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Auf dem Weg zur Schule treffe ich Felizitas, meine beste und einzige Freundin. Ich würde gern was in der Art sagen wie: "Wir waren wie Seelenverwandte und konnten uns immer alles erzählen." Wirklich. Aber das wäre gelogen. Klar verstanden wir uns richtig gut und machten viel zusammen, aber ich habe ihr nie von meiner Fähigkeit, Gedanken lesen zu können, erzählt. Ich wollte nicht, dass sie sich in meiner Gegenwart unwohl fühlt. Auch wenn sie mich nicht weniger mögen würde als vorher und so habe ich manchmal das Gefühl, sie zu belügen. Ich würde gern mit ihr darüber sprechen. Irgendwann.

Man hört schon von Weitem die vielen lauten Schüler. Ihre Gedanken werden noch viel lauter sein und wenn man nicht darin ersticken will, sollte man versuchen, alles wie durch warme, flauschige Ohrenschützer zu hören. Das macht das Leben um vieles leichter und bevor ich diesen Kniff raus hatte, musste ich regelmäßig wegen Migräne zu Hause bleiben. Ok, tief durchatmen, es geht los.
Jeden Tag das selbe Spiel wieder. Juhuu.

In der ersten Stunde am Montag haben wir Mathe. Auch wenn ich alle Lösungen aus dem Kopf des Mathelehrers kopieren könnte (Was eine, zugegebenermaßen, recht verlockende Vorstellung ist, da er der Meinung ist, alles was er erzählt ist sowieso für die Katz und die Schüler allesamt Idioten sind.), besteht meine Erfolgsplanung eher darin, immer nur oberer Durchschnitt zu sein und nicht übermäßig aufzufallen.
Aber sicher langweilt euch das (Mal ehrlich, wie spannend kann eine Mathestunde Montag Morgen schon sein?) und deshalb springen wir einfach zur Pause.
Pausen sind ein weiteres Horrorkapitel meiner Schullaufbahn. Ihr wisst ja noch nicht, was für ein unglaublicher Schussel ich bin. Oder auch einfach die Ausnahme der Schwerkraft.
Diese Pause jedoch sollte besonders... nun ja, wie man's nimmt. Meine Erfolgsplanung ist jedenfalls im Eimer. Es ist schon traurig zu sehen, wie jahrelange Arbeit den Bach runter geht. So viel dazu.

Erleichtert packe ich meine Sachen und sprintete zusammen mit Feliz zur Tür raus. Erleichtert stürme ich auf den Pausenhof und versuche erst mal tief durchzuatmen, bevor er gleich von Schülern überschwemmt wird. Die ersten treten schon auf den Schulhof hinaus und halten ihre Gesichter in die letzte Sommersonne.
Was sich so gewöhnlich anhört, war es jedoch nicht für mich, denn jemand rief:"Pensy!"
Ich zuckte zusammen. Für euch ist so was wahrscheinlich nicht verwunderlich, für mich schon. Ich werde immer nur ignoriert und war mir nicht einmal sicher, ob mein Name überhaupt bekannt ist. Erschrocken drehe ich mich um.
"So heißt du doch, oder?"
Ich nicke nur. Vor mir steht ein Junge mit hellbraun gelockten Haaren, der mich abwartend ansieht. Finnian heißt er, glaub ich. "Du hast dein Buch vergessen." Da die Situation für mich so ungewohnt ist, schweige ich weiter. Mir ist klar, dass ich jetzt etwas sagen sollte, am besten was Cooles, Lässiges oder Lustiges. Aber mir fällt beim besten Willen nicht ein, was. Manchmal könnte ich mich selbst... ich weiß, auf einer Skala des Dämlichkeitsgrades von 1-10 bin ich mindestens bei 11.
"Ich dachte, das brauchst du vielleicht noch."
"Danke,"bringe ich raus und weiß, dass ich es später bereuen werde, nicht mehr gesagt zu haben. Dabei sieht er eigentlich nett aus. Vielleicht, an einem anderen Ort zu einem anderen Zeitpunkt, hätten wir sogar Freunde sein können.
Doch er geht nicht. Er steht
einfach nur da. Doch als ich versuche einen Blick in seine Gedanken zu werfen, geht es schon wieder los. Gerade will er etwas sagen, ich schaffe es noch verzweifelt "Oh nein, bitte nicht jetzt!" zu denken, da wird mir auch schon schwindelig. Und zu meinem Leidwesen blieb es diesmal nicht nur bei Schwindel. Ich merke wie sich alles beginnt immer schneller zu drehen. Mir wird ganz schlecht und mir ist klar, dass es ziemlich bescheuert aussehen muss, als ich auch noch zu taumeln beginne. Alles dreht sich jetzt rasant schnell und ich merke, dass ich nicht mehr ganz klar im Kopf bin. Schon verdecken einzelne schwarze Flecken meine Sicht und das Letzte, was ich sehe, ist der seltsame Ausdruck auf Finnians Gesicht und der Blick, den er mir zu wirft.
Er sollte sich für lange Zeit in mein Gedächtnis brennen.

Jep, ihr habt ganz richtig gelesen.
Ich fiel in Ohnmacht, wurde von einem epileptischen Anfall gepackt, von einer plötzlichen und mindestens tötlichen Krankheit ereilt. Sucht euch das beste Gerücht raus.
Und das vor den Augen der ganzen Schule.
Die Hoffnung, jemals wieder auch nur mit Finnian zu sprechen, konnte ich wohl knicken.
Aber wenn ihr die Wahrheit wissen wollt: hier stimmte etwas ganz und gar nicht. Das war schon das zweite mal, dass etwas vollkommen Unberechenbares und nebenbei bemerkt Unmögliches passierte.
Die Frage war: Als was würde es sich entpuppen?
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Hi!
Ich würde mich wahnsinnig über ein paar Kommentare freuen, damit ich mich verbessern kann. Danke!

Reader [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt