Kapitel 10

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"Ich hab ein paar Dinge von zu Hause mitgebracht" sagte Julia und stellte ein große Reisetasche ans Fußende des Bettes. "Ich hab deinen IPod hier, dein Lieblings- und Notizbuch und ein paar Fotos", sagt sie mit einem Lächeln und legt die Sachen auf den Tisch vor mir. Ich bin verblüfft. Da liegt ein weißer Ipod mit Kopfhörer, um die Baumwollfäden geknüpft wurden. Daneben ein schwarzes, ausgeleihertes Buch auf dem kein Titel steht und ein dickes Ringbuch auf dem viele, kleine Zettel mit Zitaten kleben. Ich lese Zitate wie:

Don't wait for the perfect moment; take the moment and make it perfect!

He took the midnight train going anywhere - Glee

Ein wahrer Freund ist jemand, der die Melodie deines Herzens kennt und sie dir vorsingt, wenn du sie vergessen hast

Es waren ungläublich viele Zettel. Mindestens 100. Teilweise waren sie übereinander geklebt. Ganz rechts stand eine kleine dunkelblaue Schachtel in der anscheinend besagte Fotos waren.

Ich starrte die Sachen an, die da vor mir lagen. Gegenstände, die mir gehörten, die aus meinem Zimmer kommen, die ich jeden Tag in der Hand hatte. Gegenstände, die ich jetzt nicht mehr erkannte. Was soll ich mit dem Zeug? Will sie mir jetzt unter die Nase reiben, dass ich mich an nichts erinnere? Ich finde das ja auch nicht toll. Mein Blick wanderte langsam zu Doktor White, der sich vom Tisch erhob und zum Bett kam.

"Ich habe deine Mum gebeten ein paar Sache mitzubringen, weil es sein kann, dass das deinem Gedächnis etwas auf die Sprünge hilft. Du musst dir nicht alles angucken, du brauchst es dir auch gar nicht anschauen, wenn du nicht willst. Lass es erstmal auf dich wirken und entscheide ganz in Ruhe, ja?"

Ich nickte ein wenig. Das klang plausibel, aber im Moment war es zu viel. Ich nahm das Ringbuch und die Fotoschachtel und verstaute sie sorgfältig in einer Schublade neben meinem Bett. Der IPod und das schwarze Buch erschien mir für den Anfang irgendwie passender.

Julia hatte die Tasche im Schrank abgestellt, während Doktor White mit mir spach. Jetzt drehte sie sich um und verwickelte Doktor White in ein Gespräch über die vielen Befunde der viele Untersuchungen. Ich schaltete ab, weil ich von dem was Doktor White sagt nichts  verstand. Ich streckte stattdessen die Hand aus und griff nach dem liebevoll gestalteten Kopfhörerkabeln. Sie waren eigentlich weiß, aber jemand hatte sich die Mühe gemacht pinke Fäden darum zu knoten. Es hatte bestimmt ewig gedauert, aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Ob ich die Kopfhörer so gestaltet habe? Ich war nicht sicher, ob ich überhaupt so kreativ sein könnte.

Die Tür holte mich aus meinen Gedanken. Julia war davon gerauscht. Dem Gesichtsausdruck von Doktor White zu urteilen, hatte er irgendwas gesagt, was ihr nicht gefiel.

"Was ist los?", fragte ich. Doktor White kam wieder zum Bett und setzte sich auf die Kante.

"Deine Mum kommt sicher gleich wieder.", antwortete Doktor White nicht ganz passend auf die Frage, aber ich wollte nicht weiter darüber nachdenken.
"Ich wollte eh nochmal allein mit dir sprechen. Wir haben heute morgen noch weitere Befunde bekommen..." Sein Unterton und das fehlende Strahlen in seinen Augen ließen meinen Atem für einen Moment aussetzten.

"Ist irgendwas nicht in Ordnung?"

"Also es ist so. Ich hab dir doch erklärt, dass du bei dem Unfall auch Verletzungen am Rücken hattest", ich nickte. "Nun ist es so, dass man auf ein paar Aufnahmen, die wir gemacht haben sehen kann, dass das Rückenmark mehr in Mitleidenschaft gezogen wurde, als wir dachten und das die temporäre Lähmung deiner Beine nicht temporär ist..." Er blickte zu Boden, während es im meinem Kopf ratterte. Was wollte er mir sagen? Etwa, dass...

"Heißt.. d-das.., d-d-ass...?" stotterte ich vor mich hin.

"Wir können noch nicht sicher sein, wie es mit den Heilungschancen aussieht, aber wahrscheinlich werden deine Beine dauerhaft gelähmt sein.."


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