Kapitel 12

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"Links, links, links! Nein! Das andere links!",

rief Luis etwas frustriert, da ich ein leichtes links -rechts Problem zu haben schien. Ok, 'etwas frustriert' war etwas untertrieben. Ich hatte gerade zum fünften Mal fast sein Auto geschrottet. Hätte er nicht jedes Mal im letzten Moment eingegriffen, wären wir wohl gerade in einem anderen Auto -mit Blaulicht -und am Weg in die Unfallklinik. Ich bekam langsam den Eindruck, dass Luis betrunken besser fuhr als ich nüchtern. Nicht, dass ich das jemals laut zugegeben hätte -dafür war mein Stolz zu groß.

"Ich mach ja schon!",

gab ich genervt zurück und riss das Lenkrad heftig in die entgegengesetzte Richtung. Ich hatte noch nicht sehr viel Praxis im Auto fahren, was mich aber nicht daran hinderte, es in vollen Zügen zu genießen. Ich wusste, wie man die Kupplung betätigte, schaltete oder lenkte, konnte aber alles noch nicht ganz so fließend, wie ich es gerne wollte. Ich hatte Luis natürlich nichts von meiner nicht vorhandenen Fahrpraxis erzählt, denn das hätte meine Chancen, jetzt am Fahrersitz seiner geliebten Schrottlaube zu sitzen, ins unendliche verschmälert. Zum Glück war die Straße um diese Zeit komplett unbefahren und so gefährdete ich niemanden außer Luis, der Klapperkiste und mich selbst. Dass ich das Auto gefährdete, schien allerdings Luis größte Sorge zu sein.

"Ganz toll gemacht! Du fährst wie ein Irrer!",

sagte er relativ beherrscht, ich merkte, dass er langsam aber sicher ungeduldig wurde. Ich war einen kurzen Moment abgelenkt und fuhr unabsichtlich auf den Straßenrand, wobei ich fast in eine Laterne lenkte, die dort stand. Hätte Luis nicht mal wieder im letzten Augenblick zum Lenkrad gegriffen und uns zurück auf die Straße manövriert, wäre ich sicher hinein gefahren. Ich bremste und als wir endlich standen, stieß ich meinen angehaltenen Atem aus. Einige Sekunden saßen wir beide einfach nur da.

"Weißt du was? Ich fahre.",

sagte Luis in die drückende Stille hinein. Das fand ich nach meinem letzten nahtod Erlebnis gar keine so schlechte Idee mehr, also stieg ich wortlos aus und ging zur Beifahrerseite des Autos. Er rutschte einfach im Auto auf den nächsten Sitz und ich rollte meine Augen über sein kindisches Verhalten, stieg aber, immer noch ohne ein Wort zu sagen, ein. Erst als wir fuhren und die Stille mir viel zu drückend vorkam, beschloss ich, etwas zu sagen.

"Entschuldigung",

flüsterte ich fast. Zum zweiten Mal an diesem Abend war ich beschämt über mein Verhalten. Ich sah ihn nicht an. Ich konnte nicht. Doch als lange Zeit keine Antwort kam, beschloss ich, doch zu ihm zu sehen. Er sah mich mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen an. Es wirkte fast so, als wollte er mit mir kommunizieren, ohne die Worte dafür zu finden. Und ich verstand ihn. Er verzieh mir.

"Danke",

flüsterte ich diesmal wirklich, da ich Angst hatte, diesen Moment mit zu vielen Worten zu zerstören. Gerade fuhren wir in die Einfahrt zu meinem Haus. Mein Blick fiel auf die Radiouhr, die in Luis Auto eingebaut war. Mit Schrecken stellte ich fest, das es schon lange nach Mitternacht war. 'Meine Eltern werden mich umbringen!', schoss mir der Gedanke durch den Kopf. Panisch sah ich auf und traf Luis' Augen, der mich wortlos zu verstehen schien, schwungvoll seine Autotüre öffnete und um das Auto herum kam, um mir auf meiner Seite die Türe aufzuhalten.

"Wir schaffen das gemeinsam",

flüsterte er mir ins Ohr, als ich aufstand und ich konnte einen wohligen Schauer, der mir den Rücken hinunterlief, nicht unterdrücken. Dankbar sah ich ihn an und er lotste mich mit einer beruhigenden Hand am Rücken zur Haustüre meiner Eltern. Ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um auf die Türklingel zu drücken. Ein hellwacher Bertie öffnete die Türe und ich bekam sofort Schuldgefühle. Er hatte wach bleiben müssen nur weil ich nicht pünktlich zu Hause war. Freundlich schaute er mich an und musterte anschließend auch Luis, der sich nicht sonderlich wohl zu fühlen schien.

Got your heart,  princessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt