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Wartend stand ich vor der großen Doppeltür, die zur Bibliothek führte.
Finnian war schon seit einer halben Stunde da drin bei seinem Vater, doch lauschen brachte rein gar nichts. Das hatte ich schon versucht, aber durch diese Tür drang kein Laut.
Die Halle, in der ich leider stand, war eiskalt und eine Heizung hatten sie hier anscheinend nicht.
Mister Oberschlau war der Meinung, er wollte das lieber allein klären. War ja klar.
Was war so schwer daran, einen Plan zu erläutern?
Mir wurde jedenfalls langsam kalt, außerdem war es hier unheimlich.
Das nervös Tippen meines Fußes hallte laut von den Wänden wider. Ich tippte weiter auf die Mamorfließen, die auch sofort blicklos zurück starrten.
"Was guckt ihr so?"
Oh mann, jetzt redete ich schon mit dem Fußboden, langsam reichte es.
Immer muss man alles selber machen!
Und deshalb geh' ich jetzt auch da rein, egal welche Meinung wer auch immer dazu hatte.

Die Tür schwang mit lautem Knirschen auf.
Und ich wurde von ca. drei dutzend überraschten Augenpaaren angesehen.
Wie war hier eine ganze Versammlung von Protectoren (wie ich zumindest vermutete)
reingekommen, hinter meinem Rücken?
Wie Gastfreundlich, ich schloss diese Leute immer mehr ins Herz.
Finnian sah mich nur mit einem "kannst-du-nicht-einmal-machen-was-ich-sage"-Blick an und versuchte verzweifelt einen fünf Meter langen Tisch hinter seinem Rücken zu verstecken.
Was ihm nebenbei bemerkt nicht besonders gut gelang.
Interessiert trat ich näher, Finnian schüttelte energisch den Kopf und versuchte mir mit Blicken und "unauffälligem Armgefuchtel" etwas zu verdeutlichen.
Doch ich lächelte nur nett in die Runde, so was konnte nie schaden und trat hinter ihn.

Da lag eine Karte... mit Markierungen... In meinem Kopf fing es an zu rattern.
Eine Karte... eine Karte...
Und schließlich machte es klick.
"Ihr habt keine Ahnung, wo das Hauptquartier liegt, oder?"
Meine Gabe wandte ich lieber nicht an, denn von Störungen hatte ich echt genug.
Alle Anwesenden sahen mich betreten an.
Wie sagt man so schön?
Ein Blick sagt mehr als tausend Worte. Und ich hatte ein Problem mehr.
Schließlich begannen alle zu raunen"Ist sie das?" "Wer?" "Na du weißt schon, sie..."
Irgendetwas war mir anscheinend entgangen, oder alle hier waren extrem unhöflich.
Und kam nur mir das so vor, oder war die ganze Atmosphäre hier irgendwie seltsam, nahezu unnatürlich?
Ich hatte das Gefühl, als würde ich nur mit mir selbst reden, während die anderen auch mit jedem redeten, nur eben nicht mit mir.
"Nein, ist sie nicht. Wenn ihr uns bitte entschuldigen würdet, Gentleman" Finnian verbeugte sich kurz und zog mich hinter sich her durch die nächstgelegene Tür.
Das war zumindest der Plan, nur bedachte er nicht, das ich neben ihm lief und damit war sein Plan zum scheitern verurteilt.

Die Tür war leider Gottes nur halb so groß wie er und so stieß ich mir erst den Kopf am Türrahmen und fiel anschließend über die Schwelle.
So viel zu schnellem Abgang. Haha.

Hinter der Tür lehnte er sich erschöpft mit geschlossenen Augen an die Wand.
"Hab ich was falsch gemacht?"
"Ja."
"Du sagst mir nicht zufälligerweise auch was?"
"Nein. Denk nach."
"Vielleicht... war das mit dem rein kommen doch keine so gute Idee...?"
Ein Schnauben war die Antwort.
"Ok, ich geb zu, es... es war nicht der beste Plan. "
"Mmh."
"Und...?" Ihm musste man aber auch alles aus der Nase ziehen.
"Wahrscheinlich haben wir einen Verräter unter uns, den wir übrigens gerade enttarnen wollten. Durch einen Plan, welcher seit einem halben Jahr läuft. Dann kamst du.
Nicht nur der Plan, für den wir uns ein halbes Jahr verstellt haben, ist schief gelaufen, sondern er weiß jetzt auch sicher, dass du bei uns bist."
"Und das heißt?" Mir schwante nichts Gutes.
"Das heißt, dass nun unser Hauptquartier von ihnen gestürmt wird, nicht anders herum."
"Oh."
Obwohl...
"Ist es nicht gut, wenn sie zu uns kommen? So müssen wir nicht mehr nach dem Hauptsitz suchen. Das wär die Stecknadel im Heuhaufen und so können wir vielleicht einen von ihnen gefangen nehmen. Vielleicht plaudert er was Nützliches aus. Vielleicht, wenn wir es richtig anstellen, können wir diese Situation zu unserem Vorteil nutzen."
"Ziemlich viele Vielleichts. Aber besser als nichts."
Und damit öffnete er die Augen.
"Los, wir haben viel zu tun, also steh da nicht so verdattert in der Gegend rum.
Du bist der Köder. Lern endlich dich anständig selbst zu verteidigen."
Er stieß er sich von der Wand ab und marschierte ins Dunkel, ich hinterher.

Ich, mit einem Lächeln im Gesicht, denn er hatte zum ersten mal das Wort "wir" in einem Satz verwendet, ohne es abschätzig oder widerwillig zu meinen.

Reader [PAUSIERT]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt