3. Kapitel

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Billy hatte eine sehr unruhige Nacht hinter sich. Stunde um Stunde hatte er sich hin und her gewälzt, seine Gedanken immer bei seinem potentiellen Opfer. Gegen fünf Uhr morgens kam ihm dann die Idee. Es durfte auf keinen Fall eine Person aus seinem Umfeld sein. So gerne er sich auch an dem ein oder anderen Mieter rächen wollte, hatte er doch genug Filme und Serien gesehen, um zu wissen, dass die Polizei immer zuerst im Umfeld des Opfers ermittelte. Also sollte es ein völlig Fremder sein.

Nachdem er bereits um 6 Uhr morgens angezogen war und seinen ersten Kaffee getrunken hatte, nahm er seine Jacke und verließ seine Wohnung. Auf dem Flur lief ihm Mr. Henderson, der Mieter aus 8B über den Weg. "Mr. Robins, sie sind aber früh wach!", kommentierte der Mieter das Treffen. Billy murmelte irgendetwas während er sich möglichst lange Zeit ließ seine Tür abzuschließen. Er hatte keine Lust auf Smalltalk im Treppenhaus. Er hängte noch das 'bin gleich zurück' Schild auf und ging langsam die Treppen runter.

Vor der Haustür blickte er ratlos nach links und rechts. Wo sollte er hingehen? In eine Mall? Aber da waren viel zu viele Menschen. Im Rotlichtviertel war um diese Uhrzeit auch nicht viel los. Er steckte die Hände in seine Jackentasche und lief los.

Nach etwa einer halben Stunde fand Billy sich im Park wieder. Abseits der Hauptwege fand man die etwas schäbigeren Ecken. Er wusste, dass am Südende des Parks eine kleine Brücke war unter der ein paar Obdachlose hausten. Langsam schlenderte er in die Richtung, dabei zog er seinen Kragen hoch und versuchte sein Gesicht ein wenig zu verbergen.

Von weitem beobachtete er die Brücke, scheinbar schienen nur zwei Personen ihr Lager dort aufgeschlagen zu haben. Unauffällig ging Billy immer näher ran, ja er war sich sicher, dass es nur zwei Lager waren. In ihm begann ein Plan Gestalt anzunehmen. Nach einem letzten Blick drehte er sich um und ging zurück zu seiner Wohnung. Er grinste in sich hinein, langsam fing das Spiel an ihm zu gefallen.

Am Abend packte Billy eine Tasche, mit den Sachen, die er für seinen Plan benötigte. Er hatte sich nach seinem Spaziergang erst einmal hingelegt, bis ihn Mrs. Sanchez wieder wegen dem Fenster geweckt hatte. Ausgeruht war er trotzdem. Er zog sich seine ältesten Klamotten an und löschte das Licht als er die Wohnung verließ. Auch das Schild hängte er nicht raus, sollten die Mieter ruhig glauben, dass er schliefe.

Im Park angekommen versteckte er seine Tasche unter einem Strauch, vorher holte er allerdings noch eine volle Flasche Whiskey raus. Dann nahm er etwas Dreck und rieb damit seine Hose und sein Shirt ein, sodass es aussah, als hätte er seit mindestens einer Woche seine Kleidung nicht mehr gewechselt. Dann nahm er einen Schluck aus der Flache und spülte sich damit den Mund aus. Trinken tat er nur eine wenig, da er einen klaren Kopf behalten wollte. Zielstrebig ging er Richtung Brücke, als er sich immer weiter näherte wurde er langsamer und seine Schritte wurden unsicherer. Auf einen Außenstehenden wirkte er wie ein Betrunkener.

Während er sich torkelnd unter die Brücke bewegte, ließ Billy seinen Blick über die beiden Lager schweifen. Nur in einem saß ein Mann, das andere wirkte verlassen. Billy setzte sich schwerfällig zwischen die beiden Lager auf den Boden. Dabei stellte er die Flasche gut sichtbar vor sich hin. Aus dem Augenwinkel sah er, wie der Obdachlose die Flasche anschielte. Billy lehnte sich zu dem leeren Lager rüber und inspizierte die Decken. "Is' hier noch Platz?", lallte er. Der Obdachlose hustete trocken: "Pete is verhaftet worden. Ich pass hier auf, aber für ein zwei Schlucke kannste hier schlafen.", dabei deutete der Mann auf die Flasche mit Whiskey. Billy lehnte sich zu ihm rüber und gab sie ihm. "Für ein paar Decken und nen Schlafplatz." Der Mann nahm die Flasche und genehmigte sich einen großen Schluck. So wie er roch, war das nicht sein erster Drink am heutigen Tag. 'Gut so', dachte Billy, 'dann wird es leichter.' Billy nahm sich eine Decke von Pete auf der nicht so viele Flecken zu erkennen waren und setze sich näher an den Mann. "Ich bin Billy.", sagte er. "Ralf", sagte der andere zwischen zwei Schlucken. Die Flasche war bereits zur Hälfte leer. Ralf schien das auch gerade bemerkt zu haben und hielt Billy die Flasche hin. Er wischte unauffällig über die Öffnung und setzte sie an seine Lippen. Dabei ließ er aber keinen Tropfen Alkohol über seine sie. Für Ralf sah es aus, als ob er einen großen Schluck nehmen würde. "Hey, lass mir auch noch was übrig." Billy reichte die Flasche zurück.

Nach einer halben Stunde war noch nicht einmal mehr einen Fingerbreit von dem Whiskey übrig und Ralf hatte ihn komplett alleine getrunken. Der Obdachlose war immer mehr in sich zusammengesunken und lehnte jetzt schlapp an der Brückenwand. In der mittlerweile herrschenden Dunkelheit konnte Billy nicht genau erkennen, ob Ralf schon eingeschlafen war. Vorsichtig beugte er sich über ihn und Ralf antwortete ihm mit einem lauten Schnarchen. 'Perfekt', dachte Billy. Leise holte er ein Klappmesser aus seiner Hosentasche. Er stellte sich vor den Obdachlosen mit der Klinge auf seinen Hals gerichtet. Er hatte vorher im Internet nachgeguckt, wo er am besten zustechen sollte um einen Menschen schnell zu töten.

Seine Hände fingen an zu zittern. Jetzt war er sich auf einmal nicht mehr so sicher, ob das eine gute Idee war. Aber es hieß Ralf oder er selber, denn er hatte keinen Zweifel, dass die anonyme Person aus dem Forum die Wahrheit geschrieben hatte. 'Komm schon, du schaffst das. Es heißt er oder du. Dann lieber er!', versuchte er sich selber zu motivieren. Er atmete einmal tief durch und stieß die Klinge seitlich in den Hals des Obdachlosen. Die Klinge war so scharf, dass sie sehr leicht in das Fleisch eindrang. Als er sie wieder herauszog pumpte das Blut in Rhythmus des Herzschlags heraus. Der Obdachlose riss mit einem Mal die Augen auf und packte sich an die blutende Wunde. Es war nur ein gurgeln zu hören, da Billy scheinbar auch die Luftröhre verletzt hatte. Mit einem erstickten Laut wich Billy einen Schritt zurück. Mit Schrecken und einer nicht geringen Portion Faszination sah er zu, wie der Obdachlose verzweifelt die Hand auf die Wunde presste, während er langsam ausblutete. Nach nur wenigen Minuten kam kaum noch Blut und der Mann regte sich nicht mehr. Billy holte sein Handy raus, dabei wäre es ihm beinahe noch aus den Händen gefallen. Als er runterschaute sah er auch warum. Der Handschuh, den er sich vorsorglich angezogen hatte, war blutverschmiert. Er wischte die Hand notdürftig an seiner Hose ab, zum Glück hatte er eine schwarze angezogen und machte mit seinem Handy schnell ein Foto von dem Obdachlosen. Dann rannte er los.

Er kam ungefähr 400 Meter weit, bevor er sich übergeben musste. Er zitterte am ganzen Körper, als das Adrenalin langsam nachließ. Er wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab und ging mit weichen Knien zu seiner Tasche. Dort zog er die Hose und das Shirt aus und nahm die saubere Kleidung aus der Tasche. Auch die blutverschmierten Handschuhe warf er in die Tasche. Rasch zog er sich an und ging auf direktem Weg nach Hause.

In seiner Wohnung warf er die dreckige Kleidung mit einer ordentlichen Ladung Bleiche in die Badewanne. Dann setzte er sich an seinen Computer und lud das Foto auf der Seite des Clubs hoch. Er hatte keinen Nerv mehr auf die Antwort zu warten. Billy schaltete den Computer aus, trank eine halbe Flasche Wodka, die noch in seiner Küche stand auf Ex und ließ sich in sein Bett fallen.



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