Am nächsten Tag erwachte Billy mit dem schlimmsten Kater, den er in seinem Leben bisher erlebt hatte. Ganz langsam richtete er sich auf um dem Schwindel entgegen zu wirken, aber trotzdem drehte sich alles um ihn herum. In dem Moment als er seinen Fuß auf den Schlafzimmerboden setzte, rebellierte sein Magen. Bei dem Versuch noch ins Badezimmer zu rennen, rammte er mit dem Fuß seine Kommode. So aus dem Tritt gebracht taumelte er gegen die Badezimmertür und übergab sich auf den Fliesenboden. 'Na toll', dachte er, 'jetzt muss ich das auch noch wegmachen.' Er lehnte sich an den Türrahmen und widerstand dem Drang sich auf den Boden zu setzen, da er wusste er würde nicht wieder hochkommen. Immer noch mit einem flauen Gefühl im Magen und einem permanenten Hämmern im Schädel ging er in die Küche und trank erst einmal ein großes Glas Leitungswasser. Er fühlte sich als hätte er seit zwei Tagen nichts getrunken. Er machte sich noch ein zweites Glas voll und ging zu seinem Computer. 'Irgendwo hier müssen noch Kopfschmerztabletten liegen.' Er wühlte sich durch die Schubladen und durch das Chaos aus leeren Schokoriegelverpackungen und Energiedrinks. Leider blieb seine Suche erfolglos. Mit einem leisen Fluch drehte er sich einmal um sich selbst, als ob plötzlich hinter ihm eine Schachtel Tabletten auftauchen würde. Er musste wohl ins Bad an den Medizinschrank, dort hatte er auf jeden Fall noch welche. Immer noch schwankend ging er zurück ins Bad. Beim betreten machte er einen großen Ausfallschritt um nicht in das Erbrochene zu treten. 'Erst die Tabletten dann die Kotze.', dachte er und holte eine Schachtel aus dem Schränkchen über dem Waschbecken. Er nahm direkt drei Stück auf einmal und spülte sie mit Wasser aus dem Hahn runter. Dann setze er sich auf den Wannenrand und legte den Kopf in die Hände. Was hatte er gestern Abend nur getan, hatte er wirklich einen Menschen umgebracht? Mit der leisen Hoffnung, dass es doch nur ein sehr realistischer Traum gewesen ist schaute er hinter sich in die Badewanne. Dort lagen immer noch seine blutverschmierten Klamotten in einem Bad aus Bleiche. Die ursprünglich klare Flüssigkeit hatte sich über Nacht rostrot verfärbt. 'Doch kein Traum.'
Nachdem er unter heftigen Schwindel und nicht ohne sich noch zweimal übergeben zu haben, das Bad sauber gemacht hatte, widmete er sich seiner Kleidung. Bewaffnet mit Handschuhen und einer Nagelbürste rieb er das Blut aus seiner Kleidung. Als die Flecken nur noch sehr blass zu sehen waren, gab er seine Sachen in die Waschmaschine und fügte dem Waschmittel noch einen großzügigen Schuss Bleiche hinzu. 'Das sollte sämtliche DNA vernichten.', dachte er. Er ließ die Flüssigkeit aus der Wanne ab und schrubbte auch diese.
Nach einer halben Stunde verließ er das Bad wieder, schweißgebadet und leicht benebelt von den Gerüchen der Bleiche. Er ließ sich auf seinen Schreibtischstuhl fallen und machte in einer fließenden Handbewegung seinen Computer an. Als der Rechner hochgefahren war, öffnete sich ein Dialogfenster:
>Herzlichen Glückwunsch. Deine Bewerbung wurde akzeptiert. Du kannst jetzt die Beiträge der anderen Mitglieder anschauen und bewerten. Für jeden eigenen Beitrag erhältst du Punkte. Minimal 3 und Maximal 30. Die Punkte bekommst du für die Wahl des Opfers, des Ortes und die Art der Ausführung. Du solltest möglichst schnell weitere Beiträge online stellen. Wenn sich dein Punktekonto nicht alle zwei Wochen verändert, sieht sich der Club zum handeln gezwungen. Herzlich willkommen im Club der Kreativen und viel Spaß.
Billy las sich den Text zweimal durch. Er musste also mindestens alle zwei Wochen einen Mord begehen, sonst drohten Konsequenzen. Nervös trommelte er auf der Schreibtischplatte herum. Dann sprang er auf und lief zu seinem Kalender in der Küche. Er nahm sich einen roten Stift und markierte den Tag in zwei Wochen mit einem dicken Kreuz. Bis dahin hatte er Zeit sich etwas zu überlegen. Nachdenklich kehrte er zu seinem Computer zurück. Er setzte sich auf seinen Stuhl und wippte unschlüssig hin und her. Schließlich fasste er den Mut und öffnete die Seite des Clubs. Diesmal konnte er verschiedene Foren erkennen. Jeder Order war mit einer anderen Nummer versehen. Eine Nummer war rot eingefärbt, während die anderen weiß waren. Billy klickte auf diesen Ordner. Es öffnete sich ein weiteres Fenster. Dieses war bis auf zwei Icons leer. Bei einem stand Support und bei dem anderen Neuer Ordner. Das musste sein eigenes Profil sein. Er kehrte zurück zum Forum. Seine Nummer war die 48. Die anderen Ordner waren fortlaufend angeordnet und seine Nummer war die letzte. Es schienen also mit ihm 48 Mitglieder im Club der Kreativen zu sein. Billy klickte auf eine andere Nummer. Zu sehen waren 5 verschiedene Ordner, alle nicht betitelt, sondern ebenfalls mit Nummern versehen. Am Anfang jedes einzelnen Ordners war ein Bild von einer Leiche zu sehen. Darunter gab es einen Button um eine Bewertung abzugeben. Als Billy versuchsweise auf diesen klickte erschien in einem kleinen Feld der Schriftzug: 'Tut uns Leid, aber die Zeit um ein Votum abzugeben ist vorbei.' Billy schloss das Fenster wieder und las sich die Kommentare durch, die andere Mitglieder hinterlassen hatten. Einige waren in Billys Augen eindeutig krank, aber die Art der Kommentare entsprachen fast einer konstruktiven Kritik, so als würden sie über Holzschnitzereien diskutieren und nicht über das Ermorden von Menschen. 'Hast du es schon mal versucht mit...?' oder 'Also ich hab die Erfahrung gemacht, dass ...'.
Die Zeit verging wie im Flug und als das Telefon klingelte schreckte Billy regelrecht auf. Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr und stellte erstaunt fest, dass er ganze zwei Stunden damit verbracht hatte, die Beiträge von anderen zu lesen. Nach dem fünften Klingel nahm er den Anruf an, er rechnete mit Mrs. Sanchez, aber zu seiner Überraschung war es die attraktive Mieterin aus 2D. Bevor Billy die Wohnung verließ, warf er noch einen schnellen Blick in den Spiegel. Naja, mit Ryan Gosling konnte er nicht mithalten, aber dafür, dass er immer noch ganz schön verkatert war, sah er gut aus.
Viel zu schnell verlief der Einsatz in ihrer Wohnung. Er musste nur kurz ein Ventil nachziehen, damit der Wasserhahn nicht mehr tropfte. Billy hatte es mit Smalltalk versucht, aber sie schien ihn kaum wahrzunehmen. Tja, ein Hausmeisterkittel war halt in der Regel kein Frauenmagnet. Bevor er seine Wohnung wieder betrat, nahm er die Zeitung aus dem Briefkasten. Er setzte sich auf seine Couch und blätterte im Lokalteil, als ihm auf der dritten Seite ein Artikel ansprang. 'Obdachloser erstochen bei der alten Bridge im Park aufgefunden'. Bei Billy brach der Schweiß aus, er hatte gehofft, dass die Leiche noch eine Weile unentdeckt bleiben würde. Mit zitternden Fingern las er weiter: 'Die Polizei geht davon aus, dass es sich um einen Streit zwischen zwei Obdachlosen handelte, der außer Kontrolle geraten war. Laut der Polizei gab es keine Augenzeugen.' Billy atmete auf. Es schien, als wenn er außer Gefahr war. Er blickte zu seinem Computer und rief sich noch einmal die Beiträge der anderen Mitglieder, die er gelesen hatte ins Gedächtnis. Da waren ein paar sehr außergewöhnliche Taten bei, die mit dementsprechenden Punkten honoriert worden waren. Billy rieb sich das Kinn, er wollte auch gerne so viele Punkte bekommen. Sein Ehrgeiz war geweckt. Gleich morgen wollte er sich nach einem neuen Opfer umsehen und diesmal wollte er sich mehr Zeit lassen.
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Der Club der Kreativen
Mystery / ThrillerWillkommen im Club der Kreativen. Wer sich hier beweisen will, muss seine Bewerbung in rot schreiben. Also wenn du dich bereit dazu fühlst dich mit Gleichgesinnten zu messen, dann komm zu uns und verwirkliche deinen Traum.