Kapitel 5 ~ Sowas passiert immer nur anderen #2

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„Hey! Lass das", rief ich wurde noch im selben Moment aus dem Wasser gehoben. Zum Glück war man zumindest im Wasser nicht ganz so schwer. Aber jetzt, wo ich bis zu den Knien raus stand, profitierte ich nicht mehr wirklich davon.

Es war gar nicht so leicht, in der Luft zu balancieren, und so kippte ich auch schon Sekunden später rückwärts in den Pool zurück. Mit beiden Armen schob ich das Wasser vor mir her und spritzte es Jason ins Gesicht. „Nimm das!"

Die Tropfen schienen ihm nicht allzu viel anzuhaben, deshalb bekam ich auch schon bald die doppelte Ladung zurück. Das war so gemein! Ich hatte nicht den Hauch einer Chance, gegen ihn anzukommen, dabei strengte ich mich doch schon an.

Es war wirklich aussichtslos für mich, gegen ihn in einer von ihm angezettelten Wasserschlacht zu gewinnen. Also gab ich auf und dann hatte er auch keinen Grund mehr, mich weiter zu attackieren. Endlich konnte ich wieder atmen, ohne direkt Wasser in die Lungen zu bekommen. Früher hatte ich total gerne Zeit in Pools verbracht und Meerjungfrau gespielt, und ich würde es heute noch tun, wenn es nicht so peinlich wäre.

„Guck, so kalt war das Wasser doch jetzt gar nicht." Finster sah ich ihn an: „Erinner mich halt noch dran." „Ja, mach ich." Fröhlich paddelte er auf dem Rücken weiter. Manchmal war er einfach unglaublich. In dieser Hinsicht war er Zoey gar nicht mal so unähnlich, schließlich hatten beide ihre Macken. Dabei war Zoey eher das teuflische Genie, auch wenn man ihr das auf den ersten Blick gar nicht zutraute. Man vergaß oft, dass die Leute in ihrem Inneren fast nie so waren, wie sie von außen schienen.

Ich bildete da keine Ausnahme, schließlich war ich ein Teenager und die sind ja bekanntlich die Allerschlimmsten. Jetzt, wo er mich daran erinnert hatte, war mir tatsächlich wieder bewusst geworden, wie kalt es war. Vielleicht war es auch bloße Einbildung, aber jetzt fror ich und davon war ich ganz und gar nicht begeistert. „Ich geh dann mal lieber wieder raus", murmelte ich und schwamm in Richtung Beckenrand.

Gerade als ich schon fast nicht mehr damit rechnete, rief Jason mir nach: „Warte! Ich komm mit." Geduldig wartete ich auf ihn, nur um ihn nochmal rein zu schubsen, als er endlich draußen war. „Und du wunderst dich, wenn ich dich in den Pool werfe. Das hattest du verdient." „Vielleicht", gab ich zu, „aber du mindestens genauso sehr."

Wir waren beide klatschnass, aber es war so warm an der Luft, dass Jason es nicht für nötig hielt, sich abzutrocknen. Ich hatte ihn schon darüber informiert, dass ich ihn vorgewarnt hatte, falls er krank werden würde, aber er lachte nur darüber. Gemeinsam gingen wir an die Bar und holten uns etwas zu trinken, danach setzen wir uns auf eine nahegelegene Mauer.

Sie war zwar nur etwa eineinhalb Meter hoch, aber trotzdem hatte man von hier einen guten Blick auf den Strand. Der weiße Sand war dichtbesiedelt von kleinen und großen Familien, die laut miteinander redeten. Hier, etwa fünfzig Meter vom eigentlichen Geschehen entfernt, hörte man allerdings nur Wortfetzen. „Hab ich dir eigentlich je von meinem Plan erzählt, eine Werkstatt für gebrochene Herzen aufzumachen?", fragte ich in die Stille hinein.

Ich wollte unbedingt mit ihm reden, weil das Schweigen scheinbar endlos auf meinen Schultern lastete. Während wir tranken, war es zwar eigentlich logisch, dass wir nicht sprechen konnten, aber ich mochte das Gefühl trotzdem nicht. Ich hörte, wie er lachte: „Nein, aber es klingt auf jeden Fall sehr ehrenwert." „Nicht wahr?" Da war die Stille wieder.

Mein Vorhaben, eine Konversation in Gang zu bringen, war schon auf den ersten Metern gescheitert. An meiner heißen Schokolade nippend, fuhr ich fort: „Ich wollte sie Cocos Kusswerkstatt nennen." Im Nachhinein war es eine ziemlich peinliche Idee, aber ich fand sie trotzdem cool. Ich hatte schon als Kind nie einen Berufswunsch äußern können. Während also alle Mädchen Prinzessin, Tierärztin und sonst was werden wollten, hatte ich überhaupt keine Vorstellungen von meiner Zukunft.

Da war es wahrscheinlich vorprogrammiert gewesen, das ich früher oder später auf diese dämliche Idee kommen musste. „Irgendwie ist das ziemlich süß", gab Jason zu. „Ich find's immer noch genial." Dafür erntete ich noch einen Lacher von ihm. „Du bist beides." Ich hielt für einen Moment inne und fürchtete, ich würde mich gleich an meiner eigenen Spucke verschlucken. Zum Glück hatte ich den warmen Kaba schon runtergeschluckt.

Hatte er das wirklich gesagt? Oh Gott, ich glaub ich hyperventilier gleich! Und mein Herz schien sich nicht entscheiden zu können, ob es schneller oder gar nicht mehr schlagen wollte. Dann beschloss ich, dass es wohl doch besser wäre, sich einfach zu verschlucken. Noch im selben Moment fing ich an zu husten, mein Mund unattraktiv offen und ich nahe dem Tod. Vielleicht war das eine dieser Situationen, über die man Jahre später lachen konnte.

Jetzt im Moment war mir allerdings zum Heulen zumute. Da bekam ich endlich mal ein Kompliment von ihm, auf das ich eine meiner gut überlegten coolen Antworten geben konnte und dann ruinierte ich es. Jason schlug mir ein paar Mal auf den Rücken und die Wucht katapultierte mich von der Mauer. Zum Glück war sie nur eineinhalb Meter hoch, sonst hätte ich mir jetzt auch noch die Beine gebrochen.

Mein Blick war tränenverschleiert und ich hustete ohne Unterlass, deshalb war die Landung eher unsicher. Fast wäre ich auf dem Hintern gelandet, aber in diesem Moment beschloss Jason, mir zu Hilfe zu kommen. Um ein Haar wäre er auf meinem Fuß gelandet, aber das spielte jetzt auch keine Rolle mehr. Er schlug mir noch ein paar Mal auf den Rücken, bevor ich mich wieder gefasst hatte.

Zum Glück machte er sich nicht darüber lustig, dass ich gerade fast gestorben wäre. Stattdessen lehnte er sich gegen die Wand zu unserer Linken. Leider sah es ziemlich lässig aus, während ich außer Atem und bestimmt total rot im Gesicht war. Ich konnte mir Schöneres vorstellen. „Also, wie war das mit Cocos Kusswerkstatt?"

„Es sollte eine Paarberatungsstelle werden", murmelte ich. „Sowas wie die Nummer gegen Kummer in cool." Grinsend musterte er mich: „Und auf welche Erfahrungen kannst du in diesem Bereich zurückgreifen?" Augenblicklich lief ich tiefrot an und stotterte herum, als hätte ich vergessen, wie man redete. Na super, mal wieder eine Gelegenheit genutzt, um sich zum Affen zu machen.

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