Kapitel 12

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Genervt sah ich auf. Ich fand es schrecklich, dass ich diesem gemeinen Typ so ausgesetzt war. Ich sah von seinen Beinen über ein hässliches Krankenhausnachthemd (Hatte der nichts Vernünftiges zum Anziehen?) in sein Gesicht. Er hatte immernoch ein breites Grinsen im Gesicht. Ich quittierte das mit einem bösen Blick, den er einfach zu ignorieren schien.

"Du stehst mir im Weg", sagte ich trocken. Dieser Typ brachte mich echt auf die Palme. Er reagierte nicht mal, schaute einfach nur auf mich herab. "Hallo!? Bist du taub? Geh zur Seite!" Meine Stimme wurde lauter. Er ging einen Schritt zur Seite. Na bitte, geht doch. Gerade wollte ich weiter, als er wieder die Griffe packte und mich mit einem Mal drehte und in die entgegengesetzte Richtung schob.

"Wolltest du nicht in diese Richtung?", fragte er. Ich wurde langsam echt sauer. "Wolltest du nicht die blöden Griffe los lassen und irgendwo hingehen, wo ich dich nicht sehen kann?", gab ich patzig zurück. "Nein, eigentlich nicht", erwiderte er, wahrscheinlich immernoch grinsend. Wir waren inzwischen ziemlich zügig unterwegs und da er anscheinend nicht gewillt war stehen zu bleiben, zog ich rechts und links die Bremsen des Rollstuhls. Dieser blieb promt stehen und brachte den Jungen hinter mir zum Stolpern. Leider hielt er immernoch die Griffe fest, sodass ich unsanft auf dem Boden landete. Verdammt, so war das jetzt nicht gedacht. Ich versuchte schon mich an den Lehnen des Rollstuhls hochzuziehen, als er um diesen herum trat und Anstalten machte mir zu helfen.

"Wehe, du berührst mich auch nur! Ich komme klar. Hau einfach ab!", schnauzte ich ihn an und versuchte irgendwie wieder zum Sitzen zu kommen. Der Junge ignorierte meine Drohung und hob mich behände wieder in den Rollstuhl.

"Na, geht's wieder?", fragte er unbekümmert.

"Nein!", antwortete ich wütend, "Ich bin wegen dir fast vor einer Wand gelandet und bin aus diesem Ding gefallen!" Wild gestikulierend zeigte ich auf die Wand vor uns und auf meinen fahrbaren Untersatz.

"Ich hätte dich schon nicht vor die Wand gefahren und daran", er zeigte auf den Boden, auf dem ich eben noch lag, "warst du selbst schuld. Darfst halt nicht einfach die Bremsen ziehen."

"Man darf auch nicht einfach Menschen im Rollstuhl entführen!" Ich war echt sauer und der hatte schon wieder nichts anderes zu tun, als dämlich vor sich hin zu grinsen.

"Na gut, wo darf es denn hingehen, Mylady?"

"Erstens: Nenn mich nicht so! Und zweitens: Ich mein Zimmer, aber ohne dich!", damit drehte ich mich um und rollte wieder in Richtung Zoe, nur um erneut angeschoben zu werden. Ich wehrte mich, aber da ich nicht wieder auf dem Boden landen wollte, konnte ich nichts tun.

"Die junge Dame hier möchte in ihr Zimmer", sagte der Junge nun zu Zoe, die vor dem Schwesterzimmer auf dem Flur stand. Verwirrt sah sie mich an. Ich warf ihr einen bittenden Blick zu.

"In Ordnung. Ich mache das schon.", sagte sie, da sie offensichtlich verstanden hatte. Doch da wurde sie schon wieder angesprochen.

"Ich kann das auch machen, wenn Sie beschäftigt sind", mit einem Lächeln unterbreitete der Junge Zoe sein Angebot, welche das durch ein Nicken in Richtung meines Zimmers, das nur zwei Türen weiter lag, annahm. Der Junge schob mich weiter, öffnete die Tür und trat ein. Ich war jetzt nicht nur wütend auf ihn, sondern auch auf Zoe, die mich offensichtlich doch nicht ganz verstanden hatte. Mit einer Bewegung hob er mich aus dem Stuhl und legte mich ins Bett. So eine Unverschämtheit! Dann ging er ans Bettende und warf einen Blick auf das Namenschild.

"So Mylady, da wären wir. Oder soll ich lieber Marie sagen?", mit einem Grinsen sah er mich an. Ich ignorierte ihn und schaute auf den Wald vor meinem Fenster.

"Schöne Aussicht hast du. Ich habe nur den Innenhof. Ist aber eigentlich auch ganz okay. Man kann die Menschen beobachten, die kommen und gehen." Auch darauf ging ich nicht ein.

"Naja, bestimmt sehen wir uns nochmal. Mein Zimmer ist ja nur den Flur runter.", damit ging er Richtung Tür.

"Hoffentlich nicht!", gab ich zurück. Er drehte sich um und grinste ein letztes Mal, bevor er die Tür hinter sich ins Schloss zog. Seufzend ließ ich mich in die Kissen sinken. Erst manövriert er mich fast gegen eine Wand, dann lande ich auf dem Boden und dann bringt er mich ins Bett! Das Schlimmste war, dass da noch irgendwas war, was ihn unausstehlich machte. Aber ich kam nicht drauf, was es war. Hoffentlich werde ich ihn wirklich nicht wiedersehen, darauf konnte ich verzichten...


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