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Oktober, der 13. Die Tropfen trommeln laut gegen die Scheiben meines kleinen Autos, das selbst im dichtesten Nebel, der dieser Tage herrschte, rot leuchtete und Aufmerksamkeit auf sich zog.
Leise summte ich zu der Musik, die ich mir noch in meiner Wohnung zusammengestellt und auf einen Stick gezogen hatte, als ich am Elbstrand vorbei fuhr. Der Elbstrand... Die Erinnerung löste einen dumpfen Schmerz in meiner Brust aus. Dort waren wir uns zum ersten Mal näher gekommen. Wir, das waren Ben und ich. Aber... Eigentlich stand es mir nicht zu das Wort 'Wir' zu benutzen. Denn das gab es nicht. Kein wir und auch kein uns. Seit dem Tag, an dem er bei mir übernachtet hatte, hatte ich ihn nicht mehr gesehen. Mittlerweile waren zwei Jahre vergangen, ich hatte mein Abitur bereits in der Tasche und lebte in einer WG zusammen mit meinem besten Freund. Ben war von einem auf den anderen Tag verschwunden, ohne sich bei mir zu melden. Der erste Gedanke, der mir gekommen war, war einfach, dass er vielleicht einfach keine Möglichkeit gehabt hatte, sich bei mir zu melden.
Dass er vielleicht einfach kurzfristig nach England gereist war und mir nicht Bescheid sagen konnte. Also wartete ich. Und wartete. Und wartete. Ich traute mich nicht ernsthafte Nachforschungen anzustellen, deswegen schrieb ihm nur Nachrichten, in denen ich ihn fragte was passiert sei. Mittlerweile war mir das aber auch wieder peinlich, weil ich nicht wollte, dass er herausfand, dass er mir damit weh tat. Denn das hatte er. Es war nicht lange gewesen, sogar einfach ziemlich surreal, weil es so schnell gegangen war, aber irgendwie hatte es schon eine tiefe Narbe hinterlassen. Eine Narbe, die sich gleich neben zwei andere gesellte, die einmal noch viel mehr weh getan hatten.
Kurz vor meinem Abitur hatte ich dann begonnen zu akzeptieren, dass er einfach kein Interesse an mir hatte und es keinen Sinn machte, sich immer wieder den Kopf über die ganze Sache zu zerbrechen.
Ich war wieder mehr ausgegangen, hatte Typen kennengelernt und gedatet und einfach versucht, nicht zu denken, dass die Liebe mich wohl einfach nicht leiden konnte. Und deswegen nicht in Selbstmitleid zu versinken. Denn sind wir mal ehrlich: Das wäre so ziemlich das Dümmste, das ich tun konnte, oder?
Als sich zu den dicken Regentropfen auf meiner Frontscheibe auch noch Donner und wenig später Blitze gesellten erschien ein kleines Lächeln auf meinen Lippen. Das hieß auf jeden Fall gleich Teatime mit Maxi, meinem Mitbewohner. Ich kam gerade vom kleinen Markt am anderen Ende unseres Stadtviertels, auf dem man ziemlich guten Tee bekam, den wir beide in den kalten Monaten literweise tranken.
Ich stellte den Motor ab, suchte meine Einkäufe zusammen, stieß die Tür meines Wagens auf und rannte durch den Regen ins Haus hinein, dessen Eingang mir schon von Maxi aufgehalten wurde, damit ich nicht allzu nass wurde. ,,Na, wir war's so, du Fisch?", fragte er grinsend, wobei kleine Grübchen auf seinen Wagen erschienen, während er mir die Tüten aus der Hand nahm und ins Innere unserer Wohnung trug.
,,Lustig, Maxi. Ich merk schon wie mir die Schuppen wachsen. Und warte, ich glaub, ich hab auch schon Kiemen!" Meine Stimme war ziemlich trocken, was meinen Mitbewohner nur noch mehr anspornte, sein Grinsen zu vergrößern. Ein Ausdruck wie der eines kleinen Jungen legte sich über sein Gesicht, als er den Tee und die Stäbchen mit Kandiszucker entdeckte. Ich musste lächeln, als ich ihn so sah.
Mit seinen goldblonden Haaren, den tiefblauen Augen und der hochgewachsenen Gestalt sah er aus wie der typische Sunnyboy. Sein kantiges Kinn betonte das Ganze nur. Aber wenn er etwas sah, dass ihn wirklich freute, dann verwandelte er sich augenblicklich in einen kleinen Jungen an Weihnachten. Es war schön ihn so zu sehen, weil ich fand, dass es toll war, wenn man sich so über die einfachen Dinge des Lebens freuen konnte. Ich konnte das zwar auch, aber eben nicht jeder. Obwohl ich es jedem gönnte. ,,Du bist ein Schatz, Joleen. Komm in meine Arme, Darling.", sagte er in seiner feierlichen Stimme, breitete überschwänglich die Arme aus und zog mich an seine Brust. Ich lachte.
Wenn man bedachte, dass er, genau wie ich, Kriminalistik studierte, dann traute man ihm solche Ausbrüche nicht zu. Aber so war er: Laut, überschwänglich, manchmal ein bisschen zickig und unendlich herzlich. Mein bester Freund eben.
Ich ließ mich in eine Umarmung ziehen und durch die Gegend schunkeln. Nach einer Weile stoppte er, drückte mich ein wenig von sich weg und sah mir ernst in die Augen.
,,Denk nicht, ich merk nicht, dass du irgendwas gesehen hast, das dich traurig gemacht hat.", meinte er leise und lächelte mich entschuldigend an. Wie merkte er das bitte immer? Ich hatte doch die ganze Zeit gelächelt, weil ich eben nicht wollte, dass er es mitbekam. Es war doch eine ganz kleine Sache gewesen...
Statt ihm zu antworten legte ich meine Stirn lieber wieder auf seine Schulter und zuckte mit denselbigen.
,,Sollte ich diesen Ben jemals in die Finger bekommen, weiß ich nicht, was ich mache.", sagte er grimmig und schlang seine Arme ein wenig fester um mich.
So war er immer, manchmal auch ohne Grund. Manchmal nervte es, manchmal gab es Sicherheit. Jetzt war eher letzteres der Fall.
,,Okay, wer möchte Tee?", sagte ich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, während ich mich aus der Umarmung befreite und ihm einmal durch die Haate wuschelte.
,,Wärst du nicht mein Lieblingszwerg, dann würde ich dich jetzt bestrafen." Auch er hatte sich umgedreht und angefangen, die Einkäufe einzuräumen. Ich kümmerte mich unterdessen darum, dass wir die nötigen Mittel für unsere Teatime hatten. Außerdem ging ich auch in mein Zimmer, tauschte meine Klamotten gegen bequeme und dicke und meine hohen Schuhe gegen Pantoffeln ein.
Als ich gerade wieder in den Flur kam, klingelte es an der Tür. Ich rief Maxi zu, dass ich schon gehe und schlenderte auf den Eingang zu, um zu öffnen.
Es schien nichts Spektakuläres zu sein, denn es war nur eine Postbotin, die ein Paket lieferte. Ich nahm es entgegen und trug es ins Wohnzimmer.
,,Hast du etwas bestellt?", fragte ich meinen Mitbewohner mit hochgezogenen Augenbrauen, der mir mit einem Kopfschütteln antwortete.
Dann musste es wohl irgendwie für mich sein. Wer auch immer daa Bedürfnis hatte, mir ein Paket zu schicken, war dem anscheinend nachgegangen. And now here we are, hm?
Ich machte mich daran das Paket zu öffnen. Es hatte sich schon ziemlich leicht angefühlt, als ich es entgegen genommen hatte, aber was ich darin fand, war nichts gewesen, mit dem ich jemals wieder gerechnet hätte.
Der kleine Karton war über und über mit Wattebällchen gefühlt. Und mittendrin lag ein Flugticket. Nach London. Und daneben lag ein Zettel, versehen mit einer Schrift, die ich wohl immer noch ziemlich gut erkannte.
Hi Joleen,
I guess it's a bit late but I'd really like to talk to you. Würdest du nach London kommen? Das Ticket schenke ich dir.
Ben

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⏰ Letzte Aktualisierung: Sep 18, 2015 ⏰

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