Prolog ~ Sicherheit

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Meine Finger zitterten unkontrollierbar. Ich hatte das Gefühl, ich müsste auf dem Boden zerbrechen, wenn ich auch nur einen falschen Schritt machte. Entsetzliche Hilflosigkeit versuchte mich zu betäuben. Alles in mir fror und zog sich bei dem Gedanken, was gerade passiert war, zusammen. Ich ekelte mich vor mir selbst, dabei hatte ich gar nichts getan. Obwohl ich in Tränen ausbrechen wollte, hielt ich mich unsicher auf den Beinen. Ich musste hier weg, so schnell es nur ging.

Die Unsicherheit schien mich zu erdrücken, aber ich wehrte mich mit aller Kraft dagegen. Mit geballten Fäusten schleppte ich mich die Treppe hinauf. Bei dem kleinsten Geräusch schreckte ich zusammen. Womit hatte ich das nur verdient? Was hatte ich getan, dass ausgerechnet mir so etwas passierte? Warum war ich alleine gewesen, als es passierte?

Mir war kalt. Dabei war die nächtliche Luft lau und angenehm warm. Trotzdem konnte ich an nichts anderes denken, als daran, wie sehr ich einfach nur in Tränen ausbrechen wollte. Vielleicht dramatisierte ich es zu sehr, aber ich konnte nicht anders. Mir war noch nie etwas passiert, dass auch nur ansatzweise so beängstigend gewesen war.

Ich spürte, wie Tränen in meinen Augen aufstiegen. Mein Ziel war Jasons Zimmer. Trotz allem was gerade passiert war, wollte ich die Nacht für Zoey und Cale nicht ruinieren. Aber ich konnte jetzt auch nicht alleine sein, und Jason war der einzige, dem ich mal abgesehen von den beiden, davon erzählen konnte.

Mein Klopfen war leise und zaghaft, aber ich traute mich nicht, mehr Kraft anzuwenden. „Bitte mach auf", flüsterte ich völlig fertig. Das Licht auf dem Gang war gedimmt, kein Wunder, immerhin war es spät. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Was wäre passiert, wenn ich noch rechtzeitig aus der ganzen Sache rausgekommen wäre? Eine nasskalte Träne lief meine Wange hinunter.

Ich hatte nicht einmal den Mut, sie wegzuwischen. Als ein halbnackter, verschlafener Jason mir die Tür öffnete, konnte ich nicht einmal ein Lächeln zustande bringen. Er runzelte die Stirn und alles was ich wollte, war eine Umarmung, in der ich mich sicher fühlen konnte.

„Cora, weinst du?" Plötzlich wirkte er gar nicht mehr so müde. Ich nickte verzweifelt, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Wie sollte ich ihm auch erklären, was passiert war? Ich schämte mich doch selbst dafür. Er trat auf den Gang, nahm meine Hände und zog mich hinter sich in das Zimmer. „Du zitterst ja auch", stellte er fest.

Einige Sekunden später legte er mir eine Decke um die Schulter, die noch warm war. Jetzt wo ich nicht mehr draußen war, wurde ich augenblicklich ein wenig ruhiger. Das Gefühl in meinem Magen verschwand zwar nicht, aber das wäre auch zu viel verlangt. Jason setzte sich gegenüber von mir auf das Bett. Mit dem Daumen strich er mir eine Weile lang schweigend über den Handrücken.

Mein Atem ebnete sich allmählich. „Was ist passiert?", fragte er mich schließlich vorsichtig. Ich war noch nicht in der Lage, darüber zu sprechen, aber ich brauchte die Umarmung so dringend, dass ich unter der Decke hervorkroch und meine Arme um ihn schlang. Einige Sekunden lang war er zu überrascht, um sie zu erwidern, aber als er es tat, fühlte ich mich um einiges besser.

Sein gleichmäßiger Atem beruhigte mich gleichermaßen wie seine Nähe. Ich konnte wieder einigermaßen klar denken. Seine Stimme klang sorgenvoll, als er mich abermals danach fragte, was vorgefallen war. Es dauerte noch einige Minuten, bis ich mich soweit wieder gefangen hatte, um ihm davon zu berichten. Meine Stimme zitterte noch immer, genau wie meine Finger, aber es wurde besser.

Vorsichtig, und ohne jegliche Details begann ich ihm davon zu erzählen, was vor nicht allzu langer Zeit passiert war. Mitten in meiner Erzählung fing ich an, noch schlimmer zu zittern, aber wenigstens brach ich nicht in Tränen aus. Erst als ich fertig war, konnte ich mich nicht mehr zusammenreißen. In Jasons Armen brach ich komplett zusammen.

My heart is on vacationWo Geschichten leben. Entdecke jetzt