Bei einer Tasse Kaffee habe ich ihr alles erklärt, doch Mona hat noch kein Wort gesagt.
Starr blickt sie auf ihre Tasse.
"Wieso tun sie das? Wieso schicken sie jemanden wie dich in die Zentrale? Gibt es irgendeinen Grund dafür?"
Ich beiße mir auf die Unterlippe.
Kael hat mir Infos gegeben, die er mir nicht hätte geben dürfen, doch ich weiß bereits jetzt, dass ich Mona nichts mehr verheimlichen kann.
Doch ist dieses Haus sicher?
Was, wenn auch Mona und ihre Familie abgehört wird?
"Reva? Hast du mir etwas zu sagen."
Ich blicke mich um, glücklicherweise liegt ein Einkaufszettel auf dem Tisch, ein Stift daneben.
Manchmal habe ich wirklich Glück.
"Nein. Ich habe keine Ahnung für was ich das tun soll. Vielleicht einfach nur, weil sie wirklich besser ausgebildet werden sollen. Und hier in Distrikt 2 haben wir schließlich genug Sieger um potentielle Tribute zu unterrichten.", sage ich langsam und gedehnt, während ich nach dem Stift und dem Zettel greife und wenige Worte darauf schreibe.Verabschiede mich, in 15 Minuten am Rand von Distrikt 2, neben der verlassenen Hütte.
Stirnrunzelnd liest Mona meine Notiz und will schon etwas sagen, als ich energisch den Kopf schüttele und wieder auf den Zettel deute.
Noch immer verwirrt nickt sie.
"Da hast du vielleicht recht. Schätzchen, Dean wird bald mit den Kindern zurück sein und ich muss noch die Einkäufe erledigen, es tut mir Leid aber ich muss wirklich los.", sie lächelt unsicher.
"Ich komme bald wieder vorbei. Ist kein Problem.", ich umarme meine beste Freundin und flüstere währenddessen, "Ich erklär es dir gleich."
Eine Viertelstunde später sitzen wir, geschützt durch die kleine Hütte am Rande von Distrikt 2 auf einer hölzernen, leicht verschimmelten Bank.
"Warum hast du mich hier raus gebracht Reva? Ich mache mir wirklich ernsthafte Sorgen um dich."
"Kael hat mir gesagt, dass unser Haus nicht sicher ist. Woher soll ich wissen, dass es eures ist?"
Zweifelnd sieht mich meine beste Freundin an.
"Sag mal, bist du krank?"
"Nein. Hör mir zu. Wir werden bewacht. Oder besser gesagt Überwacht. Ich kann bei mir Zuhause nicht mehr offen reden und ich weiß nicht ob euer Haus nicht auch betroffen ist."
"Was meinst du mit offen reden? Und wer sollte euch denn Überwachen?"
"Das Kapitol. Sie bespitzeln alle Sieger. Sie möchten sich sicher sein, dass wir genau das tun, was sie uns aufgetragen haben."
"Wie meinst du das? Ich verstehe kein Wort."
Ich atme einmal tief durch und beginne dann von vorne.
Ich erzähle ihr alles was ich von Kael weiß und was ich mir selbst zusammengereimt habe.
"Du meinst, ein Krieg könnte ausbrechen?"
"Kael meint das. Ich denke nicht, dass es möglich ist, doch seit ich diesen Brief erhalten habe, habe ich noch mehr Angst bekommen. Was, wenn ich Unrecht habe? Ich meine, sie wollen jemanden mit richtigen Kampferfahrungen in der Friedenswächterzentrale. Sie wollen wirklich jemanden dort haben, der Menschen getötet hat. Effektiv getötet hat.", meine Stimme bricht und ich erinnere mich an das Gefühl der unbändigen Macht, während ich meine Dolche und Messer in die Haut unschuldiger Kinder gestoßen habe.
Ohne jede Reue.
Diese kommt zu spät.
Viel zu spät.
"Du klingst gar nicht mehr wie die Reva, die ich kenne.", höre ich Mona wie aus weiter ferne und ich lächle sie traurig an.
"Ich bin nicht mehr die Reva, die du kanntest. Die Reva, wäre stolz gewesen, eine solche Aufgabe bekommen zu haben. Sie hätte ohne mit der Wimper zu zucken ja gesagt und wäre sofort zur Zentrale gegangen um sich zu melden. Sie hätte jedem Friedenswächter genau gezeigt wie es geht einen Menschen schnellstmöglich zu töten und sie hätte sich keine Gedanken darüber gemacht, wozu das ganze gut ist. Ich, die ich die 74. Hungerspiele gesehen habe. Die ich erkannt habe, wie Ungerecht und grausam das alles ist, hinterfrage das Kapitol. Ich hinterfrage alles. Doch das bringt mich, Kael, dich und deine Familie, einfach alle die ich kenne in Gefahr. Ich als Siegerin, darf nichts hinterfragen. Und Kael als einer der wichtigsten Friedenswächtern in Distrikt 2 darf sowieso nichts hinterfragen. Wir sind Diener des Kapitols geworden, ohne uns dessen bewusst zu sein."
"Du bist wirklich eine Andere geworden. Ich bin erstaunt und auch überrascht. Ich hätte nicht gedacht, dass du jemals so etwas sagen würdest. Du warst immer so überzeugt von dem was du tust.", Mona blickt hinaus und ich habe das Gefühl, dass sie zum ersten Mal über den Zaun von Distrikt 2 hinweg sieht.
Den Zaun, den wir niemals passieren würden.
"Ich war auch überzeugt. Doch als dieses kleine Mädchen getötet wurde und Katniss Everdeen ihr die letzte Ehre erwies, wurde ich zum ersten Mal aufgerüttelt. Als dann auch noch Cato starb und die beiden Tribute aus Distrikt 12 sich hätten gegenseitig töten sollen, obwohl sie sich liebten, wurde mir klar, dass diese Spiele nur Leid und Unrecht bringen. Sie verhelfen niemandem zu Ruhm und Ehre, sondern nur in eine Gefangenschaft. Katniss Everdeen hat zum ersten Mal gezeigt, dass man sehr wohl etwas tun kann und die Menschen in vielen Distrikten haben das erkannt und es als Aufforderung gesehen, sich zu ändern. Und jetzt soll ich Friedenswächtern, die gegen die Demonstranten vorgehen, zeigen, wie sie diese am schnellsten töten können? Wie soll ich da nur noch ruhig schlafen können.", ich senke meinen Kopf und stütze ihn in meine Hände.
"Du kannst diesen Job nicht ablehnen. Du musst es tun.", flüstert Mona und ich nicke nur.
"Ich weiß."
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Reva Scott 3 - Die 75. Hungerspiele
FanfictionNach den 74. Hungerspielen scheint sich alles zu verändern. Plötzlich wehren die Menschen in den Distrikten sich, lassen sich nicht mehr alles gefallen. Während es in vielen Distrikten Aufstände gibt, verhält sich Distrikt 2 eher ruhig. Bis Kael...