei würde bestimmt keiner umkommen." Misstrauisch sah ich sie an; sie war keine schlechte Schauspielerin, aber ihre Rolle war so dermaßen überzogen, dass sie absolut niemanden damit hätte überzeugen können. Trotzdem spielte ich mit, was sollte ich denn sonst auch anderes tun? Aber jetzt hatte sie etwas gesagt, dass meine Aufmerksamkeit weckte.

„Hast du nicht Höhenangst? Und werfen kannst du doch auch nicht! Du willst mich doch von irgendetwas ablenken." Sie lief rot an und schüttelte viel zu schnell den Kopf. Ich sprang vom Bett auf und deutete mit dem Finger auf sie, während ich mehrmals schrie: „Erwischt!" Zoey machte sich klein, aber ihr ertappter Gesichtsausdruck entging mir trotzdem nicht. Ja, Cocos Kusswerkstatt war unschlagbar!

„Jetzt musst du mir aber auch sagen, was du vor mir geheim hältst. So läuft dieses Spiel." „Muss das wirklich sein?", fragte sie gequält. „Gib mir wenigstens einen Tipp." Zögernd erstarb ihr Widerstand. „Also gut. Du weißt ja, dass wir demnächst in den Urlaub fahren." Allerdings wusste ich das, wie sollte ich das auch vergessen können, wenn sie mich so gut wie jeden Tag darin erinnerte? Ich wartete darauf, dass sie fortfuhr. „Ähm ja, also, wie soll ich das jetzt sagen? Hm, es ist so..."

Sie wand sich richtig unter meinen Blicken. Fast hätte es mir leidgetan, aber dann war ich wiederum viel zu neugierig, um sie jetzt zum Schweigen zu bringen. „Du wirst jetzt lachen, aber... Also... Ich hab ja sonst keine Geheimnisse vor dir... Nun ja, weißt du... Cale kommt, also vielleicht, wobei eigentlich ganz sicher... Es ist so, Cale hat sich ganz vielleicht ein Zimmer in unserem Hotel gemietet..."

Das Gestotter am Anfang war nicht sonderlich erleuchtend, aber gegen Ende hin waren tatsächlich eine Informationen versteckt. „Das bedeutet also, das Kennenlernen zwischen deinen Eltern und Cale wird zwei Wochen lang dauern und wenn es nicht gut läuft, können sie sich nicht aus dem Weg gehen? Ja, Zoey, das klingt nach etwas, das du mir etwas früher hättest erzählen können. Wissen sie es schon?"

Aber was fragte ich denn überhaupt? Natürlich wussten sie es nicht. „Ähm", kam es nur von Zoey. Ich atmete tief durch. Das war eine ziemliche Katastrophe. „Okay, sie wissen noch nichts von ihrem Glück. Und Cale ist sich sicher, dass er weiß, worauf er sich da einlässt? Ich will damit ja nur sagen, dass es zu bösem Schweigen am Esstisch kommen kann. Man Zoey, schau nicht so entsetzt! Es wird schon alles gut gehen. Du kennst doch Cale, er kommt mit jedem Problem klar.

Außerdem hilft es uns jetzt auch nicht weiter, dass du aussiehst, als hätte dir ein tollwütiger Zwerg in den Hintern gebissen." Darüber musste sie lachen und ich war ehrlich erleichtert, dass sie nicht mehr so verstört aussah. Es dauerte allerdings nicht sehr lange, bis sie wieder ernst wurde. „Das könnte uns allen die Ferien ruinieren."

Ich zuckte mit den Schultern: „Und wenn schon. Ich glaube besser unterhalten könnten wir nicht sein. Jetzt mach nicht so ein Drama draus, das wird sicher halb so wild." Sie stöhnte auf: „Schlimm genug!" Dann setzte sie sich ruckartig auf, als wäre ihr plötzlich etwas eingefallen. Ich hoffte, es wären nicht noch mehr Dinge, die sie bisher vor mir geheim gehalten hatte.

„Tut mir leid, dass es schon wieder um Cale geht. Das sollte ein Mädelstag werden und ich schaffe es trotzdem, nur über ihn zu reden." „Mädchen reden eben über Jungs, das macht einen Mädelstag aus. Mach dir da mal keine Gedanken." Ich sah ihr an, dass sie es trotzdem tat. „Würdest du dich besser fühlen, wenn wir ein bisschen über Jason reden würden?", hakte ich ergeben nach.

Sie verzog das Gesicht: „Um ehrlich zu sein, wahrscheinlich nicht. Es ist total komisch, über ihn als deinen möglichen Freund zu reden. Vor allem weil er ein riesen Idiot ist." „Ja, und deshalb bin ich dir umso dankbarer, dass du das Thema trotzdem andauernd mit mir durchkaust. Aber jetzt sollten wir uns wieder auf das aktuelle Problem fokussieren. Wir brauchen auch noch einen Namen für die Operation." Damit brachte ich ihre Augen zum Leuchten. Zoey war eine Abenteurerin und man konnte sie mit nichts mehr begeistern, als einer Aufgabe.

Deshalb war sie auch so intelligent. Jede Frage war sie eine Aufgabe, die es zu lösen gab und wenn man dem ganzen einen Namen gab, weckte das sowieso sofort ihren Ehrgeiz. „Operation LZNH. Lebendig zurück nach Hause." Das war zwar ein Zungenbrecher (um ganz ehrlich zu sein, ließ es sich überhaupt nicht aussprechen), aber ich hatte auch keine besseren Ideen. Also stimmte ich zu. „Okay, jetzt hätten wir einen Namen, fehlt nur noch der unfehlbare Plan, den wir uns ausdenken müssen."

Ich schnappte mir Stift und Papier und schmiss mich auf Zoeys Schreibtischstuhl. Wie alles in ihrem Zimmer war auch der Schreibtisch in penible Ordnung gebracht. Meine Eltern wären froh, wenn es bei mir auch nur ein einziges Mal so aussehen würde. Tat es zum Glück nicht, sonst wäre es ja langweilig. „Wie lange haben wir noch Zeit?", fragte ich sie. Neben ihrer Intelligenz verfügte Zoey außerdem noch über das Gedächtnis eines Elefanten.

„Zwölf Tage, Jasons Geburtstag nicht eingerechnet." Ich bekam fast einen Herzinfarkt. Wie hatte ich das denn vergessen können? Für einen Moment wog ich ab, wie gut ich vortäuschen konnte, dass ich es nicht vergessen hatte, aber das hätte auch nichts gebracht. „Okay, dann haben wir elf Tage. Ich muss noch ein Geschenk kaufen." „Es war so klar, dass du es vergisst", lachte Zoey, „Cale schuldet mir 20 Mäuse." „Ihr habt darüber gewettet?", fragte ich fassungslos.

Bei den beiden musste man ja wirklich mit allem rechnen. Die Brünette zuckte mit den Schultern: „Was denkst du denn, was wir den lieben langen Tag so treiben, wenn du nicht dabei bist? Wir müssen uns schließlich auch über etwas unterhalten." Das klang ja ganz so, als würden sie öfter über mich sprechen. Hoffentlich lästerten sie wenigstens nicht.

„Wie wär's denn, wenn ihr euch über euch unterhalten würdet?" Sie winkte ab, als wäre das eine ganz dumme Idee: „Langweilig. Haben wir alles schon. Aber es ist viel witziger über andere Menschen zu reden. Wir haben einen ganzen Haufen Wetten am Laufen. Zum Glück lässt er mich so oft gewinnen, sonst wäre ich schon längst pleite. Und falls du jetzt denkst, dass ich ihn ausbeute: das stimmt nicht, ich jubel ihm das Geld immer heimlich unter. Ich glaub ja, dass ich der einzige Mensch bin, der einen Geldbeutel klaut um Geld reinzutun, statt andersrum. Jetzt bist du es, die aussieht, als hätte ein tollwütiger Zwerg sie in den Hintern gebissen. Sowas vergesse ich nicht, meine Liebe."

Ich stütze mich mit dem Ellenbogen auf der Tischplatte ab und legte den Kopf in die Hand. Er kam mir plötzlich zu schwer vor, um ihn gehoben zu lassen. Das mit Cocos Kusswerkstatt sollte ich mir wohl nochmal gründlich überlegen.

My heart is on vacationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt